Vollmachtsrede 39 – von einem, der wollte
Das Bild, das in der Bibel vorherrscht, wenn Gott eine Vollmacht erteilt, ist: Die Bevollmächtigten wollen nicht.
Eine Vollmacht von Gott, um in Gottes Namen Gottes Willen durchzusetzen, ist nicht sehr begehrt.
Mose sollte die Vollmacht erhalten, die Israeliten aus Ägypten zu führen, und hat sich mit Händen und Füßen gewehrt.
Jona ist der bekannteste Prophet auf der Seite derer, die eine Vollmacht von Gott bekommen sollte, die dann sogar zu einem Erfolg führen sollte. Und der gerade wegen der Erfolges nicht wollte.
Ihm gegenüber stehen die Propheten, die die Vollmacht Gottes deshalb bekamen, weil ihr Reden und Handeln im Namen Gottes misslingen sollte. Frommdeutsch ausgedrückt: Die Propheten, die zum Gericht kamen.
- Jesaja war nicht wirklich begeistert, als Gott erschien, um ihn zu berufen, und er bekam von Anfang an gesagt, dass er den Untergang Israels beschleunigen sollte.
- Amos hat in Bethel ausdrücklich betont, dass er nicht vor dem Stierbild in Bethel seine Reden hielt, weil das sein eigener Wunsch gewesen ist.
- Jeremia hat Zeit seines Lebens auf seine Berufung geschimpft.
Das ist letztlich das gleiche Phänomen, das wir auch heute (und schon seit Jahrhunderten) sehen: Göttliche Vollmachten sind nicht sehr begehrt. Zumindest nicht unter den Christen. Die Diener Satans hätten diese Vollmachten schon gerne, wie wir an den 7 Söhnen des Hohepriesters in Ephesus sehen und an Simon dem Zauberer, der viel Geld für so eine Vollmacht zu zahlen bereit war.
Die Gläubigen selbst wollen gerne den Segen Gottes und das ewige Leben, aber irgendwas mit Verantwortung wollen sie nicht, und etwas, das sie in den Kampf mit dem Teufel stellt, auch nicht.
Und vor allen Dingen kann eine Vollmacht ihren Träger sehr schnell in Widerspruch zur Gemeinde bringen. Das sehen wir auch hier bei Nehemia, der es selbst mit seiner doppelten Vollmacht sehr schwer mit den Gläubigen hatte.
Das sehen wir im Neuen Testament auch bei Jesus und bei Paulus. Die beide den größten Ärger nicht mit irgendwelchen Heiden hatten, sondern mit den Gläubigen. Die Probleme, die Paulus mit der Gemeinde in Korinth oder der in Galatien hatte, trotz oder wegen seiner Vollmacht, waren schon enorm. Und der Ton in den Briefen an Timotheus und Titus ist auch nicht gerade begeistert.
Dieses Problem liegt darin begründet, dass die Gläubigen gerne das hören wollen, was sie gerne von Gott hören wollen. Aber sie wollen nicht das hören, was Gott wirklich sagen will. Und wenn Gott dann jemanden schickt, der die Vollmacht und damit auch die Verpflichtung hat, das zu sagen, was Gott tatsächlich sagen will, dann gibt es halt großflächigen Ärger.
Denn Gott hat in der Regel doch recht andere Ideen als die Gläubigen.
Und darum war so eine Vollmacht von Gott nicht sehr beliebt, und eigentlich wollte keiner so etwas haben, weil man damit zwar Gottes Freund wurde, aber die meisten Gläubigen zum Gegner bekam.
Natürlich begegnen uns im Alten Testament auch Propheten, die aus eigenem Antrieb Propheten sein wollten. Vor allem der Beruf eines königlichen Propheten am Hof war lukrativ. Allerdings hatten diese Propheten nie eine Vollmacht von Gott und verkündeten also nicht, was Gott wollte, sondern was der König hören wollte.
Nehemia als Ausnahme
Mit Nehemia haben wir nun jemanden, der nicht nur eine Vollmacht wollte, sondern zwei.
