Römerbrief, Kapitel 2

Nachdem am Ende des letzten Kapitels der Zorn Gottes über die Menschen hereinbrach, gibt es natürlich auch Menschen, die einen so hohen moralischen Standard haben, dass sie sich höher und besser fühlen als die im ersten Kapitel genannten schlechten Menschen.

Also müsste es doch eigentlich deutliche Unterschiede darin geben, wieviel vom Zorn Gottes die Menschen abbekommen: Die ethisch Gebildeten, die Weisheitslehrer, die moralischen Instanzen der Menschheit müssten doch weit besser wegkommen als irgendwelche „Wilden“ mit einer geringen moralischen Bildung.

Und so spricht Paulus in den Versen 1-3 jeden Menschen an, der über andere Menschen das Urteil spricht und weist darauf hin, dass besondere Weisheit zwar dazu dienen kann, die weniger Weisen zu belehren, aber vor allem dazu da ist, den eigenen Lebensstil zu vervollkommnen.

Und er zeigt in Vers 4-11, dass das Urteil Gottes einzig und allein vom tatsächlichen Lebensstil des Menschen abhängt und niemals von der Menge seiner Erkenntnis oder davon, in welchem Maß er Gott verstanden hat.

In den Versen 12-16 wird erklärt, dass es auch für Menschen, die nie etwas von Gott gehört haben, einen Maßstab gibt, nachdem Gott sie richten wird. Und das ist ihr Gewissen und ihre Erkenntnis, die das Gewissen prägt. Wenn diese Menschen gemäß ihrer Erkenntnis handeln, werden sie von Gott gelobt werden, ohne jemals eine Bibel gesehen zu haben.

Ab Vers 17 geht es dann um eine Menschengruppe, die ein besonders hohes Maß an Weisheit hatte. Die Juden waren in ihrer Gotteserkenntnis über alle anderen Menschen und Völker herausgehoben, einfach dadurch, dass Gott sich ihnen offenbart hatte. Damit wussten die Juden zwangsläufig mehr von Gott als alle anderen Menschen auf der Welt. Sie waren im Altertum tatsächlich privilegiert.

Und die Juden wären tatsächlich in der Lage gewesen, die Welt zu belehren, denn sie wussten etwas, das sonst kein Volk wusste. Das funktionierte allerdings nicht, denn die Juden belehrten zwar alle anderen, aber nicht sich selbst. Sie erklärten allen anderen die Regeln, hielten sich aber selbst nicht dran. Aber das Kriterium für Gottes Segen oder Fluch ist eben nicht Wissen, sondern Lebensführung.

Im Grunde genommen ist dieses zweite Kapitel die theoretische Erläuterung dessen, was Jesus in Mt 7,21-22 gesagt hat:

21 Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr, Herr!, wird in das Reich der Himmel hineinkommen, sondern wer den Willen meines Vaters tut, der in den Himmeln ist.
22 Viele werden an jenem Tage zu mir sagen: Herr, Herr! Haben wir nicht durch deinen Namen geweissagt und durch deinen Namen Dämonen ausgetrieben und durch deinen Namen viele Wunderwerke getan?
23 Und dann werde ich ihnen bekennen: Ich habe euch niemals gekannt. Weicht von mir, ihr Übeltäter!

Anwendung

Es ist zwar wahr, dass die Christen den Muslimen „überlegen“ sind, weil sie eine weitaus höhere, deutlichere und allgemein bessere Gotteserkenntnis haben. Aber ein Moslem, der das lebt, was er vom tatsächlichen Willen Gottes richtig erkannt hat (auch, wenn seine Erkenntnis mengenmäßig gering ist), hat von Gott ein besseres Urteil zu erwarten als der Christ, der alles weiß, was in der Bibel drinsteht, aber nur die Hälfte davon umsetzt.

Und das, was Paulus über die Beschneidung sagt, gilt heute für alle die "Christen", die kirchlich getauft sind und meinen, aufgrund dieser Tatsache kommen sie in den Himmel. Aber die Taufe ohne den Lebensstil ist nutzlos.