Ist es Gott egal?

Falls Sie schon länger auf diesem Planeten leben, haben Sie es vielleicht schon gemerkt: Es gibt sehr viel Böses, Schlechtes, Gemeines und Ungerechtes.

In diesem Artikel behandele ich großzügig alles mit einem Rutsch: Seuchen und Vulkanausbrüche, Völkermord und Weltkriege, Vergewaltigung und Ausbeutung, Unterdrückung und Hungersnöte, tödliche Krankheiten und alle Arten von schwerem Schicksal. Plus alles, was Ihnen persönlich noch so einfällt und was Sie individuell ganz besonders belastet.

Die Frage ist ja nun: Wie steht Gott zu diesem allen?

Die Frage entsteht z.B. aus der leicht feststellbaren Tatsache, dass Gott gegen diese Dinge nichts tut.

Bei menschlicher Gewaltausübung könnte man noch sagen, dass Gott auch den Gewalttätern einen freien Willen gegeben hat und darum ihr Handeln nicht unterbindet. Gegen diese Aussage gibt es zwar viele Gegenargumente, z.B. den freien Willen der Opfer, der hier ja nicht zum Tragen kommt. Aber lassen wir mal den freien Willen der Täter stehen.

Dann haben wir immer noch jede Menge Unheil, an dem kein menschlicher Wille und kein menschlicher Einfluss beteiligt ist. Alles, was unter „Naturkatastrophen“ fällt. Die meisten Krankheiten und schließlich auch der Tod als solcher.

Die Aussage „Gott ist sehr traurig über die Dinge, aber er tut nichts dagegen“ ist logischerweise sehr unbefriedigend. Da Gott aber ganz offensichtlich nichts dagegen tut, ist der erste Teil der Aussage vermutlich falsch.

„Gott ist sehr traurig über diese Dinge“ ist schlicht eine unbewiesene Behauptung.

Das ist auch eine unbelegte Behauptung. (Weil „Beweise“ im Zusammenhang mit Gott immer etwas schwierig sind.)

Es gibt keine Aussage Gottes darüber, dass er furchtbar leidet an einem Unrecht in China oder einer Katastrophe in Argentinien. gelbe Kaktusblüte

Die Aussage „Gott ist sehr traurig über diese schlechten Dinge“ entspringt dem Wunsch der Menschen, dass es doch so sein möge. Sie entspringt der Übertragung menschlichen Denkens auf Gott: Wenn wir als Menschen so etwas entsetzlich finden, dann muss Gott doch genauso empfinden.

Tut er aber nicht.

Weder bezüglich des Guten, noch bezüglich des Bösen.

Ein guter Humus zum Wachsen

Der fruchtbare Boden, auf dem solche Bilder von Gott wachsen, sind – Gottesbilder!

Wenn man ein Bild von Gott hat als einem, der alle Menschen liebt und mit jedem Menschen mitfühlt und im Himmel (oder wo auch immer) sitzt und im Grunde nichts anderes zu tun hat, als die Menschen lieb zu haben und sie zu streicheln und zu liebkosen und gute Gedanken über sie zu denken, dann kommt natürlich so eine Meinung dabei heraus.

Gott ist dann ein passiver Gott, der zwar Wünsche hat, aber keine Ziele. Der zwar Vorstellungen hat, aber keine Absichten.

Der nichts anderes zu tun hat, als alle Menschen zu Liebreiz und Herzensgüte zu ermahnen und immer versucht, dass Banner der herzlichen Liebe hochzuhalten. Der ständig bemüht ist, Menschen zu segnen, aber irgendwie funktioniert es nicht richtig. Aber Gott ist mit viel Empathie dabei.

Der Schaden des Bibellesens

So einen Gott gibt es in der Bibel aber nicht.

Der Gott der Bibel hat ein Ziel. Der hat ein Vorhaben mit Termin.

Der hat eindeutige Absichten, denen sich alles unterzuordnen hat; der hat einen Plan.

Gott denkt strategisch, zielorientiert, ist auf einem Weg und hat es eilig, an das Ende dieses Weges zu kommen und die Ernte einzufahren.

