Furcht und Zittern
Im Philipperbrief, Kapitel 2, Vers 12, sagt Paulus folgenden Satz:
"Bewirkt Euer Heil mit Furcht und Zittern!"
Dieser Satz wird oft und häufig sowohl missbraucht als auch missverstanden. Das liegt daran, dass man
- 1. den Satz nicht im Zusammenhang liest, sondern aus diesem herausreißt
- 2. nicht berücksichtigt, wie Paulus die Formulierung "mit Furcht und Zittern" in seinen anderen Briefen benutzt
Infolge dessen präsentiert man hier einen zähneknirschenden, peitscheschwingenden Gott, der den Philippern mitteilt, dass ihr Glaube so unzureichend ist, dass sie sehr aufpassen müssen, dass Gott sie nicht demnächst rausschmeißt.
Dabei will Paulus genau das Gegenteil sagen!
Der Zusammenhang, in dem der Text steht
Der Text kommt ja aus dem Zusammenhang, dass Paulus erzählt hat, wie großartig Jesus war. Der war so gehorsam Gott gegenüber, dass er sogar bereit war, am Kreuz zu sterben. Und deshalb, weil Jesus so großartig war - oder nein, eigentlich muss man sagen: Weil Jesus so demütig war und den Job gemacht hat, obwohl er das als ehemaliger Himmelsbewohner nun wirklich nicht nötig gehabt hätte - also man muss wohl sagen: Weil Jesu Großartigkeit darin bestand, dass er so demütig war, darum hat Gott ihn so hoch erhoben wie niemanden zuvor. Darum hat Gott ihm die größte Macht, die höchste Position, den größten Segen und die erhabenste Ehre gegeben, die er vorrätig hatte.
Und auf diese Aussage, auf die Großartigkeit Jesu in seiner Demut, darauf basiert nun der folgende Satz und die darin enthaltende Aussage:
Bibeltext | Erläuterung |
Daher, meine Geliebten - | also weil Jesus trotz seiner großen Qualitäten so demütig war, und weil er darum so ein großes Ziel erreichen konnte |
wie ihr allezeit gehorsam gewesen seid, nicht nur in meiner Gegenwart, sondern jetzt noch viel mehr in meiner Abwesenheit - | "Ihr seid gut, Philipper, sogar so gut, dass Ihr nicht nur das Richtige getan habt, während ich ein Auge auf Euch haben konnte, sondern sogar, nachdem ich weg war!" Und so war es ja wirklich, die Philipper waren klasse, die hatten dem Paulus nicht nur immer wieder Geld hinterher geschickt, sondern als er in Rom im Gefängnis saß, hatten sie den Epaphroditus zu ihm geschickt, der nicht nur viel Geld mitbrachte, weil der Paulus in Rom ja von irgendwas leben musste, sondern den man dazu bestimmt hatte, dem Paulus in Rom zu dienen, ihn zu unterstützen während seiner Gefangenschaft! Da war in jeder Hinsicht eine Spitzengemeinde! |
bewirkt Euer Heil mit Furcht und Zittern! | Ihr habt soviel auf den Weg gebracht, soviel Initiative gezeigt, Ihr habt eine solche Leistungsfähigkeit bewiesen - jetzt passt unbedingt auf, dass Ihr nicht anfangt, Gott aus eigener Kraft zu dienen! Passt auf, dass Ihr nicht hochmütig werdet, völlig automatisch, weil Euch Euer Erfolg ja scheinbar recht gibt! Die hohe Qualität von Jesus lag in seiner Demut, in seiner Abhängigkeit von Gott und dessen Anweisungen! Je besser Ihr seid, umso mehr wird der Teufel Euch bekämpfen! Dem Jesus hat er mal alle Reiche der Welt angeboten - eben weil er wusste, dass der so gut war! Seht Euch vor, dass der Teufel Euch nicht bei Eurer (erwiesenen!) Leistungsfähigkeit packt und Euch dazu verführt, dass Ihr die Anweisungen Gottes nicht mehr braucht, weil Ihr selber klug genug und stark genug seid! Ihr seid nicht gefährdet, weil Ihr schlecht seid, sondern weil Ihr so gut seid! |
Vers 13: Denn Gott ist es, der in euch wirkt, sowohl das Wollen als auch das Wirken zu seinem Wohlgefallen. | Versucht bloß nicht, unabhängig von Gott zu werden! Dann macht Ihr vielleicht tolle Sachen, so wie die Leute in Matthäus 7:22, die großartige Dinge für Gott getan hatten, nur hatte Gott das gar nicht verlangt! Und weil sie aus eigener Kraft und eigener Entscheidung diese Dinge gemacht hatten, darum sagte Jesus, er würde sie nicht kennen! Wenn es Gott wohlgefallen soll, dann muss es in absoluter Abhängigkeit von Gott gemacht werden, denn nur Gott hat den Überblick, und nur Gott kennt den Ausgang einer Maßnahme. Oder anders gesagt: Es muss in aller Demut geschehen - Gott widersteht bekanntlich den Hochmütigen, den Demütigen aber gibt er Gnade. |
Wie Paulus es sonst noch benutzt
Bibelstelle | Erläuterung |
2.Kor 7,15 und sein Herz ist euch besonders zugetan, wenn er an euer aller Gehorsam denkt, wie ihr ihn mit Furcht und Zittern empfangen habt. |
Paulus schreibt hier über den Besuch des Titus in Korinth, und versucht einen versöhnlichen Ton anzuschlagen. Es ist unwahrscheinlich, dass die Korinther den Titus mit Angst und Schrecken empfangen haben, und noch unwahrscheinlicher ist es, dass Paulus das dann so benennt. Es ist wohl gemeint, dass die Korinther den Titus in Demut empfangen haben und bereit waren, zu hören, was er zu sagen hatte. |
1.Kor 2,3-4 3 Und ich war bei euch in Schwachheit und mit Furcht und in vielem Zittern; 4 und meine Rede und meine Predigt bestand nicht in überredenden Worten der Weisheit, sondern in Erweisung des Geistes und der Kraft, |
Es ist wohl sehr unwahrscheinlich, dass Paulus hier sagen will, dass er die Hosen voll hatte, als er nach Korinth kam. Er will wohl eher sagen, dass er in Demut und Bescheidenheit dort auftrat. |
Man kann also wohl sagen, dass Paulus die Formulierung "mit Furcht und Zittern" nicht im Sinne von "mit Angst und Schrecken" benutzt, sondern als ein Synonym für "Demut" benutzt.