Himmel – warum man sich trotzdem drauf freuen kann
Selbstverständlich wundern sich anständige Gläubige über den Titel dieses Artikels.
Man muss sich doch auf den Himmel oder die himmlische Herrlichkeit freuen! Alles andere wäre unmoralisch, unanständig und eine Beleidigung und Schmähung des Herrn!
Aber ehrlich gesagt: Mir ist die himmlische Herrlichkeit ziemlich egal.
Nein, ich bin nicht mehr jung und darum schlicht zu weit entfernt davon. Ich bin deutlich über 60. Es kann also jeden Tag passieren.
Aber so ganz persönlich: Wegen mir müsste es keine himmlische Herrlichkeit geben.
Ach Gottchen: Die Hölle!
Meine Rechnung ist ziemlich einfach: Ich berechne die Nachteile, die ich hätte, wenn ich verloren ginge.
Wer verloren ist, ist unauffindbar. Eine verlorene Seele ist nicht mehr existent. Sie ist tot. Was sonst sollte das Gegenteil von „ewigem Leben“ sein?
Der stramme Christ kommt an dieser Stelle natürlich gleich mit der Hölle. Aber der stramme Christ sollte mal seine Bibel ordentlich lesen.
Im Neuen Testament kommt die Hölle, also das Feuer, das ewig brennt und wo Heulen und Zähneknirschen herrscht und der Wurm nicht stirbt, nur für Gläubige in Frage. Die einzigen Bibelstellen, in denen die Zielgruppe der Hölle nicht eindeutig ist, sind in der Offenbarung des Johannes.
Bei Jesus gibt es die Hölle nur für Gläubige, die sich ihrer Beziehung zu Gott nicht würdig verhalten haben:
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Die Brautfräuleins, die ohne Öl auf den Bräutigam warten
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Der, der 250.000 € (ein Talent Silber) bekommt und nichts damit macht
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Wer zur Hochzeit des Sohnes geht, aber in Schlabberpulli und Jogginghose.
Ungläubige gehen bei Jesus einfach verloren. Darum gibt es bei Johannes die drei verlorenen Geschichten. Der Denar war nicht im brennenden Feuer, das Schaf nicht und der Sohn auch nicht.
Mal ganz davon abgesehen, dass es das Bild von den ewig andauernden Höllenqualen auch nur bei dem Gegenspieler vom armen Lazarus gibt. Und diese Geschichte ist eine Fabel, eine Gleichnisgeschichte. Die dort verwendeten Bilder beschreiben nicht die Realität, sondern es sind Bilder, die etwas beschreiben, was in natura unbeschreiblich ist und vielleicht ohnehin nur ein Denkkonstrukt zur Veranschaulichung des Problems.
Die Bilder, dass die Sünder jahrein jahraus bis zum Bauchnabel im Feuer stehen und Millionen Jahre unerträgliche Qual leiden, finden sich so in der Bibel nicht.
Und was die Gläubigen angeht, welche die Gaben Gottes mit Füßen getreten haben und folglich im ewigen Feuer landen oder im Feuersee, wie die Offenbarung das nennt: Es heißt nicht, dass die jahrhundertelang im Feuersee schwimmen. Wenn man in einen Feuersee geworfen wird, ist man tot. Für immer, aber sofort.
Vermutlich ist der Unterschied zwischen „Verlorensein“ und „Hölle“ einfach der zwischen Konsequenz und Strafe. Der Ungläubige, dem niemand das Evangelium verkündet hat oder den es nicht interessiert hat, der geht als Konsequenz seines Unglaubens einfach verloren. Er wird nicht bestraft, sondern es geschieht schlicht die logische Konsequenz.
(Beschrieben wird dieses im Gleichnis von den anvertrauten Pfunden in Lukas 19. Beachten Sie bitte, dass der, der nichts mit dem Pfund anfangen konnte, zwar das Pfund wieder hergeben muss, aber ansonsten keine Strafe bekommt. Sein Status wird einfach zurück auf Null gestellt. Anders beim Gleichnis von den anvertrauten Talenten. Dort sind die Beträge ungleich höher, und wer damit nichts anfangen kann, dem droht das Feuer, das Zähneknirschen und der Wurm.)
Der Gläubige, der (um mit Hebräer 6,4 zu sprechen) erleuchtet worden ist und die himmlische Gabe geschmeckt hat und des Heiligen Geistes teilhaftig geworden ist und sich von diesem allen dann abgewendet hat, der bekommt eine Strafe. Denn er hat es aus erster Hand gewusst. Der Ungläubige hat es (vielleicht) geahnt. Das ist ein Unterschied in der Verantwortung.
Die Berechnung der Nachteile
Wenn ich also verloren gehe, meine Seele auf ewig tot ist, meine Existenz vollkommen und unwiederbringlich ausgelöscht, was habe ich für Nachteile?
Natürlich keine, denn Tote können keine Nachteile haben. Sie sind ja tot. Sie empfinden nichts. Tote können nicht denken: „Oje, jetzt bin ich für immer verloren, dabei könnte ich bei Jesus im Himmel sein!“ Geht einfach nicht.
Ebenso steht zu vermuten, dass der Gerettete keinerlei Vorteile hat.
