Römer 8,33 das tägliche Gericht

Natürlich kann man sich beschweren, dass die Bibel so brutale Bilder für das Leben verwendet.

Noch dazu in unserer Zeit, wo wir so human und empathisch und friedensbewegt sind, die Interessen der Tiere und des sich erwärmenden Planeten und der nachfolgenden Generationen so verständnisvoll berücksichtigen.

Die Bibel beschreibt das Leben ausführlich und immer wieder als Gericht, weil die Autoren der Bibel ein wenig klüger waren als unsere ach so aufgeklärten Zeitgenossen.

  • Jesus erzählt die Geschichte von der Witwe und dem ungerechten Richter
  • Mt 5,25 Komm deinem Gegner schnell entgegen, während du mit ihm auf dem Weg bist! Damit nicht etwa der Gegner dich dem Richter überliefert und der Richter dem Diener und du ins Gefängnis geworfen wirst.
  • Lk 16,1 Er sprach aber auch zu den Jüngern: Es war ein reicher Mann, der einen Verwalter hatte; und dieser wurde bei ihm angeklagt, als verschwende er seine Habe.
  • Das ganze Buch Hiob handelt davon, dass die Freunde Hiobs davon ausgehen, dass Gott den Hiob verurteilt hat, und Hiob das nicht glaubt.

Die Bibel versteht das Leben als eine endlose Reihe von Anklagen und Verteidigungen und Verurteilungen. Wenn wir auf die Bibel hören, dann sitzen angeblich alle über alle zu Gericht.

Angeklagt von der politisch korrekten Gesellschaft

  • Der Mensch kann queer und schwul und transgender und all das LGBT eigentlich nicht mehr hören. Es hat mit seinem Leben nichts zu tun, es erscheint ihm auch nicht wichtig genug im Vergleich mit so vielen anderen schwierigen Themen in der Welt. Nicht, dass der Mensch schwulenfeindlich oder gegen betroffene Menschen eingestellt ist – aber dass Anliegen einer zahlenmäßig recht kleinen Minderheit so dermaßen breit getreten werden, dafür fehlt ihm das Verständnis. Darf er aber nicht äußern, denn dann sitzt er auf der gesellschaftlichen Anklagebank. (Genaugenommen sitzt er auch schon dann auf der Anklagebank, wenn er es für sich behält. Darum sagt er ja seine Meinung nicht.)
  • Der Mensch mag kein Gemüse. Schon gar nicht solo. Als Beilage zum Fleisch oder in der Nudelsauce ist es gut, aber ansonsten ist ihm vegane Ernährung ein Graus. Dass für seinen Fleischgenuss Tiere gezüchtet werden und dass diese Art der Nahrungsmittelproduktion viele Ressourcen verbraucht, ist dem Menschen schon klar. Aber dass Verzicht hier die einzige Lösung sein soll, will ihm nicht einleuchten. Behält er aber für sich. Wegen der Anklage.Römer 8,33
  • Der Mensch kauft Aktien von Rüstungskonzernen, Tabakerzeugern, McDonalds und irgendwelchen Umweltverschmutzern. Schlicht, weil er sich eine Rente aufbauen muss. Behält er für sich. Wegen der Anklage, dass er mit solchen Firmen gemeinsame Sache macht. (Rüstungskonzerne sind allerdings seit dem Ukrainekrieg aus der Anklage rausgefallen, und Atomstrom ist plötzlich sauber und grün.)

Angeklagt durch Nahestehende

  • Der Mensch ist nicht Arzt geworden, wie seine Eltern das für ihn vorgesehen hatten, oder will den Familienbetrieb nicht übernehmen – oder auch andersherum: Der Mensch ist erfolgreicher, als seine Herkunftsfamilie es erlaubt und übertrumpft nun seine Eltern oder Großeltern, die ihn deswegen anklagen.
  • Der Ehepartner klagt, der Mensch sei schuld am Unglück des Ehepartners. Weil er so egoistisch und so wenig verständnisvoll sei. Das erwachsene Kind klagt an, es sei von den Eltern falsch behandelt worden und habe darum heute diese Probleme. Die Eltern klagen das erwachsene Kind an, dass es sich nicht genug kümmere.
  • Der Nachbar klagt den Menschen an, weil er sein Auto immer vorm Haus des Nachbarn parkt und ihm damit Lebensqualität nimmt. Oder dass der Baum des Menschen dem Nachbarn soviel Arbeit mache. Die Musik des Menschen ihm die Ruhe zerstöre oder der Geruch seines Grills unzumutbar sei.

Angeklagt durch Erfolgreiche

  • Der Mensch sieht im Fernsehen oder sonstwo Dokumentationen über erfolgreiche Menschen wie Elon Musk und Steve Jobs, über die Chefs von BioNTech oder über Lang Lang. Es ist Anklage genug, dass der Mensch auf dem Sofa sitzt und solche Filme anschaut und nicht derjenige ist, über den Filme gedreht werden.
  • Der Nachbar fährt mit einem Porsche vor, der Kollege wird befördert, und Onkel Hubert verdient im Monat soviel wie der Mensch im Jahr. Von allen Seiten wird der Mensch angeklagt, dass er nicht besser ist. Dass er es nicht geschafft hat, obwohl es ja geht, wie die anderen zeigen.
  • Die anderen laden Fotos und Videos hoch auf Instagramm oder Facebook, und diese Bilder klagen den Menschen an, dass die anderen so ein schönes Leben haben und es hinbekommen und die richtige Wahl beim Urlaub treffen und beim Lebenspartner, während er selbst immer mit seiner Angst und seinen Sorgen zu kämpfen hat und niemals sagen könnte, dass sein Leben schön ist.

