Philipper 2,17 – Huch, er stirbt!

Nein, tut er nicht.

Auch wenn ich in einem anderen Artikel zu diesem Vers geschrieben habe, dass Paulus mit diesem „Trankopfer“ auf seinen zu erwartenden Märtyrertod anspricht.

Ich widerspreche mir hiermit also selber.

Aber es kann halt passieren, dass man durch gründlicheres Lesen und längeres Nachdenken klüger wird.

Noch dazu, wo Gott mir wochenlang mit diesem Vers auf die Nerven ging, weil er mir unbedingt etwas sagen wollte.

Was ich nicht hören wollte.

Was ich auch nicht zu hören brauchte. Wenn jemand so gut und so gläubig ist wie ich, was braucht so jemand noch Mitteilungen von Gott?

Außer Applaus natürlich. Applaus ist immer gut.

Erster Grund, warum er nicht stirbt

Wenn man das Trankopfer in dieser Bildsprache des Paulus als das Vergießen seines Blutes betrachtet, wenn ihm der Kopf abgeschlagen wird, dann muss natürlich auch das Opfer des Glaubens der Philipper nach der Opferung irgendwie kaputt sein. Wenn das Bild sagt, dass wir etwas opfern, und hinterher ist es für uns nicht mehr brauchbar, dann muss dieses Bild natürlich auf beide Teile des Bildes angewendet werden.

Da aber der Glaube der Philipper nicht geopfert wird, und dann haben sie keinen mehr, darum wird auch das Leben des Paulus hier nicht geopfert, und hinterher hat er keins mehr.

Zweiter Grund, warum er nicht stirbt

In dem ganzen Abschnitt geht es überhaupt nicht um die Zukunft des Paulus.

Sondern es geht darum, dass der Glaube der Philipper in Gefahr ist, weil sie zu gut sind und sich für zu gut halten.

Sie brauchen Gott nicht mehr, sie können das mittlerweile selber. (Weswegen Paulus in Vers 13 darauf hinweist, wer eigentlich den Glauben in ihnen bewirkt.)

Sie brauchen auch den Gehorsam nicht mehr oder ein heiliges Verhalten. (Weswegen Paulus ihnen Vers 14-16 geschrieben hat.)

Und den Paulus und seine Briefe brauchen Sie eigentlich auch nicht mehr. Im Gegenteil: Er braucht sie, denn er sitzt im Gefängnis und braucht ihr Geld.

Woraufhin Paulus ihnen nun schreibt, dass er sicher nicht so wichtig ist wie sie, aber offenbar doch benötigt wird, um das Glauben der Philipper (der ja vorhanden ist) so zu veredeln, dass er vor Gott angenehm ist (und nicht nur vor den Philippern).

Aber es geht nicht darum, dass das Letzte, was Paulus nun für die Philipper tun kann, seine Hinrichtung ist.

Dritter Grund, warum er nicht stirbt

Vers 18 sagt, dass die Philipper sich freuen sollen. Über diese Sache mit dem Trankopfer.

Nun sind wir aus der Bibel und von Paulus ja einiges an Sonderbarem gewöhnt, aber dass man sich über eine anstehende Hinrichtung so ausdrücklich und nachhaltig freuen soll, ist dann vielleicht doch etwas zuviel des Guten.

Außerdem rechnet Paulus in 1,25 und 2,24 damit, dass er den Philippern erhalten bleibt. Weil sie ihn noch brauchen. Da wäre es sehr seltsam, wenn er jetzt schnell mal zwischendurch mit seiner Hinrichtung rechnet.

Die Beachtlichkeit

Das Beachtliche an diesem Vers mit dem Trankopfer (und an dem ganzen Brief) ist ja, wie sehr Paulus sich um den Glauben der Philipper dreht.

Wie sehr er diese Leute zum Mittelpunkt seines Denkens und Schreibens macht.

Vernünftiger wäre es ja gewesen, wenn er sich um seinen Ruf gekümmert hätte.

Um sein Vermächtnis.

