Der Zusammenhang zwischen Demut und Vollmacht

Das allgemein in den Gemeinden verbreitete Bild von Demut geht so, dass es demütig ist, niedrige Arbeiten zu tun. Leuten das Geschirr zu spülen, die es eigentlich selber könnten, oder Leute in der Gegend herumzuchaufieren, die genausogut mit dem Bus oder mit dem Taxi fahren könnten. Oder Leuten einen Kuchen zu backen, die ohnehin schon zu dick sind.

Diese niedrigen Arbeiten sind lästig und kosten viel Zeit, und unattraktiv sind sie auch. Den wenigsten Leuten macht Putzen Spaß.

Aber es gibt ja in der Gemeinde das Gebot zum Dienen, und Jesus hat ja auch die Fußwaschung veranstaltet und gesagt, er habe uns damit ein Vorbild gegeben, und also macht man niedrige Arbeiten.

Tatsache ist damit also, wenn Du Christ wirst, wirst Du erniedrigt.

Vorher hast Du niemanden in der Weltgeschichte rumgefahren, jetzt machst Du es.

Vorher hast Du nicht wie eine Verkäuferin hinter dem Bastelstand der Gemeinde gestanden und musstest versuchen, äußerst fragwürdige Kunstwerke zu Geld zu machen, jetzt stehst Du.

Vorher musstest Du nicht beim Aldi in der Schlange stehen, weil Du jeden Monat eine Kiste Süßkram für das Catering nach dem Gottesdienst besorgen musstest, jetzt stehst Du, weil der Aldi ja auch so ein angenehmer Aufenthaltsort ist.

Das widerspricht aber völlig dem biblischen Bild, denn eigentlich war es immer so, dass wenn Gott einen Menschen in seinen Dienst berief, dann hat er den erhöht, nicht erniedrigt.

Gott berief den Mose VON den Schafen weg ZU einer Leitungsposition, nicht andersherum.

Gott berief David VON den Schafen weg ZUM König. Nicht umgekehrt.

Gott berief Petrus VON den Fischen weg ZUM Gründer und Leiter der Gemeinde.

Gott berief Maria von einem unbedeutenden Fräulein zur Mutter des Messias.

Und so könnte man ewig weitermachen. Wenn Gott jemanden in seinen Dienst berief, dann nicht zum Kloputzen.

Vorteile niedriger Arbeiten

Die niedrigen Arbeiten haben aber jede Menge Vorteile. Und einer der ganz großen Vorteile, sozusagen die Zusammenfassung aller Vorteile, ist, dass man bei all dem selber der Chef ist. Man kann selber entscheiden, was man macht, ob man es macht, wie lange und in welchem Umfang man es macht. Oder anders gesagt: man muss nur in geringen Maße seinen eigenen Willen aufgeben.

Darum ist das Tun niedriger Arbeiten eigentlich gar nicht so demütig, weil man zwar ein bisschen Diener ist, aber zum größten Teil noch Herr.

Nachteile vollmächtigen Arbeitens

Ganz anders ist es beim Ausüben einer göttlichen Vollmacht. Da bin ich in aller Regel nicht mehr selbst der Herr, denn letztlich handle nicht ich, sondern Gott handelt durch mich. Das Maß, in dem ich meinen Willen verliere, kann ich nicht mehr selbst bestimmen.

Ein Beispiel dafür ist Hananias, der die Vollmacht hatte, Paulus die Blindheit zu nehmen. Dazu schickte Gott ihn zu dem Mann, vor dem er sich am meisten fürchtete. Hier tritt also ein Kontrollverlust ein, denn Hananias muss sich gegen alles Wissen auf das verlassen, was Gott ihm sagt. Nämlich dass der Paulus jetzt nicht mehr gefährlich ist. Der Hananias hat auch keine Entscheidungsfreiheit: Er kann an dieser Stelle nicht sagen „Ich gehe nicht“. Die Frage, ob Hananias will, ist keine Frage, die Gott stellt.

Ein weiteres Beispiel ist Petrus, der die heidnische Gemeinde ja nicht wirklich gewollt hat. Die Vollmachten, die man bei Gott erhält, führen oft zu einer Grenzenlosigkeit. Das Ding wächst einem dann über den Kopf. Der Petrus hatte sein ganzes Leben lang damit zu kämpfen, dass er etwas machen musste, was er ganz tief im Grunde seines Herzens nicht wollte.

Niedrige Arbeiten dienen nicht

Als in Apostelgeschichte 6 die Essensversorgung der Witwen geregelt werden musste, haben die Apostel sich geweigert, das zu tun, mit der Begründung, dass sie höhere Vollmachten hätten. Der Gemeinde wäre nicht damit gedient gewesen, wenn Petrus Lunchpakete verteilt hätte, dafür aber nicht mehr gelehrt hätte.

„Demut“ bedeutet nämlich nicht, möglichst niedrige Arbeiten zu tun, sondern sich Gott zur Verfügung zu stellen. Und Jesus hat seinen Nachfolgern nicht etwa angekündigt, dass sie auf der ganzen Welt putzen und Geschirr spülen würden, sondern dass sie größere Dinge tun werden als er.