Arche Noah - ein kurzer Beitrag über den Sinn dieser Geschichte

Wie alle Texte, die die Zeit vor Abraham behandeln, ist auch der Text über die Arche Noah nicht als historischer Tatsachenbericht zu verstehen. Auf die vielen sachlichen Unmöglichkeiten wurde schon tausendfach hingewiesen, und ein Hinweis wie "Gott kann alles" hilft hier auch nicht weiter. (Auch wenn das ein beliebtes Totschlagsargument der Fundamentalisten ist, wenn sie keine Lust zum Nachdenken haben.)

 Die Geschichte über die Arche Noah ist selbstverständlich wahr, nur ist sie nicht historisch wahr, ist also kein Tatsachenbericht, sondern sie ist inhaltlich wahr. Es wird uns in dieser Geschichte ein hochkomplexer Zusammenhang auf eine Art und Weise beschrieben, dass wir ihn wenigstens ansatzweise begreifen können.

Die Erzählung von der Arche Noah ist nämlich die Einführungsgeschichte für die Themen "Gottes Gnade" und "Gottes Zorn". Einige kleinere Kostproben von Gottes Unmut hatten wir schon in den Kapiteln vorher, z.B. dass Gott die Menschen aus dem Paradies rauswarf oder dass er einen Fluch über Kain legte. Aber das waren kleine Einzelepisoden aufgrund persönlicher Verfehlungen von Individuen, daraus konnte man keine allgemeinen Erkenntnisse über den Zorn und die Gnade Gottes ziehen.

Am Anfang der Weltgeschichte und der Geschichte der Menschheit kommt hier als erstes nicht etwa ein Bericht über die sich steigernde Intelligenz des Menschen, nichts wird berichtet darüber, wie die Menschen lernten, Werkzeuge zu benutzen und wie der Fortschritt fort schritt, sondern es kommt sofort ein Bericht über die Bosheit der Menschen und über Gottes Reaktion darauf.

 Ja, manch einer hätte an dieser Stelle lieber einen Bericht über die Herrlichkeit des Menschen gelesen, über seine Intelligenz und seine Entwicklungsmöglichkeit, über die von Menschen geschaffenen Wunderwerke und die von Menschen erbrachten Leistungen. Aber mal ehrlich: Wenn es uns jetzt schon so viele Jahrtausende gibt, und wenn es dann auf unserer Welt immer noch so aussieht und so zugeht, wie es aktuell der Fall ist und wie es sich seit Jahrtausenden nicht geändert hat - dann ist an dieser Stelle ein Text darüber, wie Gott auf solche krassen Missstände reagiert, ja wohl doch angebrachter.

 Und so erfahren wir in der Geschichte von der Arche Noah, wie wenig Gott die Bosheit auf der Erde erträgt. Wie sehr Gott das hasst, was die Menschen den Menschen antun. Und wie wenig Gott gewillt ist, irgendwelche Entschuldigungen gelten zu lassen. Gottes Zorn über solche Zustände ist absolut, grenzenlos, erbarmungslos, ausnahmslos und vollkommen. Es gibt in diesem Punkt keine Kompromisse mit Gott, Gottes Weggucken ist auch nicht käuflich. Gott vernichtet in dieser Geschichte ausnahmslos alle, die das Böse, Gemeine, Ungerechte tun.

 Und diejenigen, die sich an dieser Stelle über die Brutalität Gottes beschweren und über seine Grausamkeit, alle Menschen elendig in der Flut ersaufen zu lassen, sind vermutlich genau die Selben, die sich an anderer Stelle darüber beklagen, dass Gott nichts gegen das Böse unternimmt.

 Und weil der Mensch und der Rest der Schöpfung so eng miteinander verbunden sind, treffen die Auswirkungen von Gottes Zorn auch den Rest der Schöpfung. Wie im 2.Schöpfungsbericht auf die Erschaffung des Menschen die Erschaffung der restlichen Welt folgt, so folgt auf die Vernichtung der Menschen auch die Vernichtung der Natur.

 Die Einführung der Gnade in die Weltgeschichte

 Tja, und dann gibt es eben doch die Ausnahme von diesem gewaltigen Zorn Gottes: Ein Mensch, dessen Qualität dadurch beschrieben wird, dass er "mit Gott lebte" (Genesis 6,9), wird von Gott vor dem Inferno bewahrt. Nein, eigentlich wäre es richtiger: Er wird von Gott durch das Inferno hindurch gerettet. Denn die Flut macht keine Ausnahme, sie steigt auch da, wo Noah ist. Die Auswirkungen des Zornes Gottes erleiden die Gläubigen auch. Sie werden nicht davor bewahrt. Aber sie werden durch den Sturm hindurch gerettet.

In dieser Grundsatzgeschichte über die Gnade erfahren wir aber auch, dass Gottes Gnade nur greifen kann, wenn der Mensch sich dafür entscheidet. Das Angebot Gottes steht, aber wenn Noah die Arche nicht baut, funktioniert es eben nicht. Die Gnade Gottes bedarf der Zustimmung des Menschen.

Und auch hier wieder: Die Erlösung des Menschen bringt die Erlösung für die gesamte Natur. Darum müssen die Tiere mit in die Arche, und Paulus liefert in Römer 8,21 die theoretische Erläuterung dazu.

 Zusammenfassung

 Die Geschichte der Arche Noah ist eine Art Fabel, die ganz am Anfang der Weltgeschichte die Einführung gibt in den Themenkomplex um Gottes Zorn und Gottes Gnade. Die Geschichte ist absolut grundlegend für unser Verständnis dieser Dinge.