Matthäus 19,3-9 da scheiden sich die …

Dieser Artikel erklärt Ihnen, dass es bei dem Streit zwischen Jesus und den Pharisäern über die Ehescheidung gar nicht um die Ehescheidung ging, sondern um den prinzipiellen Umgang mit dem Willen Gottes.

Wenn Sie es lieben, wenn die Bibel sich selbst widerspricht, dann sind Sie hier richtig.

Wenn es Sie begeistert, wenn der Bibeltext den Bibeltext für ungültig erklärt, ist dieses sicher Ihre bevorzugte Bibelstelle.

Wenn Sie allerdings aus einem sehr konservativen, orthodoxen Gemeindeumfeld stammen und an dieser Stelle bestätigt haben wollen, dass die Regel, dass man Christen, die sich scheiden lassen und dann wieder heiraten, wegen Ehebruchs aus der Gemeinde ausschließt, dann sind Sie zwar ein hervorragender Pharisäer – aber dieser Artikel wird Ihre Erwartungen nicht erfüllen.

Die kurze Zusammenfassung für eilige Leser

In diesem biblischen Abschnitt geht es um das Erkennen des Willens Gottes.

Die Pharisäer dachten, sie erkennen den Willen Gottes im Gesetz (oder im Bibeltext). Der Wille Gottes sei es folglich, dass sie das Gesetz halten: dass sie sich richtig und damit sündlos verhalten.

Darum bezog sich ihre Frage einfach nur auf die Grenze des Erlaubten.

Einfacher formuliert: Wie weit kann ich gehen, ohne dass Gott stocksauer wird? Was kann ich mir leisten, ohne damit meine Zukunft im Himmel aufs Spiel zu setzen?

Diese Frage setzt natürlich das Nichtvorhandensein einer liebevollen Beziehung voraus.

Wenn Sie einen Menschen von Herzen lieben, werden Sie vermutlich nicht die Frage stellen, wie viele Frechheiten und Gemeinheiten Sie sich herausnehmen können, ohne dass der geliebte Mensch Sie rausschmeißt.

Jesus geht zum Erkennen des Willens Gottes aber von einer Beziehung zu Gott aus, und folglich ist seine Frage: Worüber freut sich Gott am meisten? Was ist das Beste, das ich für Gott oder in den Augen Gottes tun kann? Was entspricht am meisten Gottes Wünschen?

Dieser Abschnitt der Bibel betrachtet also den Unterschied zwischen einer gesetzlichen Betrachtung des göttlichen Willens und einer geistlichen Betrachtung.

Die Versuchung von Vers 3

Matthäus 19,3 sagt ausdrücklich, dass die Pharisäer Jesus mit ihrer Frage versuchen wollten. Es ging ihnen nicht um die sachliche Klärung der Scheidungsfrage.

Wir stehen hier am Ende der Wirksamkeit Jesu, und die Pharisäer hatten schon einiges von Jesus gehört. Sie konnten sich also ein Bild von seiner prinzipiellen Haltung machen.

Vielleicht kannten sie auch den Ausspruch Jesu aus Matthäus 5,31–32

31Es ist aber gesagt: Wer seine Frau entlassen will, gebe ihr einen Scheidebrief.

32Ich aber sage euch: Jeder, der seine Frau entlassen wird, außer aufgrund von Hurerei, macht, dass mit ihr Ehebruch begangen wird; und wer eine Entlassene heiratet, begeht Ehebruch.

Die Pharisäer konnten also erwarten, dass Jesus eine relativ strenge Position einnimmt.

Die Versuchung liegt aber nicht in der Frage, ob Jesus sich für die liberale Schule des Hillel entscheidet, die die Scheidung aus jedem Grund erlaubt, oder für die konservative Schule des Schammai, welche die Scheidung nur bei Ehebruch erlaubte.

Die Versuchung bestand in der Frage, ob Jesus dem Gesetz widersprechen würde.

Und genau das hat Jesus dann ja auch getan: Er hat der Folgerung aus Deut 24,1-4, wonach die Scheidung unter bestimmten rechtlichen Formalien erlaubt ist, widersprochen.

Somit ist die Versuchung gelungen.

(Falls Sie Deut 24,1-4 nachgelesen haben, haben Sie sicher gemerkt, dass in dieser Stelle keineswegs der Scheidebrief von Mose geboten wird. Sondern Mose nimmt eine Unsitte, die sich eingebürgert hatte, als gegeben hin und erklärt einen speziellen, sich daraus ergebenen Vorgang für unrechtmäßig: Nämlich die wiederholte Heirat der eigenen Ehefrau.)

