Matthäus 1,22+23 - falscher Name für richtigen Mann
Matthäus erklärt in seinem Evangelium, warum aus alttestamentlicher Sicht der Erlöser von einer Jungfrau geboren werden müsse: Matthäus 1,22–23
22Dies alles geschah aber, damit erfüllt wurde, was von dem Herrn geredet ist durch den Propheten, der spricht:
23»Siehe, die Jungfrau wird schwanger sein und einen Sohn gebären, und sie werden seinen Namen Emmanuel nennen«, was übersetzt ist: Gott mit uns.
Nun ist Ihnen vermutlich schon aufgefallen, dass Jesus gar nicht Emmanuel (oder Immanuel) hieß.
Was Ihnen vermutlich nicht aufgefallen ist: Immanuel war im Alten Testament gar kein Name.
Niemand hieß so.
Aber ich schweife ab. Denn es geht ja darum, dass dieser Immanuel von einer Jungfrau geboren werden sollte, und dass das im Alten Testament vorausgesagt worden war.
An dieser Stelle können Sie sich den Einwurf ersparen, dass bei Jesaja, wo die Weissagung herstammte, gar nicht zwangsläufig von einer Jungfrau die Rede ist, sondern nur von einer jungen Frau. Erst in der griechischen Übersetzung der Bibel wurde da eine Jungfrau draus. Ist so, hat aber den Matthäus nicht irritiert. Er zitiert aus der griechischen Bibel. Ob er die hebräische Bibel überhaupt lesen konnte, wissen wir nicht.
Dem Ahas sein Zeichen
Die Weissagung selbst stammt aus Jesaja 7,14. Dort will der König Ahas auf keinen Fall ein Zeichen von Gott. Das Zeichen hätte ihm garantieren sollen, dass die Könige Pekach und Rezin keine Gefahr für ihn darstellen.
Ahas hatte nämlich vor (oder es schon getan), den Tempelschatz aus Jerusalem und seinen persönlichen Goldvorrat an den König von Assyrien zu schicken, damit dieser gegen Bezahlung gegen die Könige Pekach und Rezin vorgeht. Damit wäre das angebliche Problem mit diesen Königen gelöst.
Gott sagte aber, das Problem sei gar keins. Das löse sich von alleine. Ahas sollte einfach nur stillhalten und warten.
Weil Ahas auf keinen Fall auf Gott vertrauen wollte, darum bot Gott ihm ein Zeichen an, damit er wenigstens aufgrund dieses Zeichens auf Gott vertraute. Aber Ahas wollte partout kein Zeichen.
Und weil Ahas nun so gar kein Zeichen von Gott wollte, darum bekommt er ein Zwangszeichen. Das ist das, was Matthäus zitiert: Eine junge Frau wird einen Sohn gebären, den man Immanuel nennen wird. Und bevor dieser Sohn Gut und Böse unterscheiden kann, werden die Länder des Pekach und des Rezin verwüstet und zerstört sein. Und die Notzeit und Bedrohung für Jerusalem wird damit vorbei sein.
Also noch 10 Jahre oder so – die Zahl müssen wir uns selber denken – dann kann man in Juda wieder ungestört Wein ernten und Gemüse anbauen und in geordneten Verhältnissen leben. Denn dann hat der Junge die notwendige moralische Reife.
Der nicht Gekommene
Das Problem ist: Dieser Junge, der ein Zeichen für Ahas sein sollte, ist nie gekommen.
Oder vielleicht doch.
Aber überliefert ist darüber nichts. Das Alte Testament schweigt zu diesem Punkt.
Und damit galt die Verheißung noch als offen.
Als noch nicht erfüllt.
Vielleicht ist das außer Matthäus niemandem aufgefallen. Oder vielleicht haben die Schriftgelehrten das im Hinterkopf gehabt.
Jedenfalls haben die Schriftgelehrten nicht erwartet, dass der Messias von einer Jungfrau geboren wurde. Weil, wie gesagt, die hebräische Bibel das nicht hergibt.
