Vollmachtsrede 22
Markus 11,27–33 (ELB)
27Und sie kommen wieder nach Jerusalem. Und als er in dem Tempel umherging, kommen die Hohen Priester und die Schriftgelehrten und die Ältesten zu ihm
Das ist Euch sicher sofort aufgefallen:
Als Matthäus das gleiche Ereignis berichtet, sind die Schriftgelehrten nicht dabei.
Denn bei Matthäus geht es um die Frage, warum Jesus außerhalb der festgelegten jüdischen Strukturen glaubt, eine Vollmacht zu haben.
Das ist jedoch keine Lehrfrage, sondern eine Machtfrage. Wer ist im Tempel der Boss? Wer darf als König auf einem Esel in die Stadt reiten?
Für diese Frage brauchte man die Lehrer nicht, wohl aber diejenigen, die die Macht haben.
Hier bei Markus sind die Schriftgelehrten dabei.
Denn hier geht es um die Frage: Redet oder handelt Gott außerhalb der heiligen Schriften?
28und sagen zu ihm: In welcher Vollmacht tust du diese Dinge? Oder wer hat dir diese Vollmacht gegeben, dass du diese Dinge tust?
29Jesus aber sprach zu ihnen: Ich will euch ein Wort fragen. Antwortet mir!
Dieses „antwortet mir“ klingt irgendwie unpassend. Es könnte sein, dass Markus es als Betonung eingefügt hat, damit wir den Punkt verstehen. Die anderen Evangelien habe das Verlangen nach Antwort in diesem Maß nicht.
Und ich werde euch sagen, in welcher Vollmacht ich diese Dinge tue:
30War die Taufe des Johannes vom Himmel oder von Menschen? Antwortet mir!
Das Wichtige ist hier also, dass die Führer des Volkes die Frage tatsächlich beantworten.
Obwohl die Haltung der Anführer natürlich längst klar ist: Wenn sie gedacht hätten, dass Johannes von Gott gesandt war, dann hätten sie auch gedacht, dass Jesus von Gott ist, denn der Täufer hatte ja auch Jesus hingewiesen und hatte gesagt, dass Jesus noch wichtiger ist der Täufer.
31Und sie überlegten miteinander und sprachen: Wenn wir sagen: vom Himmel, so wird er sagen: Warum habt ihr ihm denn nicht geglaubt?
32Sollen wir aber sagen: von Menschen? Sie fürchteten die Volksmenge. Denn alle meinten, dass Johannes wirklich ein Prophet sei.
Diese Leute interessierten nur zwei Dinge:
-
Was wird das Volk sagen? Wie ist die Meinung anderer Leute über uns?
-
Werden wir am Ende als die klügeren dastehen? Werden wir die Diskussion mit Jesus gewinnen?
Die Anführer hatten zwar die Frage gestellt, mit welchem Recht Jesus das alles tut, aber das interessierte sie nicht deshalb, weil sie das Richtige tun wollten.
Ihre ganze Existenz fußte nicht auf der Frage, was Gott über sie denkt, sondern sie konnten gerade stehen aufgrund eines diffusen Nebels aus sozialen Gründen – also was denken die Leute – und aus internen Gründen, also wie sehe ich mich selber, und wie würde ich mich doch vor mir selbst schämen, wenn ich jetzt eine Diskussion so dermaßen verliere!
33Und sie antworten und sagen zu Jesus: Wir wissen es nicht. Und Jesus spricht zu ihnen: So sage auch ich euch nicht, in welcher Vollmacht ich diese Dinge tue.
Man muss sicher nicht zu allen Dingen auf dieser Welt eine Meinung haben.
Man braucht sich über den amerikanischen Präsidenten kein Urteil zu bilden.
Man muss nicht nötigerweise eine Meinung zur Atomenergie haben.
Aber wenn ein Bevollmächtigter Gottes auftritt und man vor die Frage gestellt ist: Will Gott mir etwas sagen? Spricht Gott gerade zu mir? - denn das ist die Frage, die Jesus ihnen hier gerade gestellt hat: Hat Gott mit der Sendung des Täufers das Verhalten der Obrigkeit kommentiert? -
… also Gott schickt scheinbar einen, dem Gott eine Vollmacht gegeben hat -
… aber es interessiert mich gar nicht, ob Gott mir etwas sagen will, sondern mich interessiert, was die Leute über mich denken und was ich selbst über mich denke und dass ich mich vor mir selbst nicht schämen muss …
Aber als Anführer des jüdischen Volkes hat man Verantwortung. Man ist für das Wohl des Volkes verantwortlich. Damit auch dafür, dass Gott das Volk nicht ignoriert oder bestraft, sondern es segnet.
Schon als normaler Gläubiger hat einen die Frage zu interessieren, ob Gott mir etwas sagen will. Aber als Anführer der Gemeinde hat es mich noch 10x mehr zu interessieren!
Die Antwort Jesu
In diesem Sinn ist dann die Antwort Jesu zu verstehen: „Ich sage es euch nicht, weil ihr es sowieso nicht wissen wollt.“
Wenn die Anführer mit Ja oder Nein geantwortet hätten, wäre die Unterhaltung weiter gegangen.
Aber eine Antwort wie „in der Bibel steht nichts davon, darum brauche ich dazu keine Meinung zu haben“, das beendet das Gespräch mit Gott.
Wenn Gott einen Bevollmächtigten schickt, eben aus dem Grund, weil Gott mit mir reden will, und ich sage dann, dass mich das eigentlich nicht interessiert, was der Bevollmächtigte sagt, weil ich in erster Linie ganz andere Interessen habe als Gott zuzuhören, dann endet die Unterhaltung.
Dann redet Gott nicht mehr mit mir.
Und darum hat Vollmacht auch immer den Geschmack von Gericht.
Gott streicht mich von seiner Liste, weil ich ja letzten Endes ohnehin etwas anderes will.