Der Zehnte im Alten Testament
Der Zehnte bezeichnet eine Abgabe von 10% auf bestimmte Einkommensarten. Diese Steuer ist auch in frühen weltlichen Systemen bekannt; mit ihr verbunden ist die Anerkennung des Königs: Wer dem König den Zehnten zahlt, unterwarf sich ihm, hatte aber gleichzeitig auch Anspruch auf seinen Schutz.
In der Bibel taucht der Zehnte das erste Mal bei Abraham auf. Nach dem Sieg über die nördlichen Könige, die seinen Neffen Lot entführt hatten, zahlt Abraham den Zehnten an den Priester Melchisedek (1.Mose 14). Jahre später verspricht Jakob Gott den Zehnten von all seinem Einkommen, falls Gott ihn wieder sicher nach Kanaan zurückbringt (1.Mose 28:22). Der Zehnte ist also keine Erfindung des alttestamentlichen Gesetzes, sondern er war schon vor der Einführung des Gesetzes bekannt.
Mit dem Gesetz legte Mose dann fest, dass der Zehnte an Gott zu zahlen war und nicht an einen irdischen König. Das hatte damit zu tun, dass Israel eigentlich gar keinen irdischen König haben sollte, sondern Gott sollte Israels König sein.
Die Bestimmungen des Zehnten
Der Zehnte in Israel war dazu bestimmt, den laufenden Betrieb des Tempels einschließlich der Personalkosten zu finanzieren. Dabei war gerade auf die Personalkosten ein besonderer Fokus gerichtet, denn die Angestellten des Tempels (die Leviten) hatten bei der Landverteilung keinen Landbesitz bekommen und konnten also selber nichts anbauen.
Folglich bezog sich der Zehnte auch bevorzugt auf landwirtschaftliche Produkte. 10% waren beim Tempel abzuliefern von Obst, Gemüse, Getreide, Wein und Öl sowie von Kühen und Schafen. Andere Gewinne, z.B. aus dem Handel oder dem Handwerk, waren nicht betroffen.
Ebenso folglich gab es für jedes dritte Jahr eine besondere Regelung: Da sollte der Zehnte nicht beim Tempel abgeliefert werden, sondern im Wohnort des Gebers verbleiben, um die dort ansässigen Leviten und anderen Bedürftigen zu versorgen (Deut 14:27-29).
Wenn man den Zehnten allerdings beim Tempel ablieferte, dann hatte das einen ziemlichen Partycharakter: Man durfte dann in Jerusalem von seinem eigenen Zehnten (den man eigentlich abliefern sollte) eine fette Party feiern, ausdrücklich auch mit viel Alkohol. Und was dann übrig blieb, das bekam der Tempel. Es war aber ausdrücklich verboten, diese Party daheim im Dorf zu feiern. Es sollte eine Feier mit Gott sein, und der wohnte hauptsächlich in Jerusalem.
Die Leviten, die den Zehnten bekamen, mussten ihn wiederum verzehnten, indem sie die besten 10% an die Priester ablieferten (4.Mose 18:26-32).
Geschichte des Zehnten
Genauso wie alle anderen Vorschriften des Gesetzes wurden auch die Bestimmungen des Zehnten in Israel für gewöhnlich nicht eingehalten. In Richter 17 trifft man z.B. auf einen Leviten, der sich Arbeit als Priester bei einem Götzenaltar suchen muss, weil die staatlichen Strukturen nicht funktionieren.
Im Laufe der tausendjährigen Geschichte Israels gab es immer mal wieder Reformen, in deren Anschluss der Tempelbetrieb wie vorgeschrieben lief. Neben dem Tempelbau des Salomo ist die Reform des Königs Hiskia zu nennen (2.Chr 31:6-15), bei der man das Neue schon daran erkennen kann, dass es bis dahin gar keine Vorratsräume im Tempel gab - weil es keine Vorräte gab, die man hätte unterbringen müssen.
Um diese Zeit herum gab es offenbar auch im Nordreich die Angewohnheit, einen Zehnten abzuliefern, allerdings nach Bethel oder Gilgal. Das entnehmen wir einer Aussage des Propheten Amos in Amos 4:4.
Beim Neuaufbau von Stadt und Tempel nach der babylonischen Gefangenschaft wurde ebenfalls eine Vereinbarung getroffen, dass und in welcher Form der Zehnte an den Tempel und die Leviten abzuliefern sei. Nachzulesen in Nehemia 10:38-40.
Weitere Unkosten
Der Zehnte war bei weitem nicht die einzige Abgabe, die der fromme Israelit zu leisten hatte.
Hinzu kamen zum einen die staatlichen Abgaben, also die Steuern und die Zölle, zuerst an den König, später an die Besatzer. Zur Zeit Jesu wurde das ja ausführlich thematisiert, ob man überhaupt an den römischen Kaiser Steuern zahlen sollte, und die Zöllner wurden als Landesverräter betrachtet.
Hinzu kamen zum anderen die weiteren Abgaben für Gott, die im Gesetz vorgeschrieben waren. Da sind zuerst alle Erstlingsabgaben zu nennen: Jede Erstgeburt, egal ob von Mensch oder Vieh, gehörte eigentlich Gott und musste entweder direkt beim Tempel abgeliefert werden oder, wenn es sich um die Erstgeburt von Mensch oder Esel handelte, durch Geld oder ein Ersatzopfer ausgelöst werden.
Aber auch die ersten Früchte einer jeden Sorte eines jeden Jahres standen Gott zu, und zwar sowohl Baumfrucht als auch Ackerfrucht.
Und dann gab es noch jede Menge Opfer aus unterschiedlichen Anlässen, vom Passahlamm über besondere Sündopfer bis hin zu freiwilligen Dankopfern.
Nicht zu vergessen die Tempelsteuer, die bei Mose anlässlich der Musterung aller Männer über 20 Jahre als Kopfsteuer eingeführt wurde und die Petrus für Jesus und sich selbst aus dem Maul eines Fisches bestritt (2.Mose 30:12-13).
Zusammenfassend kann man davon ausgehen, dass der fromme Israelit bis zu 25% seines Einkommens für Gott geben musste. Das mag sich jetzt viel anhören, aber wenn man bedenkt, dass die deutsche Steuergewerkschaft uns jedes Jahr vorrechnet, dass wir bis Mitte Juli nur für den Staat arbeiten, also eine Abgabenlast über direkte und indirekte Steuern von mehr als 50% haben, dann war man in Israel mit 25% noch gut bedient. Und Josef hatte beim Pharao eingeführt, dass 20% der Ernte dem Pharao gehörten (1.Mose 47:23-26).