Gottes Plan für mein Leben

Dieser Artikel erklärt Ihnen, warum Gott vermutlich keinen Plan für Ihr Leben hat. Es steht keineswegs fest, was aus Ihrer Zukunft werden soll, und Sie müssen nicht etwas erfüllen, was schon von Urzeiten her vorherbestimmt ist. Vermutlich sind Sie weitaus freier als Sie denken.

Reden wir mal über Gottes Plan für Ihr Leben.

Den es ja ganz sicher und ganz eindeutig geben muss.

Wie schon die Fleischereifachverkäuferin vor Jahren zu mir sagte: „Es kommt, wie es kommen muss.“ Es ist also alles vorherbestimmt.

Und wenn Gott für den Jeremia schon vor dessen Geburt einen Plan für dessen Leben hatte, und für Johannes den Täufer auch und für Jesus erst recht, dann ist dieses Prinzip ja wohl allgemeingültig.

Und wenn Jesus sogar weiß, wie das Ende des Petrus sein wird (Jh 21,18), und wenn Jesus vorherbestimmt, dass er auf Petrus seine Gemeinde bauen will, dann gibt es doch offenbar von Gott her gesehen so etwas wie einen Plan für das Leben eines jeden Menschen.

Und wenn man dann noch bedenkt, dass Jesaja das Ende von Jesus schon in den Gottesknechtsliedern vorhergesagt hat! Und dass Jesus im voraus wusste, wer ihn verraten würde.

Das Übersehene

Natürlich hat diese Einstellung schon so etwas wie der Besuch bei der Wahrsagerin.

Denn derjenige, der die Wahrsagerin aufsucht, geht vom gleichen Setting aus: Es ist schon alles auf der Welt vorherbestimmt. Und die Wahrsagerin kann in diese Pläne hineinschauen.

Die Christen, die von einer absoluten Vorherbestimmung ausgehen, vermeiden aber kunstvoll jene Berichte in der Bibel, die von genau dem Gegenteil sprechen.Lebensplan

Es gibt ja sogar Berichte, wo Gott überrascht ist von dem, was passiert: Dass nämlich z.B. sein König Saul nicht funktioniert hat. Oder dass Gott aus den Israeliten ein Volk von Königen und Priestern machen wollte (2.Mose 19,6) und sehr schnell feststellen musste, dass das Volk dazu völlig unfähig war. Dass Gott am Ende diejenigen Leute, die er aus Ägypten befreit hatte, allesamt in der Wüste sterben lassen musste und sie nicht ins gelobte Land bringen konnte, dürfte auch nicht der ursprüngliche Plan gewesen sein – schlicht deshalb, weil es ein bösartiger Plan wäre und Gott dann in seinen Ankündigungen gelogen hätte.

Ebenso war nicht vorherbestimmt, dass das Zebra tatsächlich Zebra heißt. Sondern der Mensch konnte das entscheiden, und Gott schaute interessiert zu, wie der Mensch das gestreifte Tier nennen würde (1.Mose 2,19).

Und es gibt einige Stellen im AT, wo es heißt: „Es reute Gott.“ (Jes 42,10; 1.Sam 15,11; Gen 6,6).

Das heißt: es gibt Fälle, wo Gott tatsächlich einen Plan hatte, der dann auch umgesetzt wurde; es gibt Fälle, da hatte Gott einen Plan, und es hat überhaupt nicht funktioniert; und infolge dessen dürfen wir wohl davon ausgehen, dass es bei Gott auch alle anderen Kombinationen von Plänen, Absichten, Vorhaben und deren Ausführung gibt.

Das Dilemma

Das Dilemma, das entsteht, wenn alles vorherbestimmt ist und alles nach einem Plan läuft, den Gott entworfen hat, basiert auf der Freiheit des Menschen und auf der Existenz des göttlichen Gerichts.

Dass Gott das Recht hat, den Menschen zu verurteilen oder freizusprechen, basiert auf der Tatsache, dass der Mensch frei entscheiden kann. Gott hätte schlicht nicht das Recht, den Menschen zu verdammen, wenn der Mensch ohnehin keine Chance zu einer anderen Entscheidung gehabt hätte. Eine Marionette für das zu verurteilen, was sie tut, ist Blödsinn.

(Das war jetzt sehr menschlich gesprochen, denn ich kann Gott ja keine Rechte ab- oder zusprechen. Gott könnte sich jedes Recht der Welt einfach nehmen. Da Gott sich uns aber auch als „gerechter Gott“ vorstellt und dabei von einem menschlichen Gerechtigkeitsverständnis ausgeht – weil er nämlich zu Menschen spricht und nicht zu Nilpferden – darum können wir diesen Punkt trotzdem so stehen lassen. Gottes Handeln muss nach menschlichem Verständnis gerecht sein.)

