Dankbarkeit

Dankbarkeit ist ja ein gaaaanz tolles Thema.

Vor allem für völlig gottlose Philosophie- und Lebensberatungsseiten.

Für Jesus weniger. Er hat Gott zwar gelegentlich gedankt (z.B. anlässlich der Auferweckung des Lazarus), und er hat auch vor dem Essen mit den 5000 und 4000 und beim Abendmahl das Dankgebet gesprochen, aber ansonsten war die Dankbarkeit für Jesus kein besonderes Thema.

Dankbarkeit ist, auch wenn jetzt einige Leute die Wände der Gemeindehäuser hochgehen, kein christliches Thema.

Dankbarkeit ist erstmal ein völlig normales weltliches Thema.

Eine dankbare Lebenshaltung ist ein Zeichen von Klugheit und Lebensweisheit, nicht von Frömmigkeit.

Es ist einfach klug, dankbar zu sein für die schönen Dinge im Leben. Dazu gehört auch Achtsamkeit, dass man die schönen Dinge überhaupt wahrnimmt. Dankbarkeit macht das Leben ein wenig einfacher, ein wenig angenehmer. Eine dankbare Lebenshaltung ist hilfreich für die Psychohygiene, sie bringt Licht in die Seele.

Dass Dankbarkeit gut ist, ist eine allgemeine Lebensweisheit. Sie hat mit Gott nichts zu tun. Sie ist eine Frage der Weisheit.

Natürlich kommen jetzt sofort ein paar Oberschlaue und fragen, warum Paulus dann gelegentlich dazu aufgefordert hat, dankbar zu sein. Ihnen sei geantwortet:

Paulus hat auch dazu aufgefordert, fleißig zu sein (Rö 12:11). Trotzdem ist Fleiß keine christliche Tugend, sondern eine Notwendigkeit für jeden Menschen, der erfolgreich sein möchte oder der große Aufgaben zu bewältigen hat.

Paulus hat auch dazu aufgefordert, die Zeit zu nutzen (Eph 5:16), aber „Carpe Diem“ hat schon Horaz vor Christi Geburt gesagt, und der steht ja nun nicht im Verdacht christlicher Orientierung.

Warum also hat Paulus solche Allgemeinplätze in seine Briefe geschrieben?

Erste Antwort

Wenn man es mit Christen zu tun hat, hat man es mit einer Gruppe von Menschen zu tun, die sich verbessern wollen. Die an sich arbeiten wollen. Diese Menschen kommen aber oft auch aus einem gesellschaftlichen Umfeld, wo „an sich arbeiten“ überhaupt kein Thema ist. Das heißt, der Vorgang der Charakterbildung ist für sie völlig neu. Sie haben sich vorher noch nie in diesem Maße Gedanken über Lebensführung gemacht. Sie haben automatisch gehandelt, intuitiv, ihrer persönlichen Prägung gemäß.

Wenn solche Menschen jetzt in ein Umfeld geraten, in dem die Verbesserung des Lebensstil eines der beherrschenden Themen ist, dann muss man ihnen nicht nur die christlichen Tugenden erklären, sondern auch die allgemeinen, also die, die für das Leben eines jeden Menschen nützlich sind. Denn auch mit diesen weltlichen Tugenden haben diese Menschen sich nie beschäftigt. Die Bibel setzt diese Tugenden allerdings voraus – hängt vielleicht damit zusammen, dass die Juden des Alten Testamentes schon an den Lebensstil der ständigen Verbesserung gewöhnt waren und darum auch – wie man übrigens im Buch der Sprüche sehen kann – mit den allgemeinen Tugenden des menschlichen Lebens vertraut waren. Und wo der jüdische Gott nun zu den Heiden getragen wurde, musste man diese Heiden nicht nur mit den von Jesus neu eingeführten Standards vertraut machen, sondern auch mit den schon seit Jahrtausenden bestehenden, aber wenig geübten.

