Philipper 2,5 – Gesinnungskontrolle

Es bietet sich ja an.

Über diesen Abschnitt des Philipperbriefes etwas Erbauliches und mindestens Mittelemotionales zu schreiben.

Ist ja auch zu schön, diese Passage.

Im Grunde teilen die schönen Worte uns aber nur mit, was in Matthäus 6,33 ohnehin schon stand:

33 Trachtet aber zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit! Und dies alles wird euch hinzugefügt werden.

Denn das ist, was Jesus gemacht hat: Er hat das Reich Gottes an erste Stelle gestellt.

Oder anders gesagt: Er hat Gottes Interessen an erste Stelle gestellt.

Nur ein Beispiel

Vermutlich ist das, was uns in den ersten 4 Versen des 2.Kapitels des Philipperbriefes beschrieben wird, nur ein Beispiel.

Es zeigt, wie man diese Haltung innerhalb der Gemeinde umsetzt.

Wobei das Beispiel natürlich blöde ist.

Denn wenn wir uns in der Gemeinde fetzen, dann geht es nicht um „Ruhmsucht“ oder „Eigennutz“.

Sondern es geht um die Wahrheit! Und um nicht weniger!

Und wenn dann einer in unserer Gemeinde ist (oder sogar mehrere; Gott bewahre!), der eine falsche Auffassung vom Tausendjährigen Reich verkündet, dann muss man diesen Irrlehrern doch wehren!

Oder irgendwelche gottlosen Pseudochristen, die behaupten, die Welt sei überhaupt nicht in 7 Tagen zu 24 Stunden geschaffen worden, sondern die Schöpfungsgeschichten (ja, es gibt zwei) seien Literatur – erfunden von jeweils einem Schriftsteller, der damit eine Aussage über Gott machen wollte.

Mit solchen Leuten können wir doch nicht in einer Gemeinde sein! Die verwerfen das überlieferte Gotteswort! Da müssen wir doch den Streit und die Trennung suchen! Wegen der Wahrheit!

Nun, man muss natürlich nicht.

Aber welch eine Demütigung, wenn neben meiner richtigen und fehlerfreien Auslegung der Bibel noch eine weitere Auslegung gleichberechtigt stehen kann!

Dann ist meine Auslegung ja nur noch eine von mehreren Möglichkeiten!

Dann könnte also – rein theoretisch – meine Auslegung auch falsch sein!

Und wenn die anderen Gemeindeglieder das mitbekommen, dass ich möglicherweise nicht Recht habe, wie stehe ich denn dann da! Da verliere ich doch mein Gesicht!

Nein, mit „Ruhmsucht“ oder „Eigennutz“ haben die Streitereien in unserer Gemeinde nicht zu tun. Es geht einzig um die Wahrheit zur Ehre Gottes!

Wobei natürlich …

Philipper zwei sagt ja eigentlich, dass es der Ehre Gottes keineswegs schadet, wenn wir den anderen mit seiner Meinung stehen lassen.

Jenseits des Beispiels

Paulus kam hier in Philipper 2 vom Kleinen aufs Große, vom Einzelnen aufs Allgemeine.

Das Kleine und Einzelne war, dass man sich in der Gemeinde nicht einig war. Dass man den anderen mit seiner anderen Meinung nicht achtete. (Oder mit seinem anderen Lebensstil, oder seiner anderen Bildung, oder seiner anderen Herkunft …).

Von dort kam Paulus auf das Große, dass Jesus auf die Position, die ihn definierte und die sehr hoch war, verzichten konnte, und sich nun anders definierte und auf seine hohen Privilegien verzichtete.

Denn das macht die Sache ja so schwer: Wenn ich mich nicht gegen den anderen durchsetze (obwohl ich es könnte), verzichte ich auf meine Definition als Sieger.

Wenn ich dem anderen seine Meinung lasse, verzichte ich auf meine Position als Bibellehrer oder Theologe oder der Klügere.

Ich verändere mein Selbstverständnis. Meine Definition.

Ich stelle den anderen als gleichwertig neben mich. Obwohl er so dumm ist.

Oder, wie Jesus es gemacht hat: Er stellte sich als gleichwertig neben den Menschen, obwohl der Mensch ein Sünder und unvollkommen und meistens ahnungslos ist.

