Grundsätzlich: Unterschied Altes Testament - Neues Testament
Die Unterschiede zwischen Altem und Neuem Testament kann man natürlich an vielen Einzelheiten festmachen.
Aber der Unterschied ist grundsätzlich, wesensmäßig. Und wegen des wesensmäßigen Unterschiedes unterscheiden sich dann auch die einzelnen Handlungen und Vorgänge.
Dieser Artikel behandelt den zentralen Unterschied, nicht die daraus resultierenden einzelnen Vorgänge.
Man merkte Gott nicht
Das Handeln Gottes und das Reden Gottes im alten Testament war indirekt. Es war mittelbar.
Die Regel war: Wenn ihr der Bibel gehorcht, dann wird Gott euch dadurch segnen, dass ihr eine gute Ernte habt.
Die Leute hielten sich dann an die Bibel, an das Gesetz, und sie hatten tatsächlich eine gute Ernte. Gott hatte also gehandelt.
Aber man konnte Gott in dieser Handlung nicht sehen, nicht nachweisen. Die Nachbarvölker hatten auch eine gute Ernte, bei denen lag es am guten Wetter.
Gott handelte, aber er benutzte ein Mittel, nämlich die Natur. Somit hatte der Mensch Gottes Segen, kam aber mit Gott nicht in Kontakt.
Frieden
Die Regel war: Wenn ihr der Bibel gehorcht, dann wird Gott euch dadurch segnen, dass ihr in Frieden leben werdet. Und die Leute gehorchten der Bibel, und folglich hatten sie politischen Frieden.
Der Historiker, der sich das anschaut, sagt aber: „Ägypten im Süden war zu dieser Zeit schwach, Assyrien im Norden war schwach, und wenn alle deine Feinde schwach sind, lebst du natürlich in Frieden.“
Gott hatte also gehandelt, aber Gott kam in der Handlung selbst gar nicht vor. Gott war in dem ganzen Vorgang nicht zu hören und nicht zu sehen. Man wusste nur, dass Gott dahinter steckte, weil Gott das vorher angekündigt hatte.
Gott handelte, aber er benutzte ein Mittel, nämlich die Schwäche der Feinde Israels. Gott handelte, aber der Gläubige bekam davon nichts mit, er sah nur das Ergebnis. Der Gläubige bekam Gott bei der ganzen Sache nicht zu Gesicht.
Drittes Gebot
Legendär ist das Gebot: 2.Mose 20,12
12 Ehre deinen Vater und deine Mutter, damit deine Tage lange währen in dem Land, das der HERR, dein Gott, dir gibt.
Man hält sich an dieses Gebot, also wird man sehr alt. Das ist ein Handeln Gottes, aber Gott ist in der ganzen Handlung nicht zu sehen. Und wenn in den Nachbarländern jemand sehr alt wird, dann waren es die guten Gene.
Gott handelt, aber er benutzt ein Mittel, nämlich gute Gene oder keine Unfälle oder alle Mörder gehen woanders hin. Gott handelt, aber der Gläubige bekommt von Gott selber nichts mit.
Das Gesetz
So ging es auch mit dem Reden Gottes.
Gott wollte den Menschen ja gelegentlich etwas sagen. Gar nicht zwangsweise etwas ermahnendes, sondern vielleicht auch etwas erfreuliches, eine Freundschaftserklärung, so etwas.
Das, was Gott den Gläubigen sagen wollte, wurde entweder auf Papier geschrieben, dann konnten die Gläubigen es lesen.
Oder Gott sagte es einem Propheten, und der sagte es dann den Gläubigen.
Das Wort Gottes für den normalen Gläubigen war ein indirektes Wort. Gott redete mittelbar; das Mittel war entweder die Bibel oder der Prophet. Der normale Gläubige bekam Gottes Stimme niemals zu hören.
Das war sinnvoll
Diese Vorgehensweise Gottes mit den Gläubigen war auch sinnvoll, denn die Sünden der Gläubigen konnten nur soweit vergeben werden, dass sie mit Gott im gleichen Land leben konnten.
Aber eine so weitgehende Heiligkeit, dass der Mensch Gott direkt gegenübertreten konnte, war nicht gegeben. Wenn der Hohepriester es dann doch einmal im Jahr machen wollte, musste er ein umfangreiches Prozedere über sich ergehen lassen, damit er einen Zustand erreichte, in dem er Gott für einen kurzen Moment begegnen konnte.
Die gesamte Religion des alten Judentums war eine mittelbare. Gott konnte immer nur an einer Zwischenstufe erkannt werden, die nicht Gott selber war. Also an der Ernte, am Frieden, am hohe Alter oder am Reden des Propheten.
Ausnahmen
Es gab bekanntermaßen im Alten Testament ein paar Ausnahmen. Da begegnete Gott den Menschen unmittelbar, ganz direkt.
Jesaja war zu Tode erschrocken, weil er dachte, er muss jetzt sterben.
Zu Mose redete Gott direkt, zuerst aus dem brennenden Dornbusch, aber dann auch zu vielen anderen Gelegenheiten.
Zu Samuel konnte Gott direkt reden, aber zu David nur manchmal. Gelegentlich musste Gott zu David auch einen Propheten schicken.
Mit Elia und Elisa konnte Gott direkt reden, und sowieso mit allen Propheten, was aber natürlich notwendig war, denn der Prophet konnte nicht sagen „so spricht der Herr“, wenn der Herr nicht vorher was gesagt hatte.
Aber verteilt auf 1500 Jahre Altes Testament waren das wirklich Ausnahmen.