So kommen wir also, wenn von der Existenz des göttlichen Gerichts und von der Legitimität dieses Gerichts ausgehen, zu dem Ergebnis, dass es einen feststehenden göttlichen Plan für das Leben des Einzelnen nicht geben kann. Und für Menschengruppen wie Völker, Staaten, Nationen auch nicht, denn diese bestehen aus einzelnen Menschen.

Die Pläne für Jeremia und Co.

Die Christen, die von einem festen Plan für den einzelnen Menschen ausgehen, berufen sich auf die wenigen biblischen Beispiele, wo der Plan scheinbar auch ausgeführt wurde. Aber diese scheinbare Ausführung kann man auch anzweifeln.

  • War es wirklich Gottes Plan, den Judas in die abgrundtiefe Verzweiflung und den Selbstmord zu treiben? Klingt genauso böse wie „der Judas musste Jesus nur verraten, danach hat Gott sich einfach nicht mehr für ihn interessiert“.
  • Waren all die Warnungen von Jeremia tatsächlich nur dazu da, um die Treulosigkeit der Israeliten zu beweisen? Gab es nicht die Möglichkeit, das Hereinbrechen der Babylonier durch geistliche Umkehr zu verhindern? Waren Gottes Aufforderungen zur Umkehr, die es im Buch Jeremia massenweise gibt, dann gelogen?
  • Wenn es von Petrus hieß, dass Jesus auf ihn seine Gemeinde bauen wollte – und wenn wir bei unparteiischer Betrachtung eigentlich sehen müssen, dass Gott die Gemeinde eher auf Paulus gebaut hat – hat Petrus diese Aufgabe oder diese Ansage von Jesus tatsächlich erfüllt? Sicher, Petrus war in den ersten 10 Jahren nach der Auferstehung an einigen zentralen Vorgängen beteiligt, und er wird vermutlich noch so manch anderes gemacht haben, von dem wir gar nichts erfahren haben. Aber eigentlich hätte die Ansage von Jesus doch eine weitaus bedeutendere Rolle von Petrus erwarten lassen.

Wir pflegen im Nachhinein zu sagen, dass das, was Jesus für uns getan hat, schon in Jesaja 52 + 53 beschrieben ist. Und damit ist angeblich auch Gottes „Planung“ bewiesen.

Gottes PlanDas, was in Jesaja 52 + 53 beschrieben ist, hätte sich aber auch in völlig anderen Ereignissen verwirklichen können. Zu Jesaja 52 + 53 lassen sich 50 verschiedene Szenarien ausdenken, die alle die Aussagen von Jesaja erfüllen. Dass Jesus unsere Leiden getragen hat (Jes 53,4), hätte nicht durch eine schändliche Hinrichtung verwirklicht werden müssen. Es gibt noch ein paar mehr Möglichkeiten, die Leiden anderer Menschen zu tragen.

Unser Fehler an dieser Stelle ist also, dass wir vom Ergebnis aus rückwärts schauen und behaupten, es hätte aufgrund der Vorhersage ja gar nicht anders kommen können, als wie es gekommen ist. Und aus dieser unserer eigenen Aussage schließen wir dann, Gott habe einen unerschütterlichen, soliden Plan. Hat er aber gar nicht.

Der Survivorship Bias

Letztlich handelt es sich bei dem Vorgehen, dass man die wenigen biblischen Beispielen für eine „Lebensplanung Gottes“ nimmt und alle anderen Menschen, für die kein Plan Gottes bekannt wurde, weglässt, um einen typischen Survivorship Bias. Man schließt von einigen „positiven“ Beispielen auf die Gesamtheit, übersieht aber, dass man alle die Menschen, die sich nicht durch eine göttliche Lebensplanung hervorgetan haben oder bei denen der Plan sogar misslungen ist, aus der eigenen Betrachtung ausgeschlossen hat.

Die Vorteile eines statischen Gottes

Ein statischer Gott mit einem statischen Plan hat einen entscheidenden Vorteil: Man kann ihn einordnen; man kann ihn verstehen; man kann sein Handeln nachvollziehen. So ein Gott bewegt sich auf einem menschlichen Niveau.

Darum hat man auch gerne einen Gott, der eine statische Schöpfung ohne Evolution erschaffen hat. Feststehende Ordnungen, unveränderliche Gesetze – so etwas gibt Orientierung. Da weiß man, wo links oder rechts ist, was gut oder böse ist, schwarz oder weiß.

Das ist aber genau das Problem, das man schon mit der Auslegung des mosaischen Gesetzes hatte: Dass man es als ein statisches, unveränderliches, ewig gleiches Gesetz verstand. Dass man gut handelte, wenn es man es marionettengleich erfüllte.

