Matthäus 21,23 Des Bundeskanzlers Freunde

Das würden Sie ja auch nicht mögen.

Wenn Sie auf der Straße Eis essen, vorzugsweise Zitrone oder Stracciatella, und dann kommen zwei Polizisten und nehmen Ihnen das Eis weg und sagen, Eis essen sei verboten.

Und wenn Sie dann fragen, wo das steht, dann bekommen Sie als Antwort, das stände nirgendwo, aber die beiden Polizisten sind gute Freunde des Bundeskanzlers, und der Bundeskanzler hätte sie angewiesen, gegen die Leckerei und Schleckerei im öffentlichen Raum vorzugehen.

So geschehen in Jerusalem.

Nur dass es nicht ums Eis essen ging, sondern um das Rauswerfen der Geldwechsler aus dem Tempel und um den Einzug in die Stadt mit dem Anspruch eines Herrschers.

Und dann fragen diejenigen, die als einzige die Autorität von wirklichen Polizisten haben, also die Ältesten des Volkes, woher Jesus diese Vollmacht nimmt.

Und was Jesus ihnen gerne sagen möchte, ist: Er ist der direkte Freund des Bundeskanzlers.

Und darum darf er das.

Die armen Strukturen!

Es gibt in Jerusalem und im Judentum feste Strukturen, nach denen Autorität und Rechte vergeben werden.Matthäus 21,23

Das ist grundsätzlich seit Mose so, durch den Gott die Rechte des Priesterdienstes und des levitischen Tempeldienstes geregelt hat.

Und es ist gut, dass es solche Strukturen gibt, weil sonst ja die Ordnung in einer Gesellschaft nicht zu gewährleisten wäre.

Es muss feststehen, wer aufgrund welcher Stellung welche Vollmacht hat.

Und wenn wir mal die römischen Besatzer außen vor lassen, dann waren die Ältesten und Hohepriester die einzige, die darüber zu bestimmen hatten, ob die Geldwechsler im Tempel sein durften und wer mit königlichem Anspruch in Jerusalem einmarschieren darf.

Infolgedessen erwarteten die Fragenden von Jesus, dass er zugibt, dass er überhaupt keine Vollmacht hat.

Also kein Recht.

Dass er rechtlos gehandelt hat, gegen die gültigen Gesetze und Strukturen.

Und was Jesus den Obersten eigentlich erklären möchte, ist, dass er unter Umgehung jedweder Strukturen direkt von Gott kommt, und darum eine Vollmacht und ein Recht hat, das nicht aus den systemischen Strukturen stammt, sondern ohne Umwege von Gott ist.

Geschichte der Strukturumgehung

Nun hatte die Umgehung von Strukturen im Judentum allerdings schon eine lange Geschichte.

Oder die Zweigleisigkeit, wenn man so will.

Schon Abraham war mit Melchisedek konfrontiert, und seit es Könige in Israel gab, gab es auch Propheten.

Und während der König und die Priester in ihren parallelen Strukturen herrschten, in denen die üblichen strukturellen Regeln galten, waren die Propheten außerhalb des Systems und hatten von Gott das Recht, das zu sagen, was Gott sagen wollte. Ohne irgendwen um Erlaubnis fragen zu müssen.

Und es war oft genug vorgekommen, dass die führenden Männer (selten Frauen) diese außerhalb des Systems stehenden Autoritäten zu beseitigen versuchten.

Allerdings hatten die Propheten niemals selber in den Tempel hineinregiert oder sich königliche Würden angemaßt.

Strukturlose Gemeinde heute

Bei dieser Angelegenheit über die Vollmacht von Jesus und Johannes dem Täufer geht es natürlich nur vordergründig um diese beiden Personen.

Sondern es geht um die Regeln des neuen Gottesreiches.

Das nämlich, anders als das alte Reich, ohne strukturelle Rechte und Vollmachten auskommen soll.

Weil nämlich jedes Mitglied des Reiches die Stimme Gottes selber hören kann.

Die Vollmacht hängt von der persönlichen Beziehung zu Gott ab, nicht von der Stellung innerhalb der Strukturen.

Folglich kann Gott für alle möglichen Belange selber Leute schicken, die mit einer entsprechenden Vollmacht ausgestattet sind.

Das sieht man der Aussendung von Paulus und Barnabas, bei der Sendung des Paulus nach Griechenland und bei der Ausstattung der Christen mit Geistesgaben, die ja immer auch Vollmachten sind und damit Rechte bezüglich übernatürlicher Möglichkeiten beinhalten.

Und wer im neuen Reich die übernatürliche Gabe der Lehre hat, der braucht niemanden zu fragen, und wer von Gott als Hirte berufen ist, der braucht nicht die Erlaubnis von irgendwem anders.

Das große Aber

Matthäus 21Ja, ich weiß schon: Das gibt so irgendwie nicht die Realität in unseren Gemeinden wieder.

Von den Volkskirchen wollen wir gar nicht reden.

In unseren Gemeinden bekommt man eine Vollmacht dadurch, dass man geweiht ist.

Oder dass man als Pastor bezahlt wird oder als Ältester gewählt ist.

Wer eine theologische Ausbildung hat oder eine Bibelschule besucht hat, dem wird in unseren Gemeinden Vollmacht verliehen.

Und diese Entwicklung ist auch logisch.

Denn das Problem der Ältesten in Jerusalem sehen wir heute in den Gemeinden genauso: Eine direkt von Gott kommende Vollmacht können die meisten Christen nicht erkennen.

Schon allein deshalb nicht, weil eine solche Vollmacht wahrscheinlich dem christlichen Mainstream widersprechen wird und damit den meisten Christen widersprechen wird.

Und so etwas ist indiskutabel.

Das lassen wir uns nicht bieten.

Außerdem können die meisten Christen die Stimme Gottes gar nicht hören. Sie können Bibel lesen oder dem Prediger lauschen.

Aber wenn einer direkt von Gott kommt, dann geht es den Gläubigen so wie den Ältesten und Hohepriestern: Das ist einfach nur seltsam, ungewohnt, unerklärlich und anmaßend.

Und es bringt alles durcheinander.

Zusammenfassend

Es hat sich also zwischen damals und heute nicht viel geändert:

Vollmacht direkt von Gott stört.

Das heißt dann auch: Gott selbst stört in unseren Gemeinden.

Ja, das hat Gott auch schon gemerkt.

Darum zeigt er so wenig Anwesenheit in unseren Gemeinden.

Gott ist demütig.

Der will nicht stören.