Der Gerettete ist ja nicht im Himmel oder im Paradies und denkt: „Wie gut dass ich jetzt hier bin, wo es schön ist und hell und warm und herrlich, während Tante Gertrud jetzt verloren und ausgelöscht ist.“
Wenn der Gerettete so denken könnte, wäre das Paradies nicht mehr das Paradies. Denn der Gerettete müsste dann vielleicht auch seinem verloren gegangenen Kind nachtrauern oder einer anderen geliebten Person.
Natürlich ist das, was ich hier schreibe, Spekulation. Wir wissen praktisch überhaupt nichts über die Eigenschaften des ewigen Lebens. Wenn am Ende der Offenbarung der neue Himmel und die neue Erde und das neue Jerusalem beschrieben werden, wird darin kein einziger Mensch beschrieben. Weder als existent, noch mit irgendeiner Tätigkeit. Es wird nur gesagt „die Hütte Gottes bei den Menschen“ und dass Gott und die Menschen sehr vereint sind. Aber was die (ehemaligen) Menschen denken oder fühlen oder sonstwie empfinden werden, wissen wir nicht.
Auch Begriffe wie „ewige Freude“ helfen uns nicht weiter. Denn wir selbst kennen Freude nur im Vergleich mit dem Gegenteil. Wir genießen die Freude, weil wir all die Gegenteile von Freude aus eigener Erfahrung kennen. Nicht nur Hass, Ärger, Wut, Trauer, sondern auch Gleichgültigkeit, Langeweile und Ödnis.
Im Himmel gibt es diese Gegenteile aber nicht mehr. Wie kann Freude aussehen, wenn es das Gegenteil nicht mehr gibt?
Von daher leuchten mir die Vorteile, die ich angeblich durch den Genuss der himmlischen Herrlichkeit habe, nicht wirklich ein. Für meinen halbwegs logischen (ich hoffe …) menschlichen Verstand besteht kein großer Unterschied zwischen ewigem Gerettetsein und ewiger Verlorenheit. Die Geretteten und die Verlorenen werden in der Ewigkeit vermutlich nichts von der Existenz der Anderen wissen.
Und dass es den Geretteten „besser“ geht als den Verlorenen, kann man vermutlich nicht sagen, weil es den Verlorenen überhaupt nicht geht, und „überhaupt nicht“ kann man nicht mit anderen Seinszuständen vergleichen.
Zusammengefasst: Für mich persönlich hätte man den Himmel nicht erfinden müssen. Ganz privat verspreche ich mir nichts von der ewigen Herrlichkeit.
Warum ich trotzdem für den Himmel bin
Offenbar liegt die Verlorenheit im Interesse des Bösen. Des Teufels. Oder wie auch immer Sie diese Kraft benennen möchten. Die Gegenseite von Gott, die arbeitet zugunsten des Verlorenseins.
Gott hingegen ist offenbar gegen das Verlorensein. Er hat ziemlich viel in die Wege geleitet, damit die Verlorenheit abgestellt werden kann.
Auf wessen Seite möchte ich also sein?
Wenn ich nicht die Interessen des Bösen vertreten will, dann muss ich gegen die Verlorenheit arbeiten und mich von diesem Modell distanzieren.
Wenn ich Gottes Interessen vertreten will und auf Gottes Seite sein will, dann muss ich zur Kenntnis nehmen, dass Rettung die bessere Wahl ist. Warum auch immer. Ich muss es nicht verstehen; ich muss es akzeptieren.
Selbst wenn ich meinen eigenen Vorteil dabei nicht sehen kann – ich bin ja schließlich nicht das Maß aller Dinge. Es kommt auf Gottes Willen an und auf Gottes Vorteil – und es scheint so, dass Gott einen Vorteil davon hat, wenn es möglichst viele Gerettete gibt.
(Wenn ich es richtig verstanden habe, liegt Gottes Vorteil darin, dass Gott unglaublich gern unglaublich viel unglaublich intensiv liebt. Gott hat so viel Liebe, dass die einfach irgendwo hin muss. Es ist halt das Prinzip von Liebe, dass sie nur gut funktioniert, wenn sie geteilt und verbreitet wird. Andererseits funktioniert Liebe auch nur, wenn sie gegenseitig ist. Einseitige Liebe nennen wir in unserer Gesellschaft „unglückliche Liebe“ oder „nicht erwiderte Liebe“. Darum braucht Gott, damit es funktioniert, Leute, die ihn ebenfalls lieben.)
Wenn ich also auf Gottes Seite stehe, dann werde ich die Rettung meiner Seele anstreben. Nicht, weil es meinen egoistischen Interessen dient. Sondern weil es Gottes Interessen dient.
Und wenn Gott sagt, es dient seinen Interessen, dann ist es gut. Davon gehe ich aus, dass alles, was Gott will, unüberbietbar gut ist.
Verlorenheit ist falsch.
Warum auch immer. Muss ich nicht verstehen.
Aber ganz offensichtlich ist sie nach Gottes Willen falsch.
Gerettet sein oder ewiges Leben ist gut. Nicht nur das: Es ist scheinbar das Beste, was Gott zu diesem Thema kennt. Damit ist es vermutlich extrem gut.
Und ich habe mich entschieden, Gott mehr zu glauben als mir oder irgendwem anders. Ist ein Erfahrungswert.
Und darum freue ich mich auf den Himmel oder das ewige Leben.
Weil Gott sich drauf freut.
Das reicht mir als Grund.