1.Korinther 10,4 der steinerne Christus

Da hat Paulus den theologischen Streithähnen wieder einmal eine Steilvorlage geliefert.

Indem er nämlich behauptete, dass der Fels, der zur Zeit des Mose zweimal auf übernatürliche Weise Wasser gab (und zwar vermutlich nicht wenig), dass dieser Fels der Christus war, der damals schon das Volk Israel mit dem lebensnotwendigen versorgte und zu diesem Behufe immer mit dem Volk mitzog.

Womit sich nun die die theologischen Rechthaber über die Präexistenz Jesu streiten können.

Was natürlich Unfug ist. Und zwar aus folgenden Gründen:

1. Eine Randbemerkung

Paulus macht die Bemerkung mit dem Felsen nur nebenbei, um den Korinthern ihre Position zu erläutern. Er will keine Lehrmeinung äußern und auch nicht die Lehre von der Präexistenz fördern oder untermauern. Er will den Korinthern erläutern, dass die Israeliten letztlich die gleichen Voraussetzungen hatten wie die Korinther. Diese Voraussetzungen hatten den Israeliten im Falle der Missachtung Gottes nicht geholfen, und somit wird die Gnade des Christus auch den Korinthern in einem solchen Fall nicht helfen.

2. wenig biblische Grundlage

Das Beispiel mit dem Felsen, der die Israeliten begleitete, stammt größtenteils aus einer Sage. Die Bibel selbst kennt nur zwei einzelne Ereignisse, bei denen Mose Wasser aus einem Felsen herausbefahl, und das zweite Mal ist dem Mose auch noch schlecht bekommen.1.Korinther 10,4

Die Rabbiner haben aus der Tatsache, dass am Anfang und am Ende der Wüstenwanderung ein Fels Wasser gibt, die Geschichte gestrickt, dass der Fels folglich die ganze Zeit mit den Israeliten mitwanderte. Vermutlich stand im Hintergrund der Gedanke, dass sie die flüssige Nahrung der festen Nahrung anpassen wollten. Und da das Manna jede Nacht kam, sollte auch das Wasser täglich erscheinen.

Da eine Sage nicht als Grundlage für eine Wahrheit über Gott dienen kann, darum kann Paulus hier keine Theologie der Präexistenz entwickeln.

3. die Präexistenz des Christus

Dass das Prinzip der Gnade seit Anfang der Welt fester Bestandteil derselben war und also keineswegs erst mit Jesus ins Universum eingeführt wurde, erwähnt Paulus gelegentlich.

Ist auch logisch.

Da es im Himmel keine Zeit gibt, kann die Kraft der göttlichen Gnade dort nicht irgendwann einmal angefangen haben. Sie war dort immer in unverminderter Kraft vorhanden.

(Dadurch erklärt sich übrigens, warum Mose und Elia auf dem Berg der Verklärung erscheinen konnten und ebenso wie David nicht in der Hölle oder in der dauerhaften Vernichtung endeten. Die absolute Gnade, welche wir auf der Erde erst seit Jesu Tod und Auferstehung kennen, hat im Himmel schon immer kraftvoll gewirkt.)

Folglich kann man, wenn man wie Paulus ein kräftiges Beispiel braucht, durchaus behaupten, dass die Israeliten die gleichen geistlichen Voraussetzungen hatten wie wir. Die Israeliten haben diese Wahrheit zwar anders ausgedrückt und in anderen Verhältnissen erlebt, aber ihre Versorgung durch Gott war genauso lebenserhaltend wie unsere heute. Weil die Gnade, die dahinter stand, die gleiche war. Die Israeliten hatten keine Spargnade, keine halbe Gnade oder eine mit angezogener Handbremse. Sie hatten die volle Gnade, die der Christus uns später offenbaren würde. Nur dass sie den Christus noch nicht erkennen konnten, weil er noch keinen sichtbaren Fußabdruck auf unserem Planeten hinterlassen hatte.

4. und so selten!

Aus der Tatsache, dass die vom Christus erwirkte Gnade ewig ist, also keinen Anfang und kein Ende hat, hätte Paulus eigentlich grandiose Weisheiten ableiten können und jede Menge anschauliche Beispiele draus machen können.

Erster KorintherbriefMacht er aber nicht.

Paulus geht mit der Präexistenz des Christus oder mit der Eigenschaft „ewig“ des Christus sehr zurückhaltend um. Er setzt das einige Male voraus, tut aber ansonsten so, als sei die umfassende Gnade eigentlich erst mit dem Erscheinen von Jesus aufgetaucht.

Denn Paulus argumentiert normalerweise irdisch. Er redet in unser Leben hinein. Er bezieht sich auf das, was auf der Erde zum jeweiligen Zeitpunkt bekannt war, weil es bis dorthin schon offenbart wurde. Weil wir mit etwas, was auf der Erde nicht zur Verfügung steht, nichts anfangen können. Eine Beweisführung mit exklusiven Himmelsumständen ist für unsere Lebensführung unbrauchbar.

Der Christus ist an und für sich ewig, auch die Wirkung seiner Kraft ist ohne Anfang und ohne Ende. Aber wir auf der Erde können diese Dinge nur insoweit erkennen, wie Gott sie offenbart. Wissenschaftliche Forschung hilft da nicht weiter. Und Paulus argumentiert normalerweise mit dem, was jeweils auf der Erde bekannt war.

Womit dann klar sein sollte: Wenn Paulus nicht viel praktischen Nutzen aus dem Wissen über die Präexistenz des Christus ziehen konnte (und diese Tatsache deshalb selten erwähnte), können sich heutige „Theologen“ diese Diskussionen auch sparen. Für unseren Kampf gegen die Finsternis haben diese Erkenntnisse wenig Wert.

5. die Geistlichkeit des Felsen beweisen

Eigentlich hat Paulus den Felsen nur mit dem Christus gleichgesetzt, um zu begründen, warum das Trinken aus dem Felsen „geistlich“ war bzw. warum der Fels als solcher geistlich war.

Denn während man das Manna eigentlich nicht definieren konnte, weil es in der Erfahrung der Israeliten einmalig war, war der Fels jedes Mal aus profanem Stein. Und das Wasser, das herauslief, konnte man auch zum Tränken der Tiere oder zum Waschen verwenden, während es für das Manna offenbar keine weitere irdische Verwendung gab.

Und da die Korinther ja auch Wasser vom Christus bezogen (Johannes 7,37), aber natürlich kein nasses, sondern geistliches, darum musste als Vergleich auch ein geistliches Wasser her.

Letztlich geht es hier darum, dass Paulus die Korinther retten will. Und dazu zieht er alle Register. Und wenn es eine rabbinische Sage sein muss oder die Umdeutung mehrerer Felsen in einen steinernen Christus.

Der Sinn dieses Textes von Paulus ist nicht, dass Sie zweckfreie Erkenntnisse über Felsen gewinnen, die den Christus beherbergen. Der Sinn ist vielmehr, dass Sie nicht dieselben Fehler machen, die die Israeliten damals gemacht haben.

Die sind denen nämlich schlecht bekommen.

Und bekanntlich muss man nicht alle Fehler selber machen.