Gott hat aber schon im Verlauf des Alten Testamentes klargemacht, dass es ihm beim Umgang mit den Menschen nicht um das Funktionieren eines vorprogrammierten Ablaufs geht. Sondern es geht Gott um eine Beziehung, um Kommunikation, um ein Miteinander mit den Menschen.

Ein solches Miteinander kann es aber nur geben, wenn der Mensch ähnliche Entscheidungsfreiheiten hat wie Gott.

Gott kennt die Zukunft

Ein gerne angeführtes Argument lautet, dass Gott ja außerhalb der Zeit stehe und darum die Zukunft schon kennt. Dass Gott also auch schon weiß, wie ich mich im Mai 2030 entscheiden werde, so dass ich letztlich doch nicht frei in meiner Entscheidung bin, weil ja schon feststeht, wie ich mich im Mai 2030 entscheiden werde, denn Gott kann es ja schon sehen. Und wenn Gott es schon sehen kann, dann ist es eine feststehende Tatsache und nicht etwa eine von vielen Möglichkeiten.

Dieses Argument ist aber frei erfunden.

Sehr kreativ, höchst einfallsreich, aber völlig unbewiesen.

Denn wie Gott mit der Zeit umgeht, das wissen wir nicht.

Wir wissen auch nicht, ob Gott die Zeit als Ganzes geschaffen hat, oder ob die Zeit auch vor  Gottes Augen immer erst dann entsteht, wenn sie auch für uns entsteht. Ob die Erschaffung der Zeit also nicht vielleicht ein kontinuierlicher Prozess ist. Was dann hieße, dass Gott den morgigen Tag genauso wenig kennt wie ich.

Gott hat etwas vor

Andererseits kann man nicht sagen, Gott hätte überhaupt keine Idee von der Zukunft.

Es steht durchaus fest, dass es am Ende eine Art Weltgericht geben wird.

Es ist beschlossene Sache, dass das Reich Gottes nicht in unserer aktuellen Welt zu seiner endgültigen Form kommt.

Gott hat jede Menge Vorhaben:

  • diejenigen, die ihn lieben, zu segnen
  • gnädig zu sein zu denen, die das wollen
  • Menschen so zu verändern, dass sie ihm ähnlicher werden

Sie können diese Liste gerne noch großzügig verlängern.

Wir können das Gleiche auch bezüglich einzelner Menschen sagen: Gott hatte etwas mit Paulus vor, mit Petrus, mit Maria, mit Nebukadnezar. Und gelegentlich setzt Gott auch recht massive Mittel ein, damit sein Vorhaben mit einzelnen Menschen umsetzbar wird: Jona wird ins Meer geworfen und vom Fisch verschluckt, Nebukadnezar wird wahnsinnig, Zacharias wird stumm, Hiskia wird sehr krank und geheilt und bekommt danach Besuch, Gideon muss den Großteil seiner Armee aufgeben, Davids Sohn muss sterben.

Aber selbst dann ist das Ergebnis mitunter zweifelhaft, denn Jona wird böse wegen der Bekehrung der Leute und wegen des Rizinus, Johannes der Täufer fragt am Ende, ob Jesus tatsächlich der sei, auf den man warte; Petrus benimmt sich in Antiochien daneben; David macht solche Fehler, dass er am Ende den Tempel nicht bauen darf, und Salomo läuft völlig aus dem Ruder.

Gottes Vorhaben und Gottes Absichten sind allerdings ewig: Sie werden nicht aufgegeben, nur weil die Menschen, mit denen Gott arbeitet, sie sehr unzuverlässig umsetzen. Aber Gott hat eine gewisse Flexibilität, und somit kann man nicht von Plänen Gottes sprechen. Denn Gott hat nicht nur einen Plan A, um ein Ziel zu erreichen. Gottes Alphabet hat diesbezüglich vermutlich mehr als 26 Buchstaben. 

Noch ein Einwurf

Wenn Gott tatsächlich einen Plan für Ihr persönliches Leben hätte – Sie sollen missionarisch in Bottrop wirken – Sie das aber nicht verstehen oder nicht verstehen wollen und statt dessen nach Madagaskar auswandern, um dort für den Erhalt der Lebenswelten der Chamäleons zu kämpfen – wenn Gott jetzt tatsächlich nur den einen Plan für Ihr Leben hat, dann wären Sie in diesem Moment draußen. Dann können Sie im Grunde auch keinen Segen von Gott mehr erwarten, denn Sie befinden sich außerhalb des Willens Gottes. Der Wille Gottes wäre schließlich, dass Sie missionarisch in Bottrop wirken.

Womit Sie vielleicht sehen, dass es relativ gut ist, dass Gott keinen feststehenden Plan für Sie hat.

