2.Korinther 4,8-10 – Etikettenschwindel

Da sind Sie ja wieder, Sie Opfer!

Nicht wahr: Das Leben ist ungerecht, und das besonders zu Ihnen.

Und der Zustand Ihres Lebens geht eigentlich nur darauf zurück, dass die Menschen und die Institutionen Sie ungerecht behandeln.

Und dass wir so schlecht regiert werden! Das kommt noch dazu!

Auch Paulus hatte es ja mit Menschen und Systemen zu tun, die keineswegs die Absicht hatten, ihn gerecht zu behandeln. Sein Kommentar dazu lautet so: 2.Kor 4,8-10

8 In allem sind wir bedrängt, aber nicht erdrückt; keinen Ausweg sehend, aber nicht ohne Ausweg; 

9 verfolgt, aber nicht verlassen; niedergeworfen, aber nicht vernichtet; 

10 allezeit das Sterben Jesu am Leib umhertragend, damit auch das Leben Jesu an unserem Leibe offenbar werde. 

Da kommt man schon auf die Idee: Der Paulus ist defekt. Zentrale Komponenten des Betriebssystems sind kaputt.

Denn er hat ein schlechtes Erlebnis (bedrängt; keinen Ausweg sehend; verfolgt; niedergeworfen), zieht daraus aber eine gute Erfahrung und deutet die ganze Gemengelage  positiv.

In einer Gesellschaft, in welcher jeder durch alles traumatisiert wird und in der es scheinen will, dass Psychologen, Seelsorger und Therapeuten ein unbedingtes Muss sind, um die Wechselfälle des Lebens überstehen zu können, gilt so eine Aussage von Paulus natürlich als krank.

Und wehe, man sagt, dass eigentlich diejenigen krank sind, die ständig überall Traumata entdecken!

Selbst psychologisch ist es nicht zwingend, dass aus einem schlechten Erlebnis auch eine schlechte Erfahrung resultiert. Völlig gottlose Menschen wie Viktor Frankl haben uns das gezeigt. Und die modernen Coaches erzählen uns ständig, dass es auf das Etikett ankommt, welches wir auf das Erlebnis kleben. Der Etikett ist unsere Deutung des Ereignisses. Die Erfolgscoaches behaupten, wir seien nicht gezwungen, auf ein schlechtes Erlebnis auch ein schlechtes Etikett zu kleben. Wir sind frei darin, wie wir ein schlechtes Ereignis deuten.

Die zwei Menschen

In Vers 16 kann man sehen, dass Paulus seine Existenz aufteilt in den inneren und den äußeren Menschen.

Der äußere Mensch handelt, agiert, reagiert, der innere Mensch interpretiert.

Der äußere Mensch hat Erlebnisse, der innere Mensch macht Erfahrungen.

Natürlich wussten wir das irgendwie schon. Denn wir erleben das ja selber, dass zwei Menschen das gleiche Erlebnis erleben, aber völlig andere Erfahrungen daraus ziehen.

Und obwohl wir das wissen, dürfen Sie in der heutigen Gesellschaft so etwas nicht laut sagen.

Wenn Sie nämlich behaupten, dass es überhaupt nicht zwangsläufig ist, dass schlechte Erlebnisse automatisch zu schlechten Erfahrungen führen, sondern dass der Mensch die Wahl hat, wie er ein Erlebnis interpretiert, dann treten Sie damit die Opfer von Verbrechen, von Kriegen und Wirtschaftskrisen mit den Füßen! Pfui, schämen Sie sich was, Sie hartherziger und unbarmherziger Mensch! Sie haben keine Empathie, kein Einfühlungsvermögen, kein Mitgefühl! Die Opfer sind gezwungenermaßen Opfer!

Paulus stellt die Emanzipation der Erfahrungen von den Erlebnissen aber als für Christen selbstverständlich dar.

Denn er sagt in Vers 10: Wie soll der Sieg Jesu denn sichtbar werden wenn nicht in dem Moment, wo wir angegriffen werden? Wo wir also schlechte Erlebnisse haben.

Der Sieg Christi kann doch nicht an uns sichtbar werden, wenn wir auf dem Sofa sitzen und Chips essen!

Was nicht geht

Paulus hat schon im Römerbrief darauf hingewiesen, dass der Christ nicht verlieren kann, wenn Christus gesiegt hat.

Wenn Gott für uns ist, kann nichts und niemand erfolgreich gegen uns sein.

Auch nicht das Schicksal oder das Karma oder der Teufel.

Damit kann uns aber auch nichts schaden. Zumindest nicht unserem inneren Menschen.

Und alle Erlebnisse, die wir haben, müssen zu einer Erfahrung des Sieges Christi werden. Und nicht zur Erfahrung einer Niederlage, des Untergangs, des Verlierens.

Das Leben kann mich nicht verderben, und es darf mich nicht verderben. Das Leben kann mich nicht mürbe machen. Meine Erfahrungen gehen nicht mehr synchron mit meinen Erlebnissen, sondern meine Erfahrungen haben sich von meinen Erlebnissen emanzipiert.

Der alte Hut

Selbstverständlich ist das alles nicht neu. Schon irgendwann um 1800 v.Chr. sagte Josef: 1.Mose 50,20

20 Ihr zwar, ihr hattet Böses gegen mich beabsichtigt; Gott <aber> hatte beabsichtigt, es zum Guten <zu wenden>, damit er tue, wie es an diesem Tag ist, ein großes Volk am Leben zu erhalten.

Auch viele Psalmen fangen mit dem Bericht über ungerechte Erlebnisse an, sie enden dann aber mit einer Sicht von Gottes Handeln. Am Ende dieser Psalmen steht nicht zwangsläufig der Sieg des äußeren Menschen über die Ungerechten, aber es steht dort immer ein Sieg Gottes über die Opfermentalität.

Und Hiob sagt am Ende der langen Geschichte, dass er durch die schweren Erlebnisse Gott gesehen hat, den er bis dato nur vom Hörensagen kannte.

Überwinder

Es gibt seit Jahrtausenden die Diskussion, ob die negativen Erlebnisse, die wir machen, von Gott ausgehen, vom Teufel oder einfach nur Zufall sind.

In der Regel können wir diese Frage nicht beantworten. Wir können nicht wissen, welche Quelle hinter dem einzelnen schlechten Erlebnis steht.

Ziemlich eindeutig ist aber unser Auftrag, Überwinder zu sein. Völlig unabhängig vom Verursacher des schlechten Erlebnisses.

Und der Auftrag ist uns deshalb gegeben, weil er möglich ist. Wenn wir uns den Sieg Jesu zu eigen machen, muss zwangsläufig alles, was uns begegnet, zu unserem Vorteil sein. Denn wäre es zu unserem Nachteil, hätten wir ja nicht gewonnen.

Sorgen sie also dafür, dass Sie für Ihre Erlebnisse einen alternativen Deutungsrahmen bekommen. Befreien Sie sich aus der Zwangsläufigkeit, mit der schlechte Erlebnisse zu schlechten Erfahrungen führen.

Die Zwangsläufigkeit ist seit der Auferstehung Jesu schlicht falsch.