Warum sind Gottes Maßstäbe so extrem?
Als die Pharisäer einmal zu Jesus kamen, um ihn zu fragen, ob man sich einfach so von einer Frau scheiden lassen kann, oder ob man dafür einen Grund angeben muss (Matthäus 19), hat Jesus die entsprechenden Bestimmungen des Alten Testaments (Deuteronomium 24) weder gemildert noch bestätigt, sondern verschärft.
Er hat allen, die zuhörten, erklärt, dass jede Scheidung falsch ist und jede Wiederverheiratung nach einer Scheidung Ehebruch, und die Ausnahmen, die Jesus zugelassen hat, sind vermutlich zu vernachlässigen.
Und logischerweise sagten die Apostel daraufhin, dass es dann vielleicht besser ist, nicht zu heiraten. Was Jesus ihnen auch nicht zuließ, aber das ist eine andere Geschichte.
Und Sexualität geht nach der Bibel auch nur mit Ehepartnern. Alles andere, was man sich vorstellen kann, ist nach Gottes Willen tabu.
Eine ganze Reihe solcher spaßbremsender Verschärfungen hat Matthäus schon in der Bergpredigt zusammengestellt (Matthäus 5, ab Vers 21). Man erkennt sie an der Einleitung „Es ist euch gesagt, ich aber sage euch“.
Wenn man also die Bestimmungen des Alten Testamentes für streng hielt und nicht wirklich lustig, dann werden einen Jesu Erweiterungen nicht gerade erfreuen.
Das Gesetz war in seinen Forderungen schon vergleichsweise extrem, aber Jesus toppt das noch ziemlich gründlich.
Das Gesetz war schon schwierig zu halten, aber die Ansprüche an die Christen sind noch um einiges radikaler.
Prosa zum Thema
Jesus hat auch eine theoretische Dokumentation über dieses Thema abgeliefert, nämlich die Geschichte vom breiten und vom schmalen Weg, von der breiten Tür und der schmalen Tür, und er hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es wenige sind, die auf dem Weg zum ewigen Leben sind.
Da kann Paulus kaum gegen anstinken, wenn er in 1.Timotheus 2,4 in einem Nebensatz darauf hinweist, dass Gott will, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen.
Das ist zwar theoretisch wahr, dass Gottes Ansprache allen Menschen gilt und wir selbst keine Befugnis haben, auszusuchen, für welche Menschen wir ein Hindernis zum Glauben sind und für welche nicht. Aber Jesus selbst hat seine Benutzung von Gleichnissen damit erklärt (Matthäus 13,13), dass er nicht will, dass die Menschen mit dem trägen Herzen seine Worte verstehen und sich dann möglicherweise ihm anschließen.
Die Mehrheit der Menschheit ist für Jesus nicht attraktiv. Nicht, weil sie ohnehin nur als Höllenkandidaten geboren wurden, sondern wegen der Eigenschaften ihres Wesens und ihres Denkens.
Und Gleichnisse hat Jesus erzählt, da hat man verloren, wenn man nicht rechtzeitig das Öl hat, oder wenn man mit der falschen Jacke auf der Hochzeit ist, oder wenn man 250.000 Euro (= 1 Talent) nicht investiert, sondern unbenutzt zurückgibt. Da könnte man sich ja schon überlegen, ob man unter solchen Umständen man dann eigentlich noch eine Chance hat.
Lukas hat die Redebeiträge Jesu überliefert, dass man nicht erst seinen Vater begraben darf und sich nicht erst von den Angehörigen verabschieden darf, und dass wer die Hand an den Pflug legt und dann zurückschaut (und deshalb eine krumme Furche pflügen wird), dass Jesus den nicht brauchen kann.
Nikodemus musste sich anhören „entweder neu geboren oder gar nicht“, und die Jünger mussten bei dem furchtbaren Sturm den Rüffel hinnehmen, weil sie Angst hatten.
Die Maßstäbe, die Jesus an „Nachfolge“ anlegt, sind elitär und so hoch, dass die Apostel irgendwann mal fragten, wer denn dann eigentlich gerettet werden kann.
Nicht besser im Alten Bund
Nun hat Jesus diese extremen Maßstäbe nicht erfunden:
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Usa musste sterben, weil er verhindern wollte, dass der Wagen mit der Bundeslade umfiel.
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Ein Mann, der am Sabbath Holz gesammelt hatte, musste deswegen sterben (Numeri 15,32).
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Weil Saul vor längerer Zeit gegen die Gibeoniter vorgegangen war, gab es erst im ganzen Land eine Hungersnot, und diese konnte nur beendet werden, als die 7 Nachkommen Sauls aufgehängt worden waren, die gar nichts dafür konnten, dass Saul, der schon lange tot war, damals den Bund Gottes mit den Gibeonitern gebrochen hatte. (2.Samuel 21)
Wenn man suchen würde, würde man wahrscheinlich noch 100 weitere Beispiele krass hoher Maßstäbe finden, die Gott für seine Leute setzt und deren Erfüllung er verlangt.