Denn wenn die Gemeinde in Philippi letztlich vor die Hunde geht, weil man jetzt ohne Gott und Bibel auskam, dann würden sich bestimmt Leute finden, die sagen würden: „Jaja, dem Paulus seine Gemeindegründungen. So nachhaltig. So tiefgehend. So gründlich!“

Und wenn Gott das sehen würde! Man kann die Stimme Gottes ja schon hören: „Paulus, du hattest einen Auftrag.“

Und wenn Paulus dann auch noch vor sich selbst eingestehen müsste, dass dieses Bild von Gemeinde, das er hatte, irgendwie nicht funktioniert hat. Dass sein Bild also falsch war, oder dass er es versiebt hat. Und wer schlägt sich schon gerne mit seinem eigenen inneren Kritiker rum?

Der Prediger. Oder Pastor. Oder so.

Das ist dann auch das Problem eines jeden Pastors in einer freikirchlichen Gemeinde heute.

Wie sieht das aus, wenn die Gemeinde während seiner Amtszeit nicht größer, besser, geistlicher wird?

Das ist natürlich auch das Problem jedes Fußballtrainers, wenn seine Mannschaft absteigt. Aber im Fußball ist man es gewohnt, dass es rauf und runter geht.

Mit einem ordentlichen Pastor kann es aber nur nach oben gehen. Da gibt es doch so viele Verheißungen in der Bibel.

Und wer gibt einem Pastor eine neue Anstellung, wenn er seine vorige Gemeinde in den Sand gesetzt hat?

So kommt es, dass „die Gemeinde“ in den Augen der Hauptamtlichen zur wichtigsten Sache wird, und die Gemeindeglieder haben gefälligst die entsprechenden Leistungen zu erbringen, um den Zustand der Gemeinde zu verbessern. Die Performance wird wichtig, die Mitgliederzahlen, die Spendenhöhe, die Teilnahme, die Anwesenheit, die Liste der grandiosen Aktivitäten.

Es dauert nicht lange, und diese Dinge müssen dann irgendwie aus dem Nichts kommen.

Dass da kein Fundament drunter ist.

Dass der Grund die Notwendigkeit des Grundes ist.

Am Ende muss dann eigentlich alles dem Pastor dienen. Und seiner Idee. Seiner Karriere. Seinem Ruf.

Nein, das sagt man nicht so. Man sagt, das müsse alles Gott dienen, selbstverständlich. Weil der Pastor sich oft auch nicht richtig bewusst ist, dass er im Grunde einen Kampf gegen die Gemeinde kämpft, die sich weigert, so gut zu sein, wie es für den Ruf des Pastors hilfreich wäre.

Der Einzelne

Natürlich hat auch Paulus keine Lust, umsonst und vergebens zu arbeiten. Sagt er ja auch in Vers 16.

Aber letztlich ist die Gemeinde kein Ding an sich. Man kann sie nicht als separaten Posten verwalten.

Die Gemeinde besteht aus den Gläubigen, und der Zustand der einzelnen Gläubigen bestimmt den Zustand der Gemeinde.

Und Paulus macht es richtig, wenn er sich in 2.Kor 1,24 als „Gehilfe eurer Freude“ oder (in der Elberfelder) als „Mitarbeiter an eurer Freude“ beschreibt. Und sich hier im Philipperbrief als das Trankopfer beschreibt, das den Glauben der Philipper besser macht.

Denn letztlich soll der Pastor dem Einzelnen dienen und nicht umgekehrt.

Nur wenn der Glaube der Gemeindeglieder stärker wird, wird auch die Gemeinde in ihrer Gesamtheit stärker. Und „stärker“ meint: Dass sie dem Bösen besser widerstehen kann. Nicht, dass sie öfter in der Zeitung erwähnt oder vom Oberbürgermeister besucht wird.

Es ist also wie so oft bei Gott und in der Bibel: Der Fokus liegt auf dem Anderen. (Also nicht auf mir.)

Ist blöd, ja. Aber wahr.

Im übrigen ist auch niemandem geholfen, wenn es dem Pastor gut geht, aber den Gläubigen eher elend.

Noch nichtmal Gott hat etwas davon. Der hat aus diesem Anlass mal so Bildergeschichten erzählt von Hirten, die die Schafherde nur zu ihrem eigenen Vorteil benutzen. Und das hat damals ja auch ganz harmlos angefangen und war von den edelsten Motiven getragen. Aber am Ende war das eigene Hemd einem näher als des anderen Jacke. Und die Schafe waren nur noch dafür da, damit es den Hirten gut ging. (Richtig wäre andersrum.)