Die Bedeutung des Zehnten heute

Es gibt immer wieder heftige Diskussionen, ob die Pflicht, den Zehnten an die Gemeinde zu bezahlen, heute immer noch besteht. Diese Diskussion wird natürlich nicht geführt, weil man mehr als 10% bezahlen möchte, sondern weniger.

Nun muss man zum einen sagen, dass es für die Gemeinde heute außer der Liebe überhaupt kein Gebot mehr gibt. Das Gesetz des Mose ist abgeschafft. Von daher gibt es keine Vorschrift mehr, dass Christen einen bestimmten Prozentsatz ihres Einkommens an die Gemeinde bezahlen müssen.

Dabei hilft uns auch der Punkt nicht weiter, dass der Zehnte ja gar keine Erfindung des Gesetzes ist, sondern schon vor dem Gesetz existierte. Nur weil Abraham und Jakob diese Vorschrift kannten, muss sie nicht zwangsläufig für uns noch Gültigkeit haben, denn Abraham und Jakob kannten auch die Beschneidung.

Verschärfung des Gesetzes

Allerdings lässt einen die Aussage der Christen, man könne heutzutage weniger geben als 10%, weil es ja kein Gesetz mehr gibt, schon an Logik und Verstand derer zweifeln, die solche Aussagen machen. Denn Jesus hat in Mt 5, von Vers 21 bis Vers 44,

  • das Tötungsverbot verschärft
  • das Ehebruchsverbot verschärft
  • das Scheidungsgebot verschärft
  • das Gebot über falsches Zeugnis und falsches Schwören verschärft
  • das Rachegebot (Auge um Auge) verschärft
  • das Liebesgebot verschärft

aber das Gebot des Zehnten, das soll er so unglaublich abgeschwächt haben, dass man mit 1 oder 2% des Einkommens, die man der Gemeinde gibt (sofern überhaupt), den Vorstellungen Gottes entsprechen soll?

Jesu Maßstäbe

Zweifellos hat Jesus nicht viel über den Zehnten gesagt. Den Pharisäern, die sogar 10% vom Schnittlauch an den Tempel gaben, hat Jesus bezüglich der Abgabe Recht gegeben, aber gleichzeitig gesagt, dass die Abgabe des Zehnten nicht ausreicht, sondern noch einer Reihe charakterlicher Eigenschaften dazukommen müssen, damit die Sache Gott gefällt (Mt 23:23).

Andererseits hat Jesus durchaus Prozentwerte genannt bezüglich dessen, wieviel Weggabe von Geld und Besitz im Sinne Gottes ist:

  • beim reichen jungen Mann: 100%
  • bei der armen Witwe am Geldkasten im Tempel: 100%
  • Zachäus sagte von sich aus: 50%
  • Petrus sagte "wir haben alles verlassen und sind Dir nachgefolgt": 100%
  • Johannes der Täufer sagte: "Wer zwei Unterkleider hat, gebe dem, der keins hat" (Lk 3:11): 50%

Demnach wäre man mit dem Zehnten noch recht gut bedient.

Dumme Ausrede

Eine der dümmsten Ausreden, die man an dieser Stelle immer wieder hört, lautet: "Mein ganzes Geld und mein ganzer Besitz gehört Gott, dann muss ich Gott (oder im Sinne Gottes) nichts mehr geben."

Nun ist das zum einen keine biblische Aussage. Die Bibel kennt zwar im alten Testament die Aussage, dass Gott eigentlich alles auf der Welt gehört. Diese Aussage steht aber im Zusammenhang mit der Macht und der Unabhängigkeit Gottes und niemals damit, dass man sich um das Reich Gottes oder um die Armen nicht kümmern müsse, weil Gott sich darum kümmert. Ansonsten ist der Ansatz "alles, was ich habe, gehört sowieso Gott" in der ganzen Bibel unbekannt und somit ein unbiblischer Standpunkt.

Zum anderen ist es einfach nicht wahr. Die Leute, die diese These aufstellen, fragen nämlich nicht etwa Gott um Erlaubnis, wenn sie sich von Gottes Geld einen neuen Computer, eine teure Konzertkarte oder auch nur eine Schachtel Zigaretten kaufen wollen. Und keine Rede davon, dass sie das Geld wirklich erst ausgeben, wenn sie von Gott die ausdrückliche Erlaubnis dazu haben. Diese Leute verhalten sich keineswegs so, als wenn Ihr Geld Gottes Geld wäre, und damit ist ihre Behauptung unwahr.

Zusammenfassung

Das Geld ist das am meisten und ausführlichsten behandelte Thema des Neuen Testamentes. Und die Bibel macht ganz klar, dass der Umgang mit dem Geld der Prüfstein für das Verhältnis zu Gott ist. Wer im Kleinen nicht treu ist, dem wird man das Große nicht anvertrauen (Lk 16:10-11), und wo Dein Schatz ist, da wird Dein Herz sein (Mt 6:21), und mit dem Maß, mit dem Ihr messt, wird Euch gemessen werden (Lk 6:38 und 2.Kor 9:6).

Mit Einführung des neuen Bundes gibt es aber kein Gesetz mehr und kein Gebot darüber, wieviel der Mensch wegen Gott geben soll. Infolgedessen haben wir auch in den Briefen des Neuen Testamentes keinerlei Anordnung, wieviel man wem abzugeben hat.

Allerdings haben wir aus dem Alten Testament einen Maßstab dessen, was Gott damals für angemessen hielt und wo Gott ziemlich ärgerlich wurde und den Segen verweigert hat, wenn man diesen Maßstab nicht erfüllt hat. Es gibt keinerlei Hinweis darauf, dass Gottes Erwartungen an die Gläubigen im Neuen Bund rapide gesunken sind, sondern Jesus spricht im Gegenteil recht oft von 100% oder von "ganzes Leben geben".

Wir werden also wohl davon ausgehen müssen, dass das Zahlen des Zehnten an die Gemeinde (oder für gute Werke) in Gottes Augen keineswegs ein Zeichen rühmenswerter Selbstaufgabe ist. Gott erwartet von seinen Leuten einen deutlich anderen Umgang mit ihrem Geld als nur die Abgabe von 10%.

Andererseits wissen wir, dass das Bezahlen selbst großer Geldsummen bei Gott überhaupt nicht zählt, wenn die Einstellung des Zahlenden fragwürdig ist. Paulus weist darauf hin, dass es nichts nützt, wenn man all seinen Besitz den Armen gibt, aber die eigene Haltung nicht von Liebe geprägt ist.