Selbstanklage

Die Folge davon ist, dass der Mensch sich selbst anklagt. In vielen Fällen macht er sich die Anklagen der anderen zu eigen.

  • Er klagt sich an, sich nicht genug um den Ehepartner gekümmert zu haben, weil der das ja schließlich sagt.
  • Er klagt sich an, sich nicht richtig zu ernähren, weil die anderen das ja so sagen.
  • Er klagt sich an, weil er den Flüchtlingen nicht hilft. Schließlich landen die ja mit jeder Zeitung und mit jeder Nachrichtensendung in seiner Wohnung. Und er tut nichts!
  • Am Ende klagt der Mensch sich an, dass er seinen eigenen Ansprüchen nicht genügt – die Gesellschaft hat ihm ja oft genug gesagt, dass er nicht gut genug ist – und einer Anklage von Gott sieht der Mensch auch entgegen, denn er genügt auch Gottes Ansprüchen nicht.

Anklagen zwischen Gruppen

Die westlichen Staaten klagen Russland an, dass es die Ukraine überfallen hat. Russland klagt die Ukraine an, es habe faschistische Tendenzen. Die Ukraine klagt den Westen an, er liefere zu wenig Waffen. Russland klagt den Westen an, weil er die Nato so weit nach Osten erweitert. Der Westen klagt die Ukraine an wegen der allgegenwärtigen Korruption.

Des Menschen Doppelrolle

Jeder Mensch ist gleichzeitig Kläger und Beklagter. Er klagt an, was die anderen sein lassen sollen, und er klagt an, um sich vielleicht von einigen Anklagen der anderen befreien zu können.

Der Mensch ist also sein ganzes Leben lang Ankläger und Angeklagter. In gewisser Hinsicht kann man sagen, dass so das soziale Gleichgewicht in der menschlichen Gesellschaft aufrecht erhalten wird. Man weist Schuld von sich und sucht Schuld bei anderen.

Wenn die Bibel das Leben immer wieder als einen Gerichtsprozess beschreibt, hat sie das schon richtig verstanden.

Der einzige wahre Ankläger

RömerbriefAlle bisher genannten Anklagen sind einigermaßen relativ. Teilweise sind sie nur vorübergehend gültig. Wer weiß, welche Stimmen in 20 Jahren das Geschrei der Gemüsemafia oder der queeren Aktivisten übernommen haben.

Teilweise beruhen die Anklagen nur auf beliebigen Vergleichen. Irgendwer vergleicht mich mit irgendwem, aber man könnte mich auch mit irgendwem anders vergleichen.

Manchmal entstehen Anklagen nur daraus, dass wir uns einen Wert haben vorschreiben lassen, der eigentlich nicht unser ureigenster Wert war. Andere Leute erklären ihre Werte für uns für verbindlich.

In Gott haben die Menschen einen absoluten Ankläger.

Gottes Maßstäbe unter liegen keinem Zeitgeist und keine Mode.

Gottes Maßstäbe entstehen auch nur aus einem Vergleich zwischen Gott und mir. Da ist niemand anderer beteiligt. Gottes Maßstäbe für mein Leben bleiben bestehen, egal wie gut oder schlecht meine Umgebung ist. Ich kann mich also nicht damit entschuldigen, dass alle um mich herum ja auch nicht besser sind.

Während es für viele andere Anklagen kein absolutes Recht gibt, geht von Gott absolutes Recht aus.

Gott ist somit der ranghöchste Ankläger. Gott ist der Generalbundesanwalt der Welt.

Er lässt fallen

Wenn nun der höchste Ankläger seine Anklage gegen den Menschen fallen lässt, oder eben, wie wir zu sagen pflegen, dem Menschen vergibt, dann können alle anderen Ankläger natürlich den Mund zumachen.

Ein höchstinstanzlicher Freispruch erklärt alle Anklagen unterer Instanzen für wirkungslos.

Ein höchstinstanzlicher Freispruch ist ein absoluter Freispruch.

Die Freiheit von Gottes Anklage wäre die Freiheit von jedweder Anklage. Darum sagen wir so allgemein, dass Gott alle unsere Schulden vergibt. Die absoluten und die relativen. Die eingebildeten und die tatsächlichen. Röm 8,33

33 Wer wird gegen Gottes Auserwählte Anklage erheben? Gott ist es, der rechtfertigt.

Wenn jemand nicht will

Wer sich nicht freisprechen lassen will, gegen den bleiben die Anklagen des höchsten Anklägers bestehen.

Somit ist das Schlimmste, was der Mensch tun kann, nicht die Ermordung des amerikanischen Präsidenten, sondern die Ablehnung des Freispruchs durch Gott.

Denn von der Ablehnung des Freispruchs kann man nicht freigesprochen werden. Weil man es ja ablehnt.

Die Ablehnung des Freispruchs ist eine nicht vergebbare Sünde.

Und sie führt dazu, dass alle anderen Anklagen und Gerichtsverfahren gegen den Menschen gültig bleiben.

Kein Wunder, dass manch einer dann verrückt wird oder zum Alkohol greift.