Der biblische Gott hat etwas vor. Der versteht die Welt als einen Prozess, der zu einem eindeutig definierbaren Ergebnis führen soll. Der eilt voran.

Und der fragt auch nicht den Zeitgeist oder die politische Entwicklung, ob diese einverstanden sind mit Gottes Plan oder ob sie Verbesserungsvorschläge haben.

Wenn Sie Bibel lesen, werden Sie den „lieben“ Gott nicht finden. Sie finden den Gott der Liebe, aber das ist etwas grundsätzlich anderes.

Der Plan, das Ziel, die Strategie

Sicher ist es für Menschen schwierig, Gottes komplette Absichten in eine einzige Formulierung zu fassen. Dafür ist Gott zu groß und die Welt für uns zu unbekannt.

Sie können es versuchen, indem Sie eine der biblischen Formulierungen nehmen, die uns das Buch der Bücher dazu anbietet. Allerdings ist keine dieser Formulierungen vollständig:

  • Gott will, dass allen Menschen geholfen wird und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen.

  • Ich bin gekommen, ein Feuer anzuzünden; was wünsche ich, es würde schon brennen

  • Ihr werdet mein Volk sein, und ich werde euer Gott sein.

  • Dies ist der Wille Gottes: Eure Heiligung (1.Thess 4,3).

Alternativ können Sie auch das Leben Jesu betrachten, aber bitte in seiner Gesamtheit. Nicht nur die schönen Reden und die barmherzigen Wunder, sondern alles, einschließlich seines Endes. Daran können Sie Gottes Ziel und Strategie ebenfalls erkennen. Ist ein leicht meditativer Weg, funktioniert aber. Solange sie nichts aus dem Leben Jesu weglassen.

Ich selber würde Gottes Absicht, Stand heute, so ausdrücken, wobei ich weiß, dass meine Beschreibung genauso unvollständig ist wie jede andere: Gott will die Menschen sortieren nach denen, die ihn lieben, und allen anderen. Mit denen, die ihn lieben, will Gott die Ewigkeit verbringen – Gott sucht einfach Leute, mit denen gegenseitige Liebe funktioniert, weil Gott so sehr gerne liebt.

Die Rolle der Gewalttäter, der Ausbeuter und der Unterdrücker

Gott hat also eine Strategie, einen Plan, ein Ziel. Ich drücke es jetzt mal so aus: Gott will sein Reich bauen.

Das können die Herren Putin und Erdogan, das können Google und die UNO, das können Computer-Hacker und Medienkonzerne nicht verhindern.

Es ist völlig egal, was Putin und Erdogan machen, was Google und die UNO für Absichten hegen, was Hacker und Medienkonzerne im Schilde führen: Sie können das Reich Gottes weder verhindern noch behindern.

Diese „Mächte“, egal ob sie Personen, Gruppen oder Strömungen des Zeitgeistes sind, haben nicht genügend Macht, um Gottes Absichten zu hintertreiben, zu sabotieren oder ihnen im Wege zu stehen.

Das ist nicht nur darum so, weil Gott mächtiger ist als alle diese Parteien, selbst wenn die alle am gleichen Strang ziehen würden, sondern auch deshalb, weil Gott auf einer ganz anderen geistlichen Ebene handelt als diese Kräfte. Auf den Teil der Welt, in dem und durch den Gott handelt, haben diese Leute keinen Zugriff.

(Meistens wissen sie noch nicht einmal, dass es diesen Bereich der Welt überhaupt gibt.)

AmsterdamGott hingegen kann alle weltlichen Kräfte zum Erreichen seiner Ziele benutzen. Egal, was diese Mächtigen machen, Gott kann die Wirkungen ihres Handelns zu Gunsten seines Reiches umdrehen. Gott kann Herrn Putin einsetzen für den Bau seines Reiches, und Herr Putin kann sich nicht dagegen wehren, und Gott kann Google oder ein Erdbeben benutzen zum Bau seines Reiches, und die Benutzten können nichts dagegen unternehmen.