Die Frage, die sich stellt
Es stellt sich also die Frage, warum Gott so streng ist.
Anders formuliert: Warum sind Gottes Ansprüche so hoch?
Warum muss man sein Leben verlieren, um es zu gewinnen, und warum geht es nicht ein bisschen billiger?
Wobei die meisten Christen in europäischen Gemeinden ja sagen: „In Wahrheit geht es billiger. Sieht man ja an uns.“
Und sie lieben Gott dann nicht mit ganzem Herzen, ganzer Seele, ganzem Verstand und aller ihrer Kraft, sondern nur mit 50 oder 60 Prozent. Aber sie gehen davon aus: Das passt dann schon. Gott wird uns auch unter diesen Umständen gewogen sein.
Nun will ich die Frage, ob Gott diesen Christen dann tatsächlich gewogen ist, gar nicht beantworten. Diese Beurteilung steht letztlich nur Gott zu, und der Richter ist er, nicht ich.
Aber man kann richtig und eindeutig behaupten: Das Prinzip des Reiches Gottes funktioniert so nicht. Es ist schlicht für solche halben Maßstäbe nicht ausgelegt.
Und der Beweis, dass das nicht funktioniert, ist zehntausendfach erbracht. Den brauche ich hier nicht zu liefern.
Die Frage nach dem Herrn
Schon im Alten Testament hieß es immer wieder, dass Gott ein eifersüchtiger Gott ist.
Nun ist Eifersucht unter Menschen keine gute Eigenschaft, denn Menschen leben in einem Sozialgefüge mit anderen Menschen, die ähnliche Rechte haben wie man selbst.
Da bringt Eifersucht alles durcheinander.
Wenn da jemand kommt, der bestimmt, welchen anderen Menschen ich inwieweit lieben darf und wen ich (aber ganz bestimmt!) am meisten zu lieben habe und wen ganz bestimmt gar nicht, dann funktionieren die sozialen Beziehungen unter den Menschen nicht mehr.
Darum ist Eifersucht unter Menschen ein Störfaktor. Weil unter vielen gleichen Menschen einer gleicher sein will, nämlich der eifersüchtige.
Gott lebt aber nicht in einem Sozialgefüge mit Wesen, die ihm wesensmäßig und rangmäßig gleich sind.
Gott ist einzigartig in seiner Liga.
Folglich ist er der Einzige, dem in einer Ebene außerhalb der Menschheit die Ehre tatsächlich zusteht.
Wenn ein Mensch eifersüchtig ist und denkt, dass die Ehre oder die Liebe oder die Zuwendung ihm allein zusteht, ist es meistens falsch.
Wenn Gott davon ausgeht, dass die Ehre und die Liebe ihm allein zusteht, liegt er richtig. Denn in der Ebene außerhalb der Menschheit ist Gott einzigartig in jeder Hinsicht, und er ist definitiv der Größte und der Erhabenste.
Folglich verlangt Gott, dass er der einzige Herr ist.
Und er verlangt das völlig zurecht.
Der Herr in den Favelas
Ein Mensch, der einer Favela in einer der großen Städte Brasiliens lebt, hat eine ganze Reihe von Herren, die über sein Leben bestimmen:
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Die Favelas werden regiert von Drogenbanden. Staatliche Gesetze funktionieren dort praktisch nicht, und die Polizei zu rufen, macht dort wenig Sinn. Kriminelle Drogenbanden als Herr sind nicht lustig.
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Die Drogenabhängigkeit, hauptsächlich von Crack, ist in den Favelas so hoch, dass jeder Mensch dort etwa 10% Angehörige hat, die drogensüchtig sind und darum Geld von ihm wollen und in ihrem ganzen Auftreten sehr aggressiv sind. Drogenabhängige als Herren, das ist nicht witzig.
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Die Menschen in den Favelas sind unglaublich arm. Favelas sind das, was wir in anderen Ländern „Slums“ nennen. Armut als Herr, der Dein Leben bestimmt, ist nicht sehr romantisch.
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Wenn man dazu noch bedenkt, dass die Korruption in diesen Ländern enorm ist, und dass man das, was man bei uns „Recht“ nennt, oft nur bekommt, wenn man entsprechend bezahlt, dann ist die Herrschaft der Armut noch gravierender.
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Und was die medizinische Versorgung angeht – wir haben gerade gehört, dass Lionel Messi als Kind eine Wachstumsstörung hatte und seine Eltern die Therapie mit den Wachstumshormonen von 800.-€ im Monat nicht bezahlen konnten. Und das war in Argentinien! Wenn man jetzt in den Armenvierteln Brasiliens krank wird, dann hat man die Krankheit als weiteren, unbesiegbaren Herrn.
