Alltagssegen

Es gibt in der Bibel so etwas wie einen Grundsegen. Die Basis allen Segens. Das ist die Berufung Israels in das gelobte Land, die Berufung des Paulus in den Dienst oder schon vorher die Einladung des Paulus in Gottes Reich.

Nur wenn der Mensch mit so einem Grundsegen gesegnet ist, kann er weitergehend von einem Alltagssegen in unserem Sinn sprechen. Vom Vorhandensein eines solchen Grundsegens geht dieser Artikel aus.

Wenn Gott zu Abraham sagte, dass durch ihn alle Geschlechter der Erde gesegnet werden sollen (Genesis 12,3), dann ist dieser Grundsegen gemeint und nicht der Alltagssegen, dass jeder Gläubige immer genügend Käsekuchen oder genügend Freunde hat.

Alltagssegen im alten Bund.

Im alten Bund war der Alltagssegen in der Regel irdisch. Wer sich gut zu Gott und an seine Gebote hielt, der hatte eine reiche Ernte, viele Kinder, politischen Frieden, wenig Schwierigkeiten. Diese Art des Segens hing damit zusammen, dass das Reich Gottes zu damaliger Zeit rein materiell war. Die Tatsache, dass das alles irgendwie mit einem immateriellen Gott zusammenhing, kann dabei unberücksichtigt bleiben, da sie sich von selbst versteht, aber keine Auswirkungen auf die Form des Segens hatte.Segen im Alltag

Auch die Ausnahmen wie die Berufung des Jeremia, der sich mitunter nicht wirklich gesegnet fühlte, kann man mal weglassen.

Alltagssegen im neuen Bund

Bemerkenswert ist, dass die Gläubigen im neuen Bund immer noch einen solchen äußerlichen Segen erwarten, obwohl der neue Bund immateriell ist und man deshalb doch eigentlich mit etwas anderem rechnen müsste.

Aber dieses Gefühl, dass Gott einem Glück bringt, ist so schön! Dass Gott dafür zuständig ist, die komplexen Dinge des Lebens zu entwirren. Uns vor Unfällen zu bewahren, vor Kriminalität zu schützen und dafür zu sorgen, dass das Schreckliche nicht eintritt.

Wer wollte auf so ein schönes Gefühl verzichten?

Sowohl biblisch als auch theologisch ist diese Sicht aber falsch.

Im neuen Bund gibt es nämlich gar keinen Alltagssegen mehr.

Weil alles Segen ist.

Auch Unfälle, Krankheiten, verlorenes Geld.

Paulus begründet diese Tatsache damit, dass der Teufel besiegt ist. Damit kann es für die Gläubigen das Gegenteil von Segen nicht mehr geben.

Das Böse ist ja immer auf das Wirken des Teufels zurückzuführen. Wobei es egal ist, ob das Wirken des Teufels ein direktes ist (dass das Böse mich also ganz direkt und persönlich angreift) oder ein indirektes ist (ich also etwas erleide, was in der Gefallenheit der Welt seine Ursache hat).

Wenn der Teufel aber besiegt ist, kann er den Gläubigen überhaupt nichts mehr tun. Er kann den Gläubigen kein bisschen mehr schaden. Für den Gläubigen gibt es keinen Fluch mehr, aber dann kann es natürlich auch das Gegenteil nicht mehr geben.

Darum kennt Paulus den materiellen Segen des alten Bundes nicht mehr. In Römer 8,35 kennt er Angst, Verfolgung, Hungersnot, Blöße, Gefahr und Schwert. Aber er beschreibt das nicht als eine Abwesenheit von Segen, sondern er sagt, dass er während dieser Ereignisse oder parallel zu diesen Ereignissen trotzdem gesegnet ist.

Denn: Das Gegenteil von gesegnet kann Paulus ja nicht sein. Und schließt darum messerscharf in Römer 8,28, dass alles zu unserem Vorteil sein muss. Weil ja nichts mehr zu unserem Nachteil sein kann.

Deutlich gesprochen

Der Segen im Neuen Bund besteht nicht mehr im irdischen Wohlergehen des Einzelnen. Sondern der Segen besteht aus Gott selbst.

Da die Beziehung zu Gott im Alten Bund eine indirekte war, war natürlich auch der Segen indirekt. Gott selber war im Segen nicht zu sehen. Ob hinter der guten Ernte, dem langen Leben oder dem politischen Frieden tatsächlich Gott steckte, war eine Frage des Glaubens. Es gab entsprechende Verheißungen von Gott, und wenn das darin Zugesagte jetzt eintraf, ging man davon aus, dass man es nicht mit einem Zufall zu tun hatte, sondern tatsächlich mit dem Handeln Gottes.