Der große Zusammenhang

Der große Punkt, um den es bei der Frage von Ehe und Scheidung geht, ist die Einheit. Bekanntlich eines von Gottes großen Themen, die er immer und immer wieder auf den Tisch bringt.

Die aktuell höchste Form der Einheit ist der Heilige Geist, durch den Gott in den Gläubigen wohnt.

Aber die Einheit zieht sich durch alle Bereiche der Bibel. Die Gemeinde soll eine Einheit sein, was in Jh 17 ab Vers 20 lang und breit beschrieben wird. Gleichzeitig soll die Gemeinde aber auch eine Einheit mit Gott sein („wo 2 oder 3 in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“). Und auch unter den Menschen soll Einheit herrschen und nicht Trennung: Darum das Gebot der Liebe, und darum eben die Ablehnung der Ehescheidung.

Warum Gott so unbedingt die Einheit will, lässt sich vermutlich nicht vernünftig beantworten, da die Einheit eine nicht hinterfragbare Vorgabe Gottes ist. Sie hat etwas damit zu tun, dass alles auf Christus hin und durch ihn geschaffen wurde (Kol 1,16), und dass das Gegenteil, nämlich dass Gott uneinig mit der Schöpfung wäre, dass also Trennung oder Spaltung der Verhältnis zwischen Gott und Menschen ausmacht, ja nun auch kein brauchbarer Beziehungsstatus ist. Und die Mitte zwischen beidem, die Neutralität oder „wir haben nichts miteinander zu tun“, macht die Sache mit Gott überflüssig.

Wenn Jesus hier also so vehement gegen die Ehescheidung ist, obwohl seine Forderung praktisch nicht erfüllbar ist, dann eben deshalb, weil die Einheit zwischen Gott und Mensch und zwischen Mensch und Mensch so eine Grundsäule des Reiches Gottes ist.

Was Gott nicht beleidigt

Es geht bei dem ganzen Thema nicht um die Menge an Sexualpartnern, die ein Mensch im Lauf seines Lebens hat. Gott wird nicht dadurch beleidigt, und das Reich Gottes wird nicht dadurch beschädigt, dass ein Mensch viele Sexualpartner hat.

·         Wenn die Menge an Sexualpartnern das Problem wäre, wäre die Leviratsehe, wo ein männlicher Verwandter dafür sorgen muss, dass ein kinderlos verstorbener, aber verheirateter Mann sozusagen post mortem noch Kinder bekommt, überhaupt nicht denkbar.

·         David hat nie Ärger mit Gott bekommen wegen seiner vielen Frauen, und auch bei Salomo waren das Problem nicht die mehreren hundert Sexualpartner, sondern die Verführung zum Götzendienst durch diese Frauen.

·         Tamar (Gen 38) hat kein bisschen Ärger bekommen, weil sie 3 verschiedene Sexualpartner hatte, sondern sie kam in den Stammbaum Jesu. Und wenn die Berufsbezeichnung bei der Hure Rahab zutreffend ist, dann stützt das diese Aussage.

·         Wenn die Menge der Sexualpartner entscheidend wäre, wäre das Eingehen einer neuen Ehe durch verwitwete Menschen nicht wünschenswert. Die Bibel bearbeitet das Thema aber völlig neutral.

·         Die konstruierte Geschichte der Pharisäer über die Frau, die nacheinander mit 7 Männern zusammen war (Mt 22,23-33), wäre hochgradig sündig und aus dem Mund der Pharisäer völlig undenkbar, wenn die Menge der Sexualpartner das Problem wäre.

Die Körperlichkeit, die bei der Ehe ja durchaus eine Rolle spielt, ist nicht in erster Linie Gottes Thema. Gottes Thema ist die Einheit, die sich auch, aber nicht nur, in der Körperlichkeit äußert.

Und? Darf man sich nun scheiden lassen?

Wie schon oben gesagt: Eine Frage, die mit „dürfen“ anfängt, ist für das Verhältnis zu Gott schon zu gesetzlich.

Die Frage müsste eher sein, ob Sie Gott eine Freude machen wollen.

Oder mit welchem Verhalten Sie Gott am besten ehren können.

Und manchmal im Leben scheint man nur die Wahl zwischen Pest und Cholera zu haben: Wenn man die Ehe aufrecht erhält, hat man nichts als Zank und Streit und Bosheit und Betrug; und wenn man die Ehe auflöst, hat man Scheidung und Ehebruch.

