Allmacht Gottes 

Kennen Sie das Totschlagsargument der Evangelikalen?

Die absolute Killerphrase in jeder Diskussion?

„Der Herr kann alles.“

Ein gläubiger Mensch hat eine Lieblingsidee und möchte sie gerne umgesetzt sehen – vielleicht nur deshalb, weil sie ihn am wenigstens kostet – und wenn man ihm dann nachgewiesen hat, dass es statistisch keinerlei Beleg dafür gibt, dass das funktionieren könnte oder jemals funktioniert hätte; wenn man darauf hinweist, dass so etwas in der Bibel gar nicht vorkommt, oder dass sogar das Gegenteil in der Bibel steht; wenn man es seit 30 Jahren probiert oder propagiert und es seit 30 Jahren völlig ergebnislos und resultatfrei ist und man deshalb sagt, man könne es jetzt sein lassen, denn wenn es 30 Jahre nicht funktioniert hat, ist die Wahrscheinlichkeit, dass es im 31. Jahr funktionieren wird, sehr gering; wenn man darauf hinweist, dass man nicht andere Resultate erwarten kann, wenn man immer die gleiche Handlung tut – wenn der Evangelikale aber an seiner Idee festhalten will, weil sie für ihn das einfachste und billigste ist – dann kriegt er seine präsenile Trotzphase, verschränkt die Arme vor der Brust und sagt:

„Der Herr kann alles.“

Und was will man dann noch sagen?

Wer sind denn Sie, dass Sie bestimmen wollen, was Gott kann und was nicht?

Sind Sie wirklich so superklug? Ziemlich arrogant und eingebildet, oder?

Wo der Fromme doch dann noch weiß, dass der Glaube Berge versetzen kann und in den Evangelien steht, bei Gott sei kein Ding unmöglich.

Nun, ich hoffe, Sie sind jemand, der seine Bibel nicht nur gelesen, sondern auch verstanden hat und der vielleicht ein wenig über Gott nachgedacht hat, wie schon Psalm 1 das vorschlägt.

Ich hoffe, Sie wissen, dass Gottes Allmacht glücklicherweise begrenzt ist.

Der praktische Ansatz

Wenn wir fragen, was Gott eigentlich kann oder wie allmächtig seine Allmacht ist, dann fragen wir, weil wir mit diesem Wissen leben und handeln wollen.

Wir fragen nicht aus theoretischem Interesse.

Wir fragen, weil wir mit der Antwort praktisch etwas anfangen wollen. Wir fragen, weil wir mit Gottes zusammen leben und arbeiten wollen und darum wissen wollen, was wir erwarten können und was nicht.

Von daher beantworten wir die Frage, ob Gott einen eckigen Kreis malen kann, mit Nein.

Ob es theoretisch möglich ist, dass Gott in seinem Universum, wo es keinen Raum gibt, einen eckigen Kreis zeichnen kann, ist eine völlig sinnlose Frage, wenn wir uns mit der Allmacht Gottes beschäftigen. Denn die Antwort auf diese Frage hilft uns nicht. Die Frage ist auch nicht biblisch, denn die Frage von Gottes Macht in der Bibel bezieht sich immer nur auf Gottes Beziehung zu uns. Die Frage der theoretischen Allmacht Gottes wird in der Bibel nicht behandelt.

Von daher müssen wir sagen: Gott kann keinen eckigen Kreis zeichnen, weil ein eckiger Kreis in dem System, in dem wir leben, kein Kreis mehr wäre. Und damit wäre das Konstrukt völlig sinnlos.

Eine Frage der Alternativen.

Oder anders gesagt: Gott kann von zwei Alternativen, die sich gegenseitig ausschließen, nicht beide gleichzeitig wählen.

Entweder es ist eckig, oder es ist ein Kreis.

Gott kann es in einem Raum nicht gleichzeitig +30° und minus 5° warm oder kalt sein lassen.

Gott kann nicht gleichzeitig die Sünde gerecht bestrafen und die Sünde vergeben. (Darum hat er für das Entgegennehmen der Strafe Jesus geschickt und für die Entgegennahme der Vergebung uns ausgewählt.)