Darum hat Paulus gelegentlich Aufforderungen von sich gegeben, die erstmal nur der Lebensweisheit geschuldet waren und nicht dem Glauben.

Wer übrigens Erfahrungen hat mit fremden Kulturen, der wird bemerkt haben, dass Dankbarkeit, wie wir sie in der deutschen Gesellschaft kennen, keineswegs überall selbstverständlich ist. Rumänen und Russen kennen so etwas nicht annähernd in dem Ausmaß, wie Dank in unserer Gesellschaft gang und gäbe ist. Wenn Paulus an solche Menschen schreibt, muss er also schon etwas dicker auftragen.

Zweite Antwort

Dankbarkeit ist – auch ohne Gott – ein Zeichen einer positiven Lebenshaltung, oder anders ausgedrückt, ein Ausdruck gesunder Beziehungen zur jeweiligen Umwelt.

Wenn unsere Umwelt nun Gott ist oder Gottes Reich, dann wird sich die Dankbarkeit natürlich auf das richten, was mehrheitlich vorhanden ist. Da für die Christen Gott derjenige ist, der die meisten Bereiche des Lebens dominiert, wird unser Dank sich logischerweise bevorzugt an Gott richten und nicht an die Natur oder Mutter Erde oder das Leben oder den Zufall.

Wenn ich meiner Tante Gertrud gelegentlich danke für das, was sie für mich tut, ist das ein Zeichen meiner gesunden Beziehung zu Tante Gertrud. Es ist sogar zum Teil Beziehungspflege. Meine Beziehung zu Tante Gertrud wird besser, wenn ich ihr gelegentlich danke. (Wer’s nicht glaubt, erinnere sich an all die Fälle, wo er unzufrieden war, weil irgendwer etwas als selbstverständlich genommen hat, was es nicht war. Und wie oft man schon gesagt hat: „Bedanken hätte er sich ja wenigstens können.“)

So dient mein Dank gegenüber Gott also der Beziehungspflege sowohl gegenüber Gott als auch gegenüber meinem Leben, meiner Umwelt, meinem Sein. Dank hat die Möglichkeit, meine Sicht auf mein Leben zu verändern. Das hätte er unabhängig von Gott auch; aber da ich es relativ viel mit Gott zu tun habe, danke ich halt Gott.

Und letztlich: Ehre wem Ehre gebührt. Die syrischen Flüchtlinge danken Frau Merkel, denn sie hat es möglich gemacht, und ich danke Gott, denn er hat es möglich gemacht.

Wo Dankbarkeit dennoch ein christliches Thema ist

In dem Moment, wo mein Dank meinen Glauben beweist, da wird Dankbarkeit ein christliches Thema. Jesus hat mal gesagt: Mk 11,24

24 Darum sage ich euch: Alles, um was ihr auch betet und bittet, glaubt, dass ihr es empfangen habt, und es wird euch werden. 

Dieser Glaube muss natürlich sichtbar werden. Das wird er z.B., indem ich Gott für etwas danke, um das ich ihn gebeten habe, das ich aber noch nicht sichtbar empfangen habe. Jesus hat so etwas gemacht anlässlich der Auferweckung des Lazarus, dass er Gott für das Wunder dankte, bevor es sichtbar wurde.

Dankbarkeit wird für Christen auch dann relevant, wenn es darum geht, „im Namen Jesu“ zu danken, oder um es anders zu sagen, „für alles“ zu danken. „Alles“ meint in diesem Falle tatsächlich alles. Auch das, was nach normaler menschlicher Denkweise als schlecht betrachtet würde. Dieser Dank geht davon aus, dass ich im Reich Gottes lebe, wo Gott regiert und wirklich nur Gott, und wo der Teufel mir nicht schaden kann, egal durch was. Folglich muss alles, was mir begegnet, letztlich zu meinem Vorteil dienen, also kann ich auch für alles danken.