Wenn Sie mal genau hinschauen, steht das nicht nur so in der Bibel („alles muss zu eurem Vorteil dienen“; „die Weisheit der Welt ist Dummheit bei Gott“; „ich gebe Ägypten als Lösegeld für dich, Kusch und Seba an deiner Statt“ Jesaja 43,3), sondern das können sie auch in der Weltgeschichte fortwährend beobachten:

  • Die Gemeinde Gottes wächst immer dort am kräftigsten, wo sie politisch und mit Gewalt unterdrückt wird.

  • Leute wie Bonhoeffer, Corrie ten Boom oder diverse Pastoren der bekennenden Kirche sind nur darum so bekannt und so einflussreich geworden (teils posthum!), weil der Staat versucht hat, genau das Gegenteil zu erreichen und diese Leute mundtot zu machen.

Die Frage, die diesen Artikel einleitete, war ja: Ist es Gott egal, wenn Mächtige unterdrücken und Erdbeben zerstören und Krankheiten töten?

Und die Antwort ist: Ja, für Gott ist es egal.

Für Gottes Ziele und Absichten ist es völlig unerheblich, was der Teufel veranstaltet. Egal, ob der Teufel die Natur benutzt, um die Menschen in Angst und Schrecken zu versetzen oder sie sogar zu zerstören, oder ob er es durch Politiker oder Zeitströmungen oder Kriminelle macht: die Macht des Teufels hört da auf, wo Gottes Interessen anfangen. Kennen Sie übrigens längst aus Psalm 2,4

4 Der im Himmel thront, lacht, der Herr spottet über sie.

Gott kann jeden Vorgang und jedes Ereignis so drehen, dass es seinen Absichten dient. Auch diese Tatsache kennen Sie aber längst: 1.Mose 50,20

20 Ihr zwar, ihr hattet Böses gegen mich beabsichtigt; Gott aber hatte beabsichtigt, es zum Guten zu wenden, damit er tue, wie es an diesem Tag ist, ein großes Volk am Leben zu erhalten.

Die Opferrolle, sie lebe hoch

Wenn Sie die Frage stellen, ob es Gott (!) egal ist, was passiert, diese Frage aber aus der Sicht der Opfer stellen, kommen Sie zwangsläufig zu seltsamen Ergebnissen. Denn damit übertragen Sie die (menschlich verständlichen) Interessen der Opfer auf Gott.

Sie haben dann wieder den passiven Gott, der selber gar keine Interessen hat. Es gibt nur noch die Interessen der Opfer, und diese müssen dann zwangsläufig auch Gottes Interessen sein, weil Gott in diesem Weltbild ja gar keine eigenen Interessen hat, sondern sich immer nur mit Opfern jeglicher Art solidarisiert.

(Was übrigens realitätsfremd ist. Gott solidarisiert sich eben nicht mit den Insassen der Konzentrationslager und den versklavten Mongolen. Das ist ja gerade die Tatsache, aus der die diesem Artikel zugrundeliegende Frage entstanden ist.)

Wenn Sie die Frage stellen, ob es Gott egal ist, müssen Sie Gottes Perspektive einnehmen. Sie müssen die Welt aus Gottes Sicht betrachten, nicht aus der Sicht der Opfer.

Sie müssen die Welt unter der Voraussetzung von Gottes Plänen, Absichten, Strategien und Zielen betrachten und nicht unter der Voraussetzung der Ziele der Opfer. Die natürlich vor allem das Ziel haben, keine Opfer zu sein.

Wenn Sie den Willen Gottes erkennen wollen, müssen Sie Gottes Position einnehmen, nicht die Position der Opfer.

Nein, er freut sich nicht

Ehe Sie jetzt auf die Idee kommen, Herr Müller hätte gesagt, Gott freut sich über Leid und Elend: Nein, das hat Herr Müller nicht gesagt.

Inwieweit Gott an den aktuellen Zuständen „leidet“, können wir allerdings nicht sagen. Es gibt schlicht keine biblische Aussage darüber.

Sie dürfen aber auch nicht 1.Korinther 13,6 verdrehen! Dort steht nicht, dass Gott sich an Frieden und Güte und Sonnenschein freut!