Lösung

So wie wir es gelegentlich aus der Bibel kennen, dass Gott konkrete Anweisungen für bestimmte Menschen hatte, so gibt es das auch heute noch. Dieser „Plan“ für einen Abschnitt Ihres Lebens ergibt sich aber nicht durch irgendwelche zufälligen Ereignisse, oh Entschuldigung, ich meinte natürlich göttliche Fügungen. Nur weil es sich günstig ergibt und die Dinge sich zufällig so fügen, dass alles passt, ist daraus noch lange kein Rückschluss auf den Willen Gottes möglich. Es kann nämlich genau so gut ein Test Gottes sein, ob Sie sich durch bequeme Lösungen von Ihrer eigentlichen Aufgabe ablenken lassen, oder es ist eine Maßnahme des Teufels, um Sie von den wirklich guten Dingen abzuhalten.

Den aktuellen Willen Gottes für Ihr Leben – immer vorausgesetzt, es gibt gerade so einen – den erfahren Sie nur durch Hören. Hören auf Gott, Hören auf sein Wort. Der Heilige Geist ist hier der einzige akzeptable Hinweisgeber. Nicht der Zufall, nicht die Fügungen.Gottes Plan für Ihr Leben

Und falls Sie nichts hören: Es dürfte in den meisten Menschenleben so sein, dass es für Gott völlig egal ist, was Sie machen. Wenn Sie an der Stelle, an der Sie – warum auch immer – gerade stehen, den Willen Gottes tun, so wie Sie ihn verstehen, dann ist für Gott meistens alles in Ordnung. Schließlich ist es nicht der primäre Wille Gottes, dass Sie eine bestimmte Funktion erfüllen. Sondern die Hauptsache ist, dass Sie Gott lieben und sich von Gott lieben lassen.

Noch ein paar Irrwege

Es gibt auch nicht den einen Menschen, den Gott für Sie zum Heiraten vorgesehen hat. Bevor Sie heiraten, fragen Sie Gott, ob er was dazu zu sagen hat. Und wenn Gott nichts sagt, dann heiraten Sie, wen Sie wollen. Die Bibel sagt, es sollte ein gläubiger Mensch sein (1.Kor 7,39). Und wenn Sie den geheiratet haben, sind Sie an alles das gebunden, was Gott so über die Ehe gesagt hat.

Man kann also klug heiraten, und man kann weniger klug heiraten. Aber in den meisten Fällen ist es für Gott egal, wen Sie nehmen.

Wenn Ihr Ehepartner oder eines Ihrer Kinder zu früh oder in ungeschickten Zusammenhängen stirbt, ist die Formulierung „Gott hat mir diesen Menschen genommen“ vermutlich falsch. Gott hat keinen Plan für Ihr Leben, um sie frühzeitig als verwitwet oder verwaist dastehen zu lassen. Und auch wenn Sie aus dem Alten Testament eine Handvoll Fälle kennen mögen, wo Gott direkt für den Tod eines Menschen verantwortlich zeichnet – im Normalfall ist Gott für das Leben, nicht für den Tod. Es gibt auch keinen Plan Gottes für Ihr Leben, der Ihnen das Leben mal so richtig schwer machen soll. Seit Jesus haben wir ein relativ genaues Bild davon, wie Gott zum Leben steht. Zu behaupten, dass Gott Leben wegnimmt, dürfte in den allermeisten Fällen falsch sein. Der Zeitpunkt des Todes eines Menschen hat mit Gott vermutlich relativ wenig zu tun.

Schlusswort

Der Wille Gottes verwirklicht sich in den meisten Fällen und den meisten Menschen nicht in langjährigen Plänen, sondern im Handeln in der Gegenwart. Tun Sie hier und heute, was Sie als den Willen Gottes erkannt haben. Dann werden Sie nicht so arg daneben liegen.

Zu der Minderheit von Gläubigen, denen Gott eindeutigen Anweisungen für bestimmte Lebensentscheidungen gibt, spricht Gott deutlich. Unmissverständlich. Nicht interpretierbar.

Wenn Sie jahrelang über dem Willen Gottes über Ihr Leben beten und grübeln müssen, um ihn dann am Ende aus irgendwelchen „Zeichen“ und „Fügungen“ abzulesen, dann liegen Sie falsch. Gott nuschelt nicht.

Die Wahrheit ist dann, dass Gott keinen außergewöhnlichen Plan für Ihr Leben hat. Sie sind frei. Machen Sie, was Sie wollen.

Und seien Sie froh darüber. Denn ob das Leben des Paulus, von Rick Warren oder Martin Luther wirklich besser ist als Ihr aktuelles, kann man vermutlich bezweifeln.