Er wollte die Mauern der Stadt Gottes wieder aufbauen, dazu brauchte er eine Vollmacht von Gott. Denn Gott hatte diese Mauern zerstören lassen, da war es vermutlich nicht klug, sie ohne Gottes Genehmigung wieder aufzubauen. Noch dazu, wo es Nehemia ja um das Reich Gottes ging, um den Schutz von Gottes Wohnort. Es empfiehlt sich nicht, das Reich Gottes ohne Gott zu bauen.
Andererseits brauchte Nehemia die Vollmacht des persischen Königs. Er brauchte in Jerusalem die Gewissheit, dass der persische König hinter ihm stand. Er brauchte einen Zettel, auf dem stand, dass diese Mauer im Namen des Königs gebaut wurde.
Und er brauchte letztlich auch das Geld vom König. Die Mauer musste von Steuergeldern aufgebaut werden, denn soviel Gemeinsinn war in Jerusalem nicht zu erwarten. Die Reichen der Stadt hatten noch nicht einmal genug Gemeinschaftsgeist, dass sie beim Bauen geholfen hätten. Auf Geld war da nicht zu hoffen.
Zudem würde der König auf eine Mauer, die er selber bezahlt hatte, vermutlich besser aufpassen als auf eine, die seine Untertaten als Freizeitbeschäftigung gebaut hatten.
Das Besondere an Nehemia ist also nicht nur, dass er im Gegensatz zu den meisten anderen eine göttliche Vollmacht aktiv wollte, sondern der wollte sogar zwei Vollmachten.
Wofür die Vollmacht gut ist.
Nehemia brauchte von Gott nicht nur eine Erlaubnis. Es genügte nicht, dass Gott sagte: „Mach mal, ist schon recht, ich hab nichts dagegen.“ Unter solchen Voraussetzungen konnte er nicht im Namen Gottes handeln. Er würde in diesem Fall in seinem eigenen Namen seinem eigenen Wunsch nachkommen, und gegenüber Tobija, Sanballat und Gerschem konnte dann nur sagen: „Gott ist nicht dagegen.“
Genauso brauchte Nehemia vom persischen König nicht nur die Erlaubnis, sondern er brauchte die eindeutige Aussage, dass der Mauerbau dem Wunsch des Königs entspreche. Also dass der König will, dass diese Mauer gebaut wird.
Denn nur so konnte Nehemia wissen, dass er das Richtige tat.
Nur so konnten die Bauenden in Jerusalem wissen, dass es im Moment keine Alternative zum Mauerbau gab. Sie konnten nicht sagen: „Wir können den Willen Gottes doch auch tun, indem wir dieses Jahr Erbsen anstatt Bohnen anpflanzen.“
Und weil Nehemia den Willen Gottes tun wollte, darum musste der Wille Gottes eindeutig durch eine Vollmacht untermauert sein.
Ohne eine Vollmacht kommt man gegen die Gegner Gottes nicht an. Weder gegen die gläubigen noch gegen die ungläubigen.
Warum Nehemia die Vollmacht wollte
Wie hätte ich eigentlich den Beginn dieser Geschichte erzählt?
Denn diese Geschichte von Nehemia steht in der Bibel ja nicht so, wie sie wirklich passiert ist. Sondern es wurde jede Menge weggelassen, und das, was man bringen wollte, hat man nach gewissen Gesichtspunkten strukturiert.
Wie hätte ich den Anfang der Geschichte erzählt?
Das Buch Nehemia fängt mit einem bestimmten Gebet an, damit man sieht, was die Motive von Nehemia sind. Warum wollte der unbedingt diese Mauer bauen?
Warum brauchte der eine Vollmacht? Nein, sogar zwei.
Er brauchte sie, weil er Gott liebte.
Das ist der einzige akzeptable Grund, warum man Macht haben will in Gottes Reich.
Das ist das alleinige gerechtfertigte Motiv, um im Reich Gottes etwas reißen zu wollen.
Weil man Gott liebt.