Wunderbar gemacht

Selbstverständlich will hier niemand an Ihrer Schönheit rütteln, lieber Leser. Sie sind herrlich, wunderbar und was immer Sie gerne hören möchten.

Wenn in Ihrem Andachtsbuch allerdings drin steht, dass Sie so wunderbar sind, weil Gott Sie in derartig grandioser Qualität geschaffen hat, dann wäre es vielleicht doch einmal an der Zeit, das Andachtsbuch der Papiertonne anzuvertrauen und statt dessen die Bibel zu lesen.

Der an dieser Stelle zitierte Psalm 139 gibt dieses nämlich leider nicht her.

Auch wenn man auch in der Lutherbibel von 2017 versucht, diese so vertraute Aussage „ich danke Dir, dass ich wunderbar gemacht bin“ über die Modernisierung der Übersetzung hinwegzuretten.

Vielleicht sind Sie wunderbar, lieber Leser. Vielleicht auch nicht. Ich kenne Sie ja nicht, da kann ich es nicht wissen.

Aus Psalm 139 kann man es auf jeden Fall nicht entnehmen.

„Wunderbar“ ist dort nämlich ein Adverb, kein Adjektiv.

Wenn „wunderbar“ dort ein Adjektiv wäre, dann wären Sie tatsächlich schön. Oder in anderer Hinsicht von ausgezeichneter Qualität. Es ist aber kein Wiewort. „Wunderbar“ beschreibt an dieser Stelle nicht, wie Sie sind.

Klar, da hätten Sie auch selber drauf kommen können. Dazu hätten Sie aber den Zusammenhang lesen müssen. Und wer macht das schon, wenn er ein Andachtsbuch hat, das einem sagt, was man zu denken hat?

Der Zusammenhang im Psalm 139, insbesondere ab Vers 13, bezieht sich auf den Prozess der Herstellung des Menschen. Wir haben heute Ultraschall und viele medizinische Erkenntnisse, aber die Menschen zur Entstehungszeit des Psalms waren riesig erstaunt, dass zuerst nichts im Mutterleib ist und dann ein vollständiger Mensch.

„Wunderbar“ ist ein Adverb und bezieht sich auf ein Verb, nämlich auf „gemacht“. Gepriesen wird hier der Herstellungsprozess, nicht das Endprodukt.

Und die Gesamtaussage des Psalm ist, dass Gott weiß, was im Menschen ist, weil er den Herstellungsprozess verantwortet. Darum werden in Vers 13 auch extra die Nieren genannt, weil sie der Sitz der geheimsten Gefühle sind. Darum prüfen wir heute noch manche Sachen „auf Herz und Nieren“.

Zusammenfassung

Die Bibel geht im Allgemeinen nicht davon aus, dass der Mensch gut ist. Sondern er ist böse von Jugend auf (1.Mose 8,21) und von Natur ein Kind des Zorn (Eph 2,3). Den Glauben an das Gute im Menschen, den die moderne gottlose Psychologie vor sich herträgt, kennt die Bibel nicht.

So sagt auch der Psalm 139 nicht, dass der Mensch von erlesener Qualität ist, sondern dass der Prozess, durch den der Mensch im Mutterleib entsteht, ein Wunder ist und darum auf Gott zurückzuführen ist, weil der Mensch selbst nicht im Ansatz die Möglichkeit hätte, einen anderen Menschen zu erschaffen.

Und weil Gott den Herstellungsprozess überblickt, darum überblickt er auch alles Andere in meinem Leben.