Die Beziehung zu Gott im Neuen Bund ist eine direkte. Dafür ist Jesus gestorben und auferstanden, dass keine Tempelmauer und kein Vorhang, keine Sünde und keine Wesensfremdheit mehr zwischen Gott und den Menschen steht. Damit hat sich die Frage, ob das jetzt Gott ist, der handelt, doppelt erledigt:

  • Gott handelt jetzt direkt. Man kann ihn sehen / spüren / erleben. Man braucht nicht mehr den Bewegungen der Materie zuzuschauen und zu überlegen: Wer bewegt sie? Man kann die Hand sehen, die etwas bewegt. Man muss nicht mehr raten, welche Botschaft in den Ereignissen steckt. Man kann die Stimme hören, welche die Botschaft spricht.

  • Ich handele an Gottes Stelle. Damit besteht der Segen darin, dass ich selber segnen kann. Wenn ich eine Vollmacht von Gott habe, habe ich sie direkt von Gott, weil Gott Vollmachten nicht weiterreichen lässt. Also handelt Gott, wenn ich meine Vollmacht benutze.

Am Beispiel der Seligpreisungen

Wie anders der Segen im Neuen Bund ist, können Sie an den Seligpreisungen in der Bergpredigt sehen. Dort sind teilweise schon die Ausgangssituationen hart, z.B. wenn Verfolgte glücklich genannt werden. Aber auch der Segen, der versprochen wird, ist ganz anders als der indirekte Segen des alten Bundes.

So bekommt man mehrfach das Reich Gottes zum Eigentum und damit natürlich auch Gott selbst. Man kann Gott schauen, man wird „Kind Gottes“ genannt, und man erfährt Trost und Barmherzigkeit, wobei offenbar nicht an Trost durch Tante Gertrud gedacht ist.

Wenn wir uns also über die seltsamen Versprechen der Seligpreisungen wundern, dann müssen wir verstehen, dass die Versprechen letztlich immer auf Gott selber hinauslaufen oder auf eine Handlung, die Gott selber an uns verrichten wird.

Der Begünstigte

SegenDer Begünstigte des Alltagssegens des Alten Bundes war der Gläubige in seiner irdischen Existenz. Er hatte mehr Geld, mehr Kinder, mehr Zufriedenheit, mehr Glück, mehr Lebensjahre. Man wird also in gewisser Hinsicht sagen müssen, dass die Sache auch einen gewissen Hang zum Egoismus hatte.

Wenn man ganz genau hinschaut, war auch Gott Begünstigter.

  • Gott wollte Menschen lieben. Das tat er auf diesem Wege derart, dass die Gläubigen es auch als Liebe verstehen und einordnen konnten. So erreichte Gott sein Ziel.

  • Gott wollte, dass das Zusammensein zwischen Gott und Menschen für alle Beteiligten von Vorteil war. Es wäre ja sonst keine positive Gemeinschaft gewesen. „Harmonisch“ ist nicht, wenn eine Partei es ganz toll findet und die andere mit zusammengebissenen Zähnen dasitzt. Wenn eine positive Gemeinschaft entstand, geschah damit der Wille Gottes.

  • Wenn es den Gläubigen gut ging, war das eine prima Werbung. Gott hatte für die Zukunft die gesamte Menschheit im Auge, und diese Zukunft musste mental vorbereitet werden.

Im Alten Bund waren sowohl der Gläubige als auch Gott Begünstigte des Alltagssegens. Im Neuen Bund ist der Begünstigte nur noch Gott.

Das hängt damit zusammen, dass davon ausgegangen wird, dass mein Wille und Gottes Wille identisch sind. Es hängt aber auch damit zusammen, dass nur noch Gottes Reich gebaut wird, nicht mehr meins. Im Alten Bund wurde durch den Segen auch das Haus oder das Reich des Menschen gebaut. Diese Möglichkeit, durch Gott reich oder angesehen zu werden, wird im Neuen Testament aber ausgeschlossen.

Da Gottes Wille und mein Wille eins sind, existiert natürlich überhaupt nur noch ein Wille, der gesegnet werden kann. Und eben der wird dann gesegnet.

Man könnte also auch sagen, dass ich selbst der Begünstigte des Segens bin. Das stimmt aber nur, wenn ich mit Gott einer Meinung bin.

Zusammenfassung

Das Neue Testament geht von völlig neuen Zuständen der Welt und des Lebens aus. Der Ausgangspunkt hierbei ist, dass sich durch Tod und Auferstehung Jesu die Dinge so dramatisch verändert haben, dass das meiste, was vorher gültig war, nun über den Haufen geworfen ist.

Angesichts der Tatsache, dass es für die Gläubigen keinen Fluch mehr geben kann, kann es nun nur noch Segen geben. (Neutralität gibt es nur theoretisch.) Dieser Segen wird aber aufgrund der Dimensionen des Handelns Jesu ungleich größer sein als der segensreiche Kleinkram im Alten Bund.

Da der neue Bund auf dem Alten aufbaut und der Wunsch der Gläubigen im Alten Bund nicht grenzenloser Reichtum oder ungetrübtes irdisches Glück war, sondern eine möglichst große Nähe zu Gott, so ist dieser Wunsch im Neuen Bund erfüllt.

Der Segen im Neuen Bund ist Gott selbst.

Weil es mehr oder größeres nicht geben kann.