Zusammenfassung Alter Bund
Die Gottesbeziehung im Alten Testament war also eine indirekte, eine mittelbare.
Wenn man zu Gott betete, dann hörte Gott das natürlich direkt, aber die Gebetserhörung kam indirekt.
Wer Gott ein Opfer zur Vergebung der Sünden oder aus einem anderen Grund bringen wollte, musste das über einen Priester tun. Direkt und unmittelbar ging nicht.
Und das alles hing damit zusammen, dass der Mensch nicht heilig genug war. Die durch die Sündenvergebung erzeugte Heiligkeit reichte für das Leben mit Gott im gleichen Land, aber es reichte nicht für einen direkten Umgang mit Gott.
Der Alte Bund war dem Wesen nach indirekt und mittelbar, weil es nicht anders ging.
Jesus kommt
Und dann kam Jesus, und Jesus war ja auch Gott. Irgendwie. Wir sagen „Gott wurde Mensch“.
Ab diesem Moment konnte man Gott direkt begegnen, zumindest wenn man zufällig in Palästina wohnte, denn Jesus war ja gleichzeitig auch ein bisschen Gott.
Jesus musste nicht mehr sagen „so spricht der Herr“. Jesus konnte sagen „ich aber sage euch“.
Mit Jesus sind wir im Bereich unmittelbar und direkt, nicht mehr bei mittelbar und indirekt. Man konnte Jesus anfassen, und man hatte sofort die göttliche Wirkung.
Aber mit Jesus hatte man natürlich einen begrenzten Gott. Er war eben Mensch und hatte physikalisch die Grenzen, die Menschen so haben. Den Chinesen half die Existenz Jesu nicht, er saß ja in Palästina.
Nicht wieder rückwärts
Nachdem Jesus gestorben und auferweckt worden war, und als er dann den Heiligen Geist geschickt hatte, da wurde die Unmittelbarkeit und das Direkte, das während Jesu Erdenleben gegolten hatte, nicht wieder zurückgefahren auf die indirekten Möglichkeiten des Alten Testamentes.
Sondern es geschah jetzt das, was angekündigt wurde in Jeremia 31,34
34 Dann wird nicht mehr einer seinen Nächsten oder einer seinen Bruder lehren und sagen: Erkennt den HERRN! Denn sie alle werden mich erkennen von ihrem Kleinsten bis zu ihrem Größten, spricht der HERR. Denn ich werde ihre Schuld vergeben und an ihre Sünde nicht mehr denken.
Wenn man die Gläubigen fragt, wozu Jesus gekommen ist, dann kriegt man ja immer wieder zu hören, Jesus sei gekommen, um unsere Sünden zu vergeben. Aber das ist nicht wahr. Die Sünden sind zwar durch Jesu Tod vergeben, aber Jesus ist gekommen, um die Beziehung zu Gott aus der Mittelbarkeit in die Unmittelbarkeit zu ziehen.
Damit wir mit Gott direkt reden und handeln können, ist die Vergebung der Sünden zwingend notwendig. Der Heilige Geist kann nicht in uns hineinfahren, wenn in uns noch etwas ist, was Gott existenziell stört. Aber mit der Vergebung allein ist der Wille Gottes noch lange nicht getan, und der Sinn des Kommens Jesu ist damit noch lange nicht erfüllt.
Sondern der Sinn von Jesu Kommen war das Ermöglichen des direkten und unmittelbaren Kontakts zu Gott.
Und darum ist das Neue Testament nach Pfingsten voll von direkten Aktionen zwischen Gott und Menschen, von „geh jetzt mal auf jene Straße“ über „geh mal den Petrus holen“ bis hin zu Prophetie und Weissagung und Lehre in Vollmacht.
Darum wird im Gottesdienst in Antiochia eine Hungersnot vorausgesagt, die unter Kaiser Claudius auch eintraf (Apg 11,28), das Verborgene des Herzens eines zufällig hereingeschneiten Ungläubigen wird offenbar (1.Kor 14,22), es werden persönliche Schicksale bekannt gegeben (Apg 21,11; Apg 21,4) und Gott gibt bekannt, wer ausgesandt werden soll.
Der Unterschied zwischen dem alttestamentlichen Gottesdienst und dem neutestamentlichen wäre, dass man im Gottesdienst des Alten Bundes indirekt etwas von Gott hört, während man im Gottesdienst des Neuen Bundes etwas mit Gott erlebt.
(Der Fromme würde sagen: Dass man Gott begegnet.)
Zusammenfassung
Der zentrale Unterschied zwischen altem und neuen Bund ist die Nähe Gottes zum Menschen.
Diese Nähe ist für Gott aber wichtig, denn um den Menschen mehr lieben zu können als nur über das Verteilenlassen von Geschenken, geht es nicht ohne Nähe.
Die Möglichkeit dieser großen Nähe stellt Gott her durch die Vergebung der Sünden (durch Jesu Kreuzigung) und durch das Besiegen des Todes und des Teufels und damit die Ermöglichung eines völlig neuen Lebens (durch die Auferstehung). Nur indem wir dieses neue Leben bekommen (= der Heilige Geist von uns Besitz ergreift), kann die Nähe zu Gott hergestellt werden.
Diese Nähe wird dann logischerweise nicht dadurch gefüllt, dass man schweigend nebeneinander sitzt. Sondern Gott hat gewisse Absichten, und diese Absichten kann man jetzt zusammen mit Gott, im gemeinsamen Erleben erfüllen.