Und die Frage ist wieder nicht, ob Gott das theoretisch könnte. Er kann es praktisch nicht, weil völlig sinnloser Unsinn dabei herauskäme.Allmacht

Die erste Begrenzung der Allmacht Gottes ist also der Sinn. Gottes Handeln ist immer sinnvoll, und wenn etwas restlos sinnloses dabei herauskommen würde, ist Gott nicht dabei.

Ein absolut allmächtiger Gott könnte gleichzeitig Gott und nicht Gott sein. Theoretisch eine super Idee, praktisch kompletter Unsinn.

Begrenzung durch Gottes Wesen

Gott ist darüber definiert, dass er die Liebe ist. Das umfasst auch, dass Gott treu ist. Dass Gott keine Fehler macht. Dass Gott die Wahrheit sagt und die Wahrheit ist.

Folglich kann Gott nicht böse sein, nicht schlecht. Er kann nicht lügen und nicht betrügen.

Gott kann nicht gemein sein, hinterfotzig, hinterhältig, mies, fies, charakterlos, bösartig, boshaft, perfide, schäbig, alle diese Dinge. Gottes Allmacht wird durch sein eigenes Wesen begrenzt.

Ob Gott in einem anderen Universum gleichzeitig gut und böse sein kann, gleichzeitig liebevoll und hundsgemein sein kann, ist keine Frage, die in unserem Universum Relevanz hat und auch keine, die wir überhaupt beantworten können. In den Zusammenhängen, in die Gott uns gestellt hat, ist er nur Licht, nur Liebe, nur gut und nur die Wahrheit. So hat Gott sich uns vorgestellt, so hat er sich uns offenbart, und da man in unserem Universum nicht zwei sich ausschließende Alternativen gleichzeitig sein kann, kann Gott nicht gut und schlecht gleichzeitig sein.

Begrenzung durch sein Wort

Da Gottes Wort ewig ist und absolute Wahrheit ist, bindet es nicht nur uns, sondern es bindet auch Gott.

Darum kann Gott keine Sintflut mehr machen.

Die Frage ist wieder nicht, ob Gott theoretisch von irgendwoher genügend Wasser bekommen könnte. Sondern der Punkt ist, dass Gott gesagt hat, er wird keine Sintflut mehr machen, und an dieses sein Wort ist Gott gebunden.

Das muss auch so sein, denn sonst könnten wir uns auf sein Wort nicht verlassen. Wenn Gott sein eigenes Wort ungültig machen könnte, dann könnten wir unsere Bibeln wegwerfen. Sie wären dann völlig wertlos.

Darum ist die Frage, ob uns jemand von der Liebe Gottes trennen kann, keine Frage der Macht. Sondern es ist eine Frage der Selbstbegrenzung Gottes. Gott kann gewisse Menschen nicht fallen lassen, weil er sich verpflichtet hat, es nicht zu tun. Selbst wenn er wollte: Er könnte nicht.

Oder anders gesagt: Wenn Gott tatsächlich absolut allmächtig wäre, dann wäre er unberechenbar. Im negativen Sinn.

Zusammenfassung

Wenn die Bibel von Gott als Allmächtigem spricht, meint sie das nicht absolut, sondern relativ. Gottes Allmacht ist in der Bibel immer bezogen auf uns, und sie ist immer bedingt durch die Liebe.

Ob Gott irgendetwas kann, was mit uns nichts zu tun hat, oder ob er zu Dingen fähig ist, die nicht der Liebe entspringen, also vollständig lieblos sind, ist keine Frage, die wir beantworten können oder sollen. Diese Frage ist für uns auch völlig irrelevant.

Was Gottes Liebe zu uns angeht, da ist er allmächtig. Gottes Großzügigkeit uns gegenüber ist grenzenlos, und den Rand seiner Gnade werden wir vermutlich niemals zu Gesicht bekommen, und das Gute kann Gott tun bis weit über unsere Vorstellungskraft hinaus.

Auf die Killerphrase der Evangelikalen kann man also antworten: Nein, Gott kann nicht alles.

Und das ist auch gut so.

Ich bin sehr froh, dass Gott ein paar Möglichkeiten, welche der Teufel hat, nicht hat.

Oder soll man sagen: Wie schön, dass Gott so mächtig ist, dass er sogar seine eigene Allmacht begrenzen kann.