Alle Herren, die der Mensch in der Favela hat, sind Drecksäcke. Definitiv Schweine ersten Ranges.
Und dann kommt Jesus und sagt zu so einem Menschen, er möchte jetzt dessen Herr sein!
Da greift der Mensch aus der Favela natürlich zu, denn das ist jetzt der erste Herr, der sich ihm anbietet, der kein Schwein ist!
Darum gibt es in den Favelas in Brasilien an jeder Straßenecke, wortwörtlich, eine Gemeinde. Und zwar charismatische Gemeinden. Mit Prophetie, Weissagung und Vollmacht. Keine kirchlichen.
Wenn Gott dem Menschen in der Favela sagt, er müsse sein Leben verlieren, um das wahre Leben zu gewinnen, dann sagt der „nichts lieber als das“.
Und der Mensch in der Favela ist bereit, allen anderen Herren abzuschwören, so wie Jesus es verlangt. Die anderen Herren waren ja glasklar so schlecht, wie es nur geht!
Der Mensch in der Favela ist bereit, alles, was Gott ihm gibt, zu nutzen, mit den 250.000 Euro oder dem einen Talent alles mögliche anzufangen. Das ist das erste Mal in seinem Leben, dass dieser Mensch irgendwas hat, mit dem man etwas anfangen kann!
Wenn man diesen Menschen erzählt, sie bekämen eine Vollmacht, um im Namen Jesu zu handeln – das ist das erste Mal, das die irgendeine Macht haben, da greifen die zu!
Die Herren im Westen
Der Mensch im Westen hat als Herren
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eine demokratische Regierung
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ein funktionierendes Sozialsystem mit Rente und Wohngeld und Steuererklärung und Abschreibungen
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inklusive einer Krankenversicherung, die teuer ist, aber zuverlässig.
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ein funktionierendes Rechtssystem ohne Korruption (und manchmal sogar noch eine Rechtsschutzversicherung dazu)
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genügend Geld, um machen zu können, was er will
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60 Fernsehsender, funktionierendes schnelles Internet und viel Zeit, um sich jede Art von Vergnügen zu gönnen, nachdem ihm der Sinn steht.
Dieser westliche Mensch fragt sein Geld: „Was soll ich machen?“ Und das Geld sagt: „Für dreimal essen gehen oder einen Urlaub in Florida reicht es.“
Der Mensch fragt seine Medien: „Was soll ich heute Abend machen?“ Und dem Fernsehen und dem Internet oder dem Kinoprogramm wird schon etwas einfallen.
Der westliche Mensch hat ein Problem. Da fragt seinen Rechtsanwalt, was er machen soll. Und dann macht er das, was der Rechtsanwalt sagt.
Der westliche Mensch ist krank. Da fragt er seinen Arzt, was er machen soll. Und dann macht er das, was der Arzt sagt. Und die Grundversorgung ist dabei ziemlich kostenlos.
Und jetzt kommt Gott und sagt, er will von nun an der alleinige Herr dieses Menschen sein.
Da stößt Gott auf völliges Unverständnis, denn der westliche Mensch hat jede Menge Herren, mit denen er ganz zufrieden ist.
Die Bibel erzählt dem westlichen Menschen, dass dem Glaubenden nichts unmöglich sei und dass ihm damit alles möglich sei. Da sagt der westliche Mensch zurecht: „Was soll ich damit? Ich habe doch im Grunde ohnehin schon alles?“
In der westlichen Gemeinde erzählt man 40 Wochen hintereinander etwas über Vollmacht. Dass die Gläubigen im Namen Jesu handeln können, mit göttlicher Vollmacht. Und die Gläubigen wissen nach 40 Wochen eigentlich immer noch nicht, was sie mit so einer Vollmacht sollen. Wer braucht sowas, und wofür?
Warum sind Gottes Maßstäbe so hoch?
Gott will Menschen, die sich wirklich für ihn als einzigen Herrn entschieden haben.
Und die sich damit erstmal gegen alle anderen Herren entschieden haben.
Gott ist ein eifersüchtiger Gott. Der akzeptiert keinen zweiten König neben sich.
Und woran erkennt Gott (und vielleicht auch die anderen Menschen), dass Gott tatsächlich der einzige Herr ist?
Indem Gott absolut extreme Maßstäbe fordert und unglaublich radikale Bedingungen setzt.
Bedingungen, die alle anderen Herren vom Brett fegen.
Maßstäbe, die den Maßstäben jedes anderen Herrn widersprechen und die den Menschen deshalb zwingen, sich für einen von beiden zu entscheiden.
Warum ist Gott so streng?
Damit sichtbar wird, bei wem Gott der einzige Herr ist und bei wem Gott nur einer unter mehreren ist.
Gott und sein Reich kann man nicht nebenbei haben.