Vollmachtsrede 36 zu Lukas 9,49
In diesem Abschnitt geht es um Folgendes: Man stelle sich vor, ich habe ein großes Beet der allerschönsten Lilien in meinem Vorgarten. Ein Meer von schönstem Lila, große Blüten. Und ich bin der einzige in der ganzen Straße, der so etwas schönes hat, und darum liebe ich meine Lilien, weil sie nicht nur schön, sondern auch einzigartig sind.
Und dann hat plötzlich jeder in der Straße diese Lilien im Vorgarten. Kein Garten, wo sie nicht stehen. Wieviel sind mir meine Lilien dann noch wert?
Die Geschichte an sich
Jesus hatte gerade ein Kind neben sich gestellt und den Aposteln gesagt, dass sie auch den Niedrigen als gleichwertig akzeptieren sollen, sofern der neben Jesus steht.
Da fällt Johannes ein, dass da neulich einer war, der war aber kein Geringer und kein Niedriger, sondern einer, der von Ehrsucht getrieben das nachmachte, was die Apostel als eigene Aufgabe von Jesus bekommen haben. Und dass wir diesen, der kein Geringer war, sondern eine selbstherrliche Rampensau, dass wir den gestoppt haben, das war doch richtig, nicht wahr, Jesus?
Lukas 9,49–50 (ELB)
49 Johannes aber antwortete und sprach: Meister, wir sahen jemand Dämonen austreiben in deinem Namen, und wir wehrten ihm, weil er dir nicht mit uns nachfolgt.
50 Und Jesus sprach zu ihm: Wehrt nicht! Denn wer nicht gegen euch ist, ist für euch.
Bei Markus gibt es etwas ähnliches, aber dort sind Jesus und die Jünger als eine nicht zu trennende Einheit verstanden, und die Antwort Jesu heißt dort auch „wer nicht gegen uns ist“.
Bei Markus ging es darum, dass die Apostel Jesus schützen müssen, dem offenbar eine Vollmacht gestohlen wurde.
Bei Lukas geht es darum, dass die Apostel sich selbst schützen müssen.
Man könnte sagen „vor Konkurrenz“, aber das geht nicht weit genug.
Womit wir bei den Lilien sind.
So eine Vollmacht, das ist ja etwas besonderes. Dämonen austreiben zu können, das war damals keine Alltäglichkeit.
Und Jesus hatte diese Fähigkeit nur denen gegeben, die er aussandte. So eine Vollmacht war damals nicht für das ganze Volk gedacht.
Und dieses Besondere verleiht den Aposteln auch Identität. Wir sind diejenigen, die Dämonen austreiben können. Ich bin der, bei dem die Lilien blühen.
Im Alten Testament wäre das so gewesen, als wenn noch ein zweites Land Gott als seinen persönlichen Gott adoptiert hätte, und Gott hätte mitgemacht. Gott als Gott der Israeliten und der Dänen. Womit dann klar wäre: Wenn die Dänen es können, kann es wahrscheinlich jeder. Dann kann es noch ein drittes und ein viertes Land geben, in dem Gott wohnt.
Wie Besonders ist dann Israel noch?
Nein, das ist nicht neu
Tausend Jahre lang hat die katholische Kirche so gehandelt, wie Johannes es hier vorschlägt. Wobei die katholische Kirche keine Vollmacht in dem Sinn hatte, dass sie sichtbar Übernatürliches tun konnte. Sondern sie behauptete, weil sie von Petrus abstammt, habe sie allein die Vollmacht zum Vergeben der Sünden und zur Bekehrung der Sünder und so weiter.
Und ich habe gehört, dass im Jahr 2021 mal wieder ein Prediger in Paris seine Gemeinde aufgefordert hat, sich von allen anderen Gemeinden in jeder, aber auch jeder Hinsicht zu trennen und jeden Kontakt abzubrechen. Wenn wir es schon nicht verhindern können, dass die dasselbe machen wie wir, dann können wir uns zumindest distanzieren.
Der Wert
Meine Individualität oder mein Wert definieren sich darüber, dass ich der Einzige bin, der solche Lilien im Garten hat.
Wenn alle diese Lilien haben, schwindet der Wert der Lilien und damit auch mein Wert, sofern ich meinen Wert über die Einmaligkeit und Großartigkeit der Lilien definiere.
In Wahrheit sind die Lilien natürlich immer noch wunderschön, egal in wieviel Vorgärten sie stehen.
Wenn jeder die Vollmacht zum Dämonenaustreiben haben kann, ist das nichts Besonderes mehr. Es ehrt uns nicht mehr, verleiht uns wenig Wert. Obwohl es natürlich immer noch eine grandiose Sache ist, Macht über die Armee des Teufels zu haben.
Und wer uns am allerwenigsten ehrt, ist dieser Typ, der uns nachmacht. Der bewundert uns nicht, der hochachtet uns nicht, sondern der macht uns sich gleich.
Aber jetzt nicht mehr. Wir haben es unterbunden. Wir sind jetzt wieder gleicher als er.
Gabe oder Geber
Es endet wieder in der Frage, um was es mir geht: Um die Gabe, oder um den Geber.
Definiere ich meinen Wert darüber, welche großartigen Wunder ich tun kann, oder definiere ich ihn darüber, dass Gott mich kennt und ich Gott kenne.
Wenn im Grunde jeder diese übernatürlichen Möglichkeiten haben kann, dann wäre das eine Entscheidung, die dem Frieden sehr dienen würde: Ist das Besondere an mir die übernatürliche Gabe, oder ist das Besondere an mir Gott?
Wobei die Sorge des Johannes, dass die göttlichen Vollmachten inflationär werden, weil das alle Gläubigen haben können, sich bekanntlich als überflüssig erwiesen hat.
Aber der Johannes konnte ja nicht wissen, dass die Christen auf diese Vollmachten gar nicht so scharf sein würden.