Matthäus wählt
Möglicherweise hat Matthäus diese Verheißung mit dem Jungen auch gewählt, um zu zeigen, welche Zustände vom Kommen Jesu zu erwarten sind.
(Man muss dabei bedenken, dass Matthäus lange nach Jesu Tod und Auferstehung geschrieben hat und die Folgen davon also schon überblicken konnte.)
Denn so wie nach der Geburt des Jungen bei Jesaja und Ahas innerhalb weniger Jahre die Bedrohung durch das Böse erledigt war, so war auch innerhalb weniger Jahre nach der Geburt von Jesus das Böse erledigt.
Dieses Mal aber noch umfassender.
Bei Ahas wurde nur das Böse in der Form der Syrer und der Israeliten erledigt. Es gab noch sehr viel böse Bedrohung für das Volk Gottes, die mit diesem Vorgang nicht beseitigt wurde. Unter anderem auch das Böse, das aus Juda selbst kam – es hat sich bis zu den Pharisäern gehalten.
Jesus ist eine viel gründlichere Kampfansage Gottes an das Böse.
Schreiben Sie sich das in Ihr Tagebuch: Gott bekämpft das Böse.
Nicht Sie.
Versuchen Sie es gar nicht erst. Sie werden scheitern. So wie der König Ahas es versucht hat und ganz fürchterlich gescheitert ist. (Als er Geld nach Assyrien schickte und das Gegenteil von dem bekam, was er wollte.)
Wissenschaftlich und theologisch falsch
Vermutlich wird sich wieder ein Schlauberger finden, der moniert, dass die Argumentation des Matthäus keinen Faktencheck überleben würde.
Weil eben im hebräischen Text des Jesaja die Jungfrau nur eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit des zu Erwartenden darstellt. Weshalb auch niemand von den Schriftgelehrten mit einer Jungfrauengeburt gerechnet hat und Jesus damit auch nicht haussieren gegangen ist.
Und man deshalb wirklich nicht sagen kann, dass die Jungfrauengeburt eine Erfüllung (endlich!) von Jesaja 7,14 ist.
Da hat der Schlauberger wohl recht.
Aber er hat nicht verstanden, wie Glaube geht und wie Gott urteilt und wertet.
Denn auch wenn Gott für die Wahrheit ist: der Glaube eines Menschen zählt bei Gott immer mehr als theologische Richtigkeit oder wissenschaftliche Exaktheit.
Und wenn Matthäus tatsächlich dieses Vertrauen in Gott gehabt hat, dass Gott alle Verheißungen erfüllt, auch die ganz unbedeutenden oder die irgendwie unklaren und verschwurbelten – dann zählt dieses Vertrauen vor Gott mehr als irgendwelche geschichtlichen Tatsachen.
Nicht, dass Sie als Gläubige die Tatsachen außer acht lassen sollen.
Aber wenn Sie eine Bibelstelle falsch verstehen und aufgrund der falsch verstandenen Bibelstelle einen großen Glauben an Gott entwickeln, dann wird Gott nach Ihrem Glauben handeln und nicht nach der theologischen Korrektheit Ihrer Auslegung.
Und wenn Matthäus überzeugt ist, dass das mit der Jungfrauengeburt seine Richtigkeit hat, weil es ja schon im (griechischen) Jesaja steht – dann hat es seine Richtigkeit, selbst wenn im hebräischen Jesaja nur „junge Frau“ steht.
Seien Sie so genau wie möglich. Halten Sie sich an die Wahrheit. Anderenfalls werden sie unglaubwürdig.
Aber Gott hat Sie als Gläubige berufen, nicht als Haarespalter oder Erbsenzähler.
Erwarten Sie Großes von Gott. Dann werden Sie Großes erhalten, selbst wenn Ihre Erwartung auf einer falsch verstandenen Bibelstelle beruht.
...
Und gehen Sie bitte davon aus, dass Gott seine Ankündigungen immer wahr macht. Wenn Gott selbst Wahrheit ist, muss er seinem eigenen Wort gezwungener Maßen gehorchen.