Immerhin ist zu bedenken, dass Gott die Welt mit der Schlange darin selber geschaffen hat. Seine Probleme mit dem Bösen sind also vermutlich ein bisschen anders, als wir uns das vorstellen.

Wo ist sie, die Zielgruppe?

Ein weiteres Problem, das zu seltsamen Ergebnissen in dieser Fragestellung führt, ist das Durcheinander bezüglich der Zielgruppe.

Die Behauptung, alle Menschen seien Zielgruppe von Gottes Fürsorge und Gottes schützendem Bemühen, hält der Realität ohnehin nicht stand, übersteht aber auch eine biblische Prüfung nicht.

Die Menschen, die von den Babyloniern ausgebeutet oder versklavt oder getötet wurden, kommen in der Bibel überhaupt nicht vor. Das Wort Gottes hält sie keiner Erwähnung wert. Außer: diejenigen Opfer der Babylonier, die Gott vorher erwählt hatte. Die kommen vor.

Wenn das schlechte, ungerechte und brutale Verhalten der Babylonier besprochen wird, dann immer nur im Zusammenhang mit den Menschen, die Gott erwählt hat, dass sie zu ihm gehören sollen.

Gottes Verheißungen und seine Zusagen für Schutz und Segen gelten denen, die Gott lieben. Und nur denen.

Wenn Sie diese Zusagen Gottes auf die gesamte Menschheit ausdehnen, werden die Ergebnisse Ihres Nachdenkens seltsam. Und vor allem: sie werden unrealistisch. Denn jeder kann sehen, dass Ihre Aussage offensichtlich nicht stimmt.

Der individuell designte Mensch

Ein letzter Denkfehler, auf den ich hinweisen will, ist die Meinung, Gott habe jeden Menschen individuell erschaffen.

Aus diesem Gedanken ergibt sich dann die (falsche) Folgerung, Gott müsse folglich auch jeden Menschen herzlich lieben und sich mit ihm solidarisieren.

Tatsache ist aber, dass die Bibel nur von drei Menschen sagt, dass Gott sie geschaffen hat: Adam, Eva, Jesus.

Der Bibeltext geht nicht weiter „und Gott schuf Abel, und Gott schuf Kain“. Sondern „und Adam zeugte, und Kain zeugte“. Der Mensch als solcher, als Gattung oder Art, ist Produkt der Schöpfung. Der einzelne Mensch ist Produkt der Biologie. Gott hat mit der Produktion und dem Format des einzelnen Menschen nichts zu tun.

Manfred Siebald liegt also mit der Aussage „du bist ein Gedanke Gottes, ein genialer noch dazu“ völlig daneben. Die Formulierung ist grundsätzlich falsch.

(Damit können Sie auch mit Sprüchen wie „Gott hat mich so gemacht, dann kann es doch nicht falsch sein“ überhaupt nicht punkten. Ihre Prämisse ist falsch, folglich ist das Ergebnis Ihres Denkens ebenfalls falsch.)

Sie brauchen jetzt auch gar nicht damit zu kommen, dass Gott gelegentlich an der Fähigkeit des Menschen, Kinder zu bekommen, herumschraubt (Sara, Hanna, Elisabeth …). Der deswegen entstehende Mensch ist immer noch Produkt seiner Eltern, nicht Produkt Gottes.

Zusammenfassung

Die meisten Dinge auf dieser Welt, an denen keine Gläubigen beteiligt sind, sind Gott relativ egal.

Das sagt uns die Realität.

Das sagt auch die Bibel, indem sie nämlich zu diesen Dingen nichts sagt.

Die meisten Ereignisse, die auf unserem Planeten stattfinden, sind für Gottes Absichten und Strategien völlig irrelevant. Sie fördern Gottes Pläne nicht, aber sie können sie auch nicht verhindern oder erschweren.

Und folglich ist Gott das Meiste einfach nur egal.

Womit es Ihnen, zumindest auf der religiösen Ebene, ebenfalls egal sein kann.

Entspannen Sie sich: Es gibt nicht viel Wichtiges.