In den Riss treten

Die Forderung Gottes, dass jemand „in den Riss treten“ möge, kommt im Alten Testament häufiger vor und bezeichnet eine heute nicht mehr relevante und darum relativ unbekannte Notwendigkeit beim Krieg führen.

Wenn der Feind nämlich ein Loch in die Stadtmauer geschlagen hatte – einen „Riss“ - dann mussten Bewaffnete sich in diesen Riss stellen, um zu verhindern, dass Feinde durch diesen Riss in die Stadt eindringen.

Wir haben im Deutschen heute noch einen ähnlichen Begriff: in die Bresche springen.

Wenn der Riss und die Forderung, in ihn zu treten, in der Bibel auftreten, ist der Feind immer Gott. Nicht der Teufel oder etwas anderes Böses! Sondern der Sinn ist immer der, dass Gläubige sich so benommen haben, dass ein Riss in ihrer Beziehung zu Gott entstanden war und dass Gott allen Grund hat, gegen die Gläubigen vorzugehen.

Im Grunde geht es also um so etwas wie Fürbitte, wobei Fürbitte hier nicht verstanden wird als Gebet für irgendwelche irdischen Bedürfnisse des Menschen, sondern für einen Schutz des Menschen vor einem zu Recht zornigen Gott.

Im Alten Testament gibt es hauptsächlich zwei Erwähnungen des „in den Riss Tretens“: Zum einen, wo ein Mensch tatsächlich für jemand anderen in den Riss tritt, und zum Anderen, wo Gott sich darüber wundert, dass niemand eben dieses tut.

Beispiele dafür, dass jemand für andere „in den Riss tritt“:

  • Ps 106,23
  • Ex 32:11-14 + 30-32,
  • Hiob 42,8,
  • 2.Chr. 30,18 
  • Psalm 66 geht es nur darum, dass ein Einzelner für die Gemeinde in den Riss tritt

Beispiele dafür, dass Gott sich wundert, dass niemand „in den Riss tritt“:

  • Jes 59,16
  • Hes 22,30
  • Hes 13,5

Den gleichen Vorgang gibt es auch im Neuen Testament. Auch dort kann es passieren, dass ein Glaubender sich so verhält, dass er sich Gott zum Feind macht. Und dass dann ein anderer Mensch den Sünder gegen Gott verteidigt:

Genau genommen ist das, was Jesus gemacht, ebenfalls ein „in den Riss treten“. Er hat dafür gesorgt, dass die Menschen, die Gott eigentlich zum Feind hatten, ihn nun zum Freund haben können.

In diesem Sinne sind dann auch die Aufforderungen des Neuen Testamentes zu verstehen, dass die Gläubigen für ihre Feinde beten sollen (Lk 6,28) und dass einer die Last des anderen tragen soll (Gal 6,1-2). Gerade die letztere Stelle wird oft eher auf Umzugskartons und Krankenbesuche bezogen, was daher kommt, dass unter den Christen die Sünde bei weitem nicht mehr so gefürchtet wird wie die Krankheit. Aber der Zusammenhang im Galaterbrief ist eindeutig: Es geht um Fehltritte der Menschen gegenüber Gott, nicht um irgendwelche Probleme, die man hat, weil es im Leben zwangsläufig zu Problemen kommt.

Warum ist das wichtig?

Zum einen ist das wichtig, weil die Liebe das zentrale Teil in der Gemeinde ist. Und wenn der andere etwas falsch macht und es nicht merkt oder nicht einsieht, dann ist es aus Liebe heraus naheliegend, dass ich Gott dann bitte, dass er die Unfähigkeit des anderen bitte übersehen möge. Möglicherweise ist nämlich die Vergebung durch Gott der Akt der Befreiung, der es dem anderen ermöglicht, von seiner Sünde zu lassen.

Außerdem ist das Eintreten für den anderen gegenüber Gott ein Zeichen für geschehene Vergebung in meinem Herzen.

Und dann schadet die Sünde des Einzelnen immer auch der Gemeinde. Private Sünden sind nicht privat. „Ein wenig Sauerteig durchsäuert den ganzen Teig“, erklärte Paulus in diesem Zusammenhang. Und in den Sendschreiben am Anfang der Offenbarung werden die Sünden Einzelner der Gemeinde zur Last gelegt. Wenn ein Körperteil leidet, leiden alle, und wenn ein Körperteil schlecht ist, kann der ganze Leib nicht gut sein.

Wo ein Mensch einen anderen Menschen gegenüber Gott verteidigt, hat die Liebe gesiegt und der Teufel schlechte Karten. Und wer Sünder gegenüber Gott verteidigt, handelt wie Jesus.

Darum ist das wichtig.