Alles schon dagewesen

Natürlich stand genau dieses auch schon in den Evangelien. Wobei fraglich ist, ob die Philipper schon irgendein Evangelium kannten. Aber dort steht mehrfach Matthäus 10,39

39 Wer sein Leben findet, wird es verlieren, und wer sein Leben verliert um meinetwillen, wird es finden.

Was man dann finden wird, ist ja vermutlich etwas Größeres, als man vorher hatte.

Denn das, was man vorher hatte, das verliert man ja eigentlich nicht.

Wenn ich vorher rechthaberisch war, dann steht es mir für den Rest meines Lebens offen, wieder rechthaberisch zu werden. Ich verliere diese Fähigkeit nicht.

Aber wenn ich will, dass in der Gemeinde Einheit herrscht, werde ich mein neues Leben leben, welches auch andere Bibelauslegungen toleriert und sich nicht aufregt, wenn Lieder gesungen werden, die gar nicht meinem Stil entsprechen.

Und wenn es gut geht, gewinne ich dazu.

Nicht nur den neuen Stil, den ich mir vielleicht erstmal mühsam angewöhnen muss. Sondern vielleicht tatsächlich eine zweite Meinung.

Eine zweite Möglichkeit, mich richtig zu verhalten.

Eine zweite Art, zu denken.

Erweiterte Ansichten.

Möglicherweise hat das alles etwas mit Freiheit zu tun. Dass ich nicht mehr an meine althergebrachten Denkmuster gebunden bin. Die mich schon allein deshalb knechten konnten, weil ich keine Alternativen hatte.

Und vielleicht eröffnet es sogar die Möglichkeit, etwas Neues mit dem unbegrenzten unendlichen Gott zu erleben. Weil ich neben meinem eigenen Gottesbild ein zweites zulasse. Vielleicht ist Einheit wichtiger als Wahrheit, weil die Wahrheit über Gott ohnehin größer ist, als ich sie erkennen kann.

Butter bei die Fische

Aber wenn wir nun unser Leben neu definieren, dann ist das natürlich nicht auf das eine Beispiel beschränkt, das Paulus hier genannt hat, also die Uneinigkeit in der Gemeinde.

Dass Jesus sein Leben neu definiert hat (nämlich als Mensch unter Menschen), hatte ja mit der Einheit in der Gemeinde gar nichts zu tun. Folglich lässt sich also das Neudefinieren des Lebens auf jede Menge Bereiche anwenden, in denen Jesus eine Veränderung bringen kann und will.

Definieren Sie doch Ihr Leben einfach mal als „sicher“. Sie sind sicher. Nicht: Sie fühlen sich sicher. Sie sind es. Jesus hat sich auch nicht als Mensch gefühlt, sondern er war es. Lesen Sie Psalm 56 oder Psalm 118.

Definieren Sie sich als „geduldig“. Nicht: Verhalten Sie sich geduldig. Jesus hat sich nicht als Mensch verhalten, sondern er war es.

Wenn Sie sich bisher als jemand definiert haben, der die ganze Welt gegen sich hat, dann ändern Sie diese Definition. Seit Jesus ist der Fluch, der die Gegnerschaft zwischen Welt und Mensch begründet, aufgehoben. Zumindest für die Gläubigen. Alles muss zu Ihrem Besten dienen.

Wider die Gesetzlichkeit

In gesetzlichen Gemeinden (Entschuldigung: Solche Gemeinden gibt es natürlich überhaupt nicht. Solche Gemeinden sind „bibeltreu“, aber niemals gesetzlich) wird man aufgefordert, auf eine bestimmte Art zu denken oder auf eine bestimmte Art zu handeln.

In Wahrheit sollten Sie aber seit der Taufe eine neue Schöpfung sein, eine neue Kreatur. Und damit auch befähigt zu einer neuen Definition Ihrer Persönlichkeit, und nicht nur zu auswendig gelernten anderem Verhalten oder anderem Denken. Sie sollen den Zehnten nicht geben, weil dieses Verhalten richtig ist, sondern aufgrund Ihrer neuen Definition als Kind eines unendlich reichen Gottes. Oder wie Paulus sagte (2.Kor 9,7): Nicht mit Verdruss oder aus Zwang, denn einen fröhlichen Geber hat Gott lieb.

Ändern Sie also nicht Ihr Verhalten, sondern ändern Sie Ihre Definition. Das Verhalten wird dieser Änderung automatisch folgen.

Das ist, was der Anfang von Philipper 2 sagt: Jesus hat seine Definition geändert, damit Sie ebenfalls Ihre Definition ändern können.