Vollmachtsrede 52 - das Resümee
Die Geschichte der Vollmacht ist ja die, dass es im Alten Testament drei Personengruppen mit besonderen Vollmachten gab:
- den König, der die Vollmacht hatte, an Gottes Stelle das Reich Gottes zu regieren, zu gestalten und zu verwalten. Der König konnte Straßen bauen oder die Verwaltung verändern und Gesetze erlassen. Die Qualität des Reiches Gottes hing stark von der Qualität des Königs ab, nicht von der Qualität Gottes.
- die Priester, die die Vollmacht hatten, alles selbstverantwortlich zu regeln, was den Zugang zu Gott betraf. Sie konnten Menschen für rein oder unrein erklären und Opfer akzeptieren oder ablehnen. Sie sorgten durch ihre Arbeit am Tempel dafür, dass gläubige Menschen eine gewisse Nähe zu Gott herstellen konnten, weil die Sünden vergeben waren und der Wille Gottes getan wurde. Damit der Wille Gottes getan werden konnte, mussten die Priester auch das Gesetz bekannt machen und erklären. Welchen Teil davon sie zuerst erklärten und an welchem Wochentag, war ihnen selbst überlassen. Und wenn sie bei dieser Arbeit schlampten, dann stand das Reich Gottes eben schlecht da, und der Wille Gottes wurde nicht vollbracht.
- die Propheten. Sie konnten das sagen, was Gott sagen wollte. Sie hatten die Vollmacht, Gottes Stimme zu hören, was die anderen Beteiligten in der Regel nicht konnten. Damit hatten die Propheten aber auch die Vollmacht, dem König Anweisungen zu geben. Und wenn der König den Propheten nicht gehorchte, dann hatte er die Konsequenzen zu tragen, denn wer den Propheten widersprach, der widersprach Gott.
Wenn man die alttestamentlichen Geschichtsbücher liest, dann hat das Reich Gottes dort wenig mit Gott zu tun. Die Handelnden waren immer die Menschen: der König, die Priester, die Propheten.
Gott war natürlich da, und Gott hatte auch gewisse Interessen. Aber Gott hatte einen großen Teil seiner eigenen Vollmachten abgegeben, und wenn die Menschen jetzt verantwortlich mit Gottes Reich umgingen, dann war das Reich und damit die Menschen gesegnet.
Alles, was Gott hatte an Segen und an Kraft und allen diesen göttlichen Dingen, war verborgen im Handeln der bevollmächtigten Menschen.
Das war übrigens schon bei der Landnahme so. Das gelobte Land bekam, wer im Auftrag Gottes, also mit der entsprechenden Vollmacht, dafür kämpfte. Wer nicht kämpfte, oder wer nicht genug Glauben an Gottes Absichten hatte, der bekam nichts.
Im Neuen Bund
Im Neuen Bund wird dieses Prinzip gradlinig fortgesetzt, nur dass die Vollmachten jetzt größer sind und gebündelter.
Und die Vollmachten sind viel mehr an das Vertrauen gegenüber Gott gebunden. Dem Glaubenden ist alles möglich, und dir geschehe, wie du geglaubt hast.
Aber ansonsten ist alles wie früher: Wir haben Unmengen an Rechten, Vollmachten und Möglichkeiten. Paulus hat das mal als die Waffenrüstung Gottes (Epheser 6,13) zusammengefasst.
Das Böse ist besiegt, die Vergehen gegen Gott sind vergeben und damit eine Nähe zu Gott hergestellt, die auf der Erde näher nicht sein kann. Gott bezeichnet uns als seine Kinder, und es gibt den heiligen Geist, der uns mit göttlichen Eigenschaften ausstattet, da müsste jeder Moslem eigentlich vor Neid erblassen.
Wir könnten also das Reich Gottes bauen, die Möglichkeiten nutzen, denn Gott hat das Reich in unsere Hand gegeben, so wie er das gelobte Land in die Hände der Israeliten gegeben hatte.
Weil wir so viele Vollmachten und Rechte haben, liegt es nur noch an uns.
Was die Christen daraus gemacht haben
Weil die Vollmachten sehr an den Glauben und an die direkte Beziehung zu Gott gebunden sind, darum haben sie sich bei den Christen schnell verflüchtigt.
Gedacht war es eigentlich so, dass Gott die Gläubigen bevollmächtigt, und die Gläubigen handeln dann.
Heute ist es aber so, dass die Gläubigen dasitzen und zu Gott beten, er solle jetzt handeln.
Beispiel Krankenheilung
Sehr deutlich wird das bei der Frage der Heilung von Krankheiten.
Im Alten Testament wurde eine Krankenheilung, in die mehr Personen als Gott und der Erkrankte involviert waren, kaum erwartet. Wenn es so etwas doch mal gab, dann immer durch direkte Handlung, niemals durch das Gebet für den Kranken.
Als Jesus dann kam, hat er auch nicht für die Kranken gebetet, sondern er hat den Krankheiten befohlen oder den Kranken. Und die ersten Christen, von denen uns die Bibel berichtet, haben es genauso gemacht. Paulus ist bei der Erkrankung des Epaphroditus gar nicht auf die Idee gekommen, die Gemeinde zu bitten, für Epaphroditus zu beten oder hinterher für ihre Gebete zu danken.
Heutige Christen hingegen erwarten, dass Gott etwas machen soll, nicht sie selbst. Sie übernehmen nicht selber die Verantwortung, sondern sie machen nichts und bitten Gott, dass er etwas machen soll.
Und wenn es dann nicht klappt, dann war es nicht meine Verantwortung, sondern dann war es nicht der Wille Gottes, und ich brauche mir keinen Kopp zu machen.
Das gilt nicht nur für die Krankenheilung, sondern auch für das Funktionieren von Gemeinde. Dass Gebet, das Gott uns Menschen schicken möge, schiebt Gott eine Verantwortung zu, die Gott aber zuvor schon zu den Gläubigen geschoben hat.
Zusammenfassung
Wir hätten also eigentlich unglaubliche Möglichkeiten.
Wenn man unglaubliche Möglichkeiten hat, nennt man das im Fachjargon „Freiheit“.
Und Freiheit ist genau das, wofür Jesus gekommen ist.
Aber Freiheit heißt auch, dass man selber verantwortlich ist. Das ist nun mal das Wesen der Freiheit.
Und folglich haben die Gläubigen große Angst, dass das mit der Freiheit daneben geht. So wie in Korinth.
Aber die größte Gefahr ist nicht, dass man etwas tut, und dann ist es irgendwie fehlerhaft oder falsch gedacht.
Die größte Gefahr ist, dass man Vollmachten hat, und sie nicht nutzt.
Die größte Gefahr ist, dass man nichts tut.