Matthäus 15,20 das Ende des Händewaschens
Dieser Artikel erklärt, warum von den Aposteln eigentlich erwartet wurde, dass sie sich sehr gründlich die Hände waschen, und warum Jesus mit dem Händewaschen im Grunde das gesamte Gesetz abgeschafft hat.
Ich hoffe, Sie haben heute nichts mehr vor.
Dieser Artikel muss aufgrund des Themas nämlich sehr lang werden.
Denn das Händewaschen, um das es eigentlich geht, ist eine direkte Folge der alttestamentlichen Reinheitsgesetze.
Die Reinheitsgesetze als solche
Die Reinheitsgesetze wurden von Gott im Gesetz des Mose erlassen. Sie führten zu einer Unterscheidung in die drei Kategorien „unrein“, „rein“ und „heilig“.
Diese Kategorien dienten dazu, zu bestimmen, welcher Mensch sich Gott wie weit nähern durfte:
- „unrein“ durfte sich Gott überhaupt nicht nähern und damit auch nicht am Gottesdienst teilnehmen.
- „rein“ durfte am Gottesdienst teilnehmen, durfte sich Gott aber nur sehr bedingt nähern, musste also einen gehörigen Abstand einhalten.
- „heilig“ durfte am nächsten an Gott ran. Diese Klassifizierung traf also nur auf die Priester nach entsprechende Heiligung zu.
Sinn dieser Gesetze war es, die Menschen zu lehren, dass es einer bestimmten Qualität bedarf, damit man mit Gott in Kontakt treten kann oder, noch besser, damit man dauerhaft mit Gott leben kann.
Außerdem sollten die Menschen verstehen, dass es „gut“ und „böse“ gibt und nichts dazwischen. Es gab nicht verschiedene Stufen von Reinheit oder sogar stufenlose Qualitätsunterschiede. Das Tier war rein oder unrein, es gab nichts Neutrales dazwischen. Der Aussätzige war rein oder unrein – halb rein war nicht vorgesehen.
Bitte beachten Sie: Es geht bei diesen Gesetzen nicht um Reinheit im Sinne von „Sauberkeit“. Es geht um eine rituelle und zeremonielle Reinheit, welche dazu berechtigt, sich Gott zu nähern. Mit der Reinheit von Viren, Bakterien und Dreck hat das nichts zu tun.
Die Herstellung von Reinheit
Wenn ein Mensch unrein geworden ist, weil er mit etwas unreinem in Kontakt gekommen ist, dann gab es drei Möglichkeiten, die Reinheit wieder herzustellen.
- Der Priester erklärt etwas für rein (z.B. den Aussätzigen)
- Man wartet einfach (derjenige ist unrein bis zum Abend)
- Man wäscht das unrein gewordene in Wasser.
Kein Händewaschen im Gesetz
Händewaschen als Einzelaktion kommt im Gesetz des Mose nur ganz am Rande vor, wird nur ganz nebenbei erwähnt und gilt an den entsprechenden Stellen nur für Priester, nicht für normale Gläubige.
(Die Bibelstellen, wo Händewaschen erwähnt wird, sind Levitikus 15,11 mit explizitem Waschen der Hände und Levitikus 22,6-7 mit dem Waschen des ganzen Priesters vor dem Essen des Heiligen, wenn er vorher unrein war.)
Im Laufe der Jahre und Jahrhunderte hatte sich die Lehre insoweit verselbstständigt, dass man davon ausging, dass der Mensch im Lauf des Tages unwissentlich etwas unreines mit den Händen angefasst habe, und von diesem Unreinen sei etwas an seinen Händen kleben geblieben, und wenn er jetzt etwas reines isst, gerät das unreine Teil mit dem Essen in den Körper des Menschen, und damit hat er etwas Unreines gegessen und ist damit unrein.
Also muss er sich vor dem Essen die Hände waschen.
Wenn er die Hände, an denen sich der unreine Teil des unreinen Tieres (also das Bein einer Ameise oder der Flügel einer Mücke) befindet, in das Wasserbecken eingetaucht hat, dann ist aber dieses Wasser natürlich ab sofort auch unrein, weil ja das unreine Teil darin herumschwimmt. Folglich muss der Mensch von dem unreinen Wasser reingewaschen werden, was dadurch geschieht, dass man unbelastetes Wasser über die Hände gießt und damit das unreine Wasser abspült.
Und diese komplizierte Handlung hatten die Apostel unterlassen.
Die äußere Reinheit
Die Einführung einer Unreinheit, welche von außen an den Menschen herantritt und ihn verunreinigt, machte deshalb Sinn, weil auch die Begegnung mit Gott mit Alten Testament eine rein äußerliche war.
Gott wohnte im Tempel in Jerusalem, und wer zu Gott wollte, der musste zu diesem Tempel hingehen.
Auch das Wort Gottes trat von außen an den Menschen heran: Durch das Gesetz oder durch das Reden der Propheten.
Es kommt hinzu, dass die Israeliten ja nicht freiwillig zu Gott gehörten. Gott hatte sie ungefragt zu seinem Volk gemacht, infolge dessen war ein äußerlicher Gehorsam das Einzige, was als Kriterium in Frage kam, um sich Gott zu nähern. Etwas innerliches wie z.B. Motivation konnte hier kein Gesichtspunkt sein, denn Motivation kann nicht erzwungen oder bestraft werden, weil sie objektiv nicht nachweisbar ist.
(Sie können die Ausnahmen für sich behalten. Dass David in manchen Fällen die richtige Motivation hatte und darum auch die Stimme Gottes direkt hören konnte und nicht auf das Buch oder den Propheten angewiesen war, hatte damit zu tun, dass David freiwillig zu Gott gehörte. Das galt aber für den durchschnittlichen Israeliten nicht.)
Der Wechsel in die Innenräume
Mit Jesu Auferweckung verändern sich aber alle oben genannten Komponenten:
- Es gibt jetzt nur noch freiwillige Gläubige. Dass jemand unfreiwillig zu Gott gehört, ist nicht mehr möglich.
- Gott wohnt jetzt im Der Mensch und noch mehr die Gemeinde sind jetzt Tempel Gottes.
- Damit tritt jetzt auch das Wort Gottes von innen an den Menschen heran. Wenn Sie jetzt Bibel lesen und nur den äußerlichen Wortlaut des Textes hören und danach handeln, ist es unzureichend.
- Nicht mehr der Gehorsam ist entscheidend, sondern die Motivation. Ich gehöre zu Gott, weil ich ihn liebe und er mich. Und ich handele am Anderen, weil … naja, das ist eben die Frage.
Folglich verunreinigt den Menschen jetzt nicht mehr das, was außerhalb von ihm entsteht und dann in ihn hineingelangt. Sondern es verunreinigt ihn, was in ihm entsteht und dann nach außen gelangt. Denn der Mensch geht jetzt nicht mehr mit seinem materiellen Körper, der mit materiell unreinem belastet ist, in den materiellen Tempel. Sondern die nicht materielle Seele des Menschen wird