2.Timotheus 4,8 die Goldmedaille im Freisein

Wenn man bei den olympischen Spielen heutzutage eine Goldmedaille bekommt, dann weißt man, warum.

Für eine Leistung, und zwar für die beste Leistung.

Man ist am weitesten gesprungen.

Früher, als Paulus aktiv war, gab es keinen goldenen Taler an buntem Band, sondern einen Siegeskranz.

Folglich sagt Paulus hier nicht, dass er eine Goldmedaille bekommt, sondern einen Siegeskranz.

Der olympische Gedanke ist aber der gleiche.

Dummerweise ist der Siegeskranz des Paulus kein Siegeskranz in missionarischer Leistung. Für die meisten Bekehrungen.

Es ist auch kein Siegeskranz in Demut. Für die größte Unterwürfigkeit.

Sondern es ist der Siegeskranz der Gerechtigkeit.

Der aber nichts über eine Leistung aussagt. Es ist nicht so, dass Paulus so unglaublich gerecht war und immer die Steuern bezahlt hat und alle Menschen gerecht beurteilt und behandelt hat.

Oder dass er, im Rahmen der Befreiungstheologie, sich gegen die ungerechte Behandlung der Armen und Ausgebeuteten eingesetzt hat.

Der Siegeskranz sagt überhaupt nichts darüber aus, was der Paulus gemacht hat. Oder wieviel.

Sondern der Siegeskranz bescheinigt, dass Paulus sich die ganze Zeit innerhalb der Gerechtigkeit bewegt hat, die Gott anerkennt.

Das ist die gleiche Gerechtigkeit, die auch in der Bergpredigt als zentral gepriesen wird: Matthäus 6,33

33 Trachtet aber zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit!

Diese Gerechtigkeit besteht allerdings aus nichts anderem als aus Freispruch.

Und dieser Freispruch geschieht nicht aufgrund vorbildlichem Handelns oder wegen bewiesener Unschuld, sondern aufgrund der Zugehörigkeit zu Gott.

Wer zu Gott gehören will, muss aufgrund der Leistungen des Christus freigesprochen werden, weil er sonst nicht zu Gott gehören kann.

Und wenn man jetzt den Siegeskranz der Gerechtigkeit bekommt, dann deshalb, weil man sich die ganze Zeit wie ein Freigesprochener verhalten hat.

Man hat gedacht wie Erlöster, und man hat gehandelt wie ein Erlöster.

Man hat als Freier gehandelt und nicht als Sklave.

Als jemand, der selber entscheidet, und nicht als einer, über den entschieden wird.

Man hat gehandelt als jemand, der selber geht und nicht als einer, der getrieben wird: von der Angst, vom Geld, vom Neid, vom Unbewussten, von Aggression.

Nicht „Gehorsam“ oder die Menge an Gehorsam ist entscheidend, denn die Gebote des neuen Testamentes (und die meisten des alten auch) dienen nur dazu, dem Menschen die Möglichkeiten der Freiheit sichtbar zu machen.

Auch ansonsten ist die Menge der Werke nicht maßgebend.

Sondern maßgebend ist, ob man das, was man getan hat, als freier Mensch getan hat, und ob man das, was man gelassen hat, als Erlöster gelassen hat.

Denn wer die Freiheit ganz weit nach oben setzt, der nimmt Gott ernst.

Gott ist nämlich das freieste Wesen, das denkbar ist, und er hat den Menschen dazu bestimmt, ihm ähnlich zu sein.

Wer also den Siegeskranz der Gerechtigkeit bekommt, hat vorher bewiesen, dass er sowohl im Denken als auch im Handeln die Wahl hatte.

Oder anders gesagt: Er hat gezeigt, dass er Gott, dem freiesten von allen, ziemlich ähnlich und ziemlich nah ist.

Letztlich könnten Sie natürlich auch das sagen, was Paulus hier sagt: „Ich habe den Glauben gehalten.“ Ich habe so gelebt, wie man lebt, wenn einem alles vergeben ist und wenn man deshalb kompatibel zu Gott geworden ist.