Darum nimmt Paulus in 1.Kor 7,15 auch die Scheidung in Kauf mit der Begründung, dass Gott uns zum Frieden berufen hat. Wenn die „Einheit“ nur noch offiziell und auf dem Papier existiert, und wenn der Teufel sich über die Ehe mehr freut als Gott, dann kann eine Scheidung und auch eine Wiederverheiratung (die oft wirtschaftlich notwendig war) mitunter die bessere Lösung sein. Sie ist dann immer noch Sünde; aber eine Lösung, durch die keine Sünde entsteht, gibt es mitunter gar nicht.

Propaganda für den Ehebruch

Nun ist laut Jesus ja nicht die Scheidung an sich das Schlimme, sondern der daraus resultierende Ehebruch.

Die Frage, die wir beantworten müssen, ist also: Wie schlimm ist Ehebruch?

Und die Antwort in den konservativen „bibeltreuen“ Gemeinden ist seit 100 Jahren eindeutig: Wer die Ehe bricht, wird aus der Gemeinde ausgeschlossen. Ehebruch ist, bezogen auf die Gemeindezucht, genauso schlimm wie eine katastrophal falsche Lehre.

Prinzipiell werden die sexuellen Sünden in diesen Gemeinden extrem schwer gewichtet, während mir kein Fall bekannt ist, wo jemand Ärger bekommen hat wegen Habsucht oder Lügen oder Diebstahl.

In den 10 Geboten steht der Ehebruch aber in einer Reihe mit Töten, Stehlen und Begehren. Er ist nicht als besonders schlimm herausgehoben.

Und so wie es Bibelstellen im Gesetz gibt, die die Todesstrafe für Ehebrecher vorsehen (die Pharisäer beziehen sich in Jh 8 darauf), so gibt es auch Stellen, welche die Todesstrafe für Leute fordern, die ihre Eltern schlagen (Ex 21,15); für Totschläger (Lev 24,17+21); auf Menschenraub (Ex 21,16); auf Holz sammeln am Sabbat (Num 15,32) und für ungehorsame Söhne (Deut 21,18). Ehebruch ist hier sicher kein Kavaliersdelikt, aber er ist auch nicht herausgehoben als gravierender als manches anderes.

Wenn wir in unseren Gemeinden also Leute, die Gott nicht ausreichend ehren, mit Gnade betrachten und den Totschläger auch nicht aus der Gemeinde ausschließen, sondern ihm Gottes Vergebung anbieten, dann können wir nicht Menschen, die geschieden sind und sich wieder verheiratet haben, die Gnade entziehen. Auch nicht, wenn Paulus hart mit der Prostitution ins Gericht geht und bemerkt, dass jede Sünde außerhalb des eigenen Leibes stattfindet, die Unzucht aber am eigenen Leib (1.Kor 6,18).

Fazit

Scheidung und der daraus resultierende Ehebruch sind nicht schön. Sind sie übrigens auch in der heutigen gottlosen Gesellschaft nicht, obwohl deren Ehemodell ein völlig anderes ist als das in biblischen Zeiten. Auch für völlig gottlose Menschen ist eine Scheidung nichts, was man jauchzend anstrebt.

Zweifellos entsprechen Scheidung und Ehebruch nicht dem Willen Gottes.

Das tun allerdings viele Dinge nicht, die wir im Leben tun. Und mit „wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein“ lag Jesus nicht so arg daneben.

Wenn eine Scheidung sich nicht vermeiden lässt, dann kommt man deswegen nicht in die Hölle, und Gott kündigt einem auch nicht Gnade und Zuwendung.

Shit happens.

Und Gott ist sich darüber im Klaren.

Ein überflüssiges P.S.

Aus diesen ganzen Betrachtungen entstand irgendwann die Frage, ob Geschiedene noch einmal kirchlich heiraten könnten.

Also im Grunde die Frage, ob die Kirche etwas, was eigentlich eine Sünde ist, segnen kann.

Natürlich könnte man auch fragen, ob Gott denn so etwas segnen könnte.

Aber das ganze Problem ist nur entstanden, weil die Kirche im Verlauf des Mittelalters aus Machtgründen angefangen hat, die Hochzeit, die bis dahin eine rein gesellschaftliche Sache war und mitunter – je nach Tradition – sogar völlig formlos durchgeführt wurde, unter ihre Kontrolle zu bringen.

Das Problem ist also kein biblisches und auch kein originär christliches. Sondern es ist ein Problem, das die Kirchen künstlich produziert haben.

Und somit brauchen wir uns hier auch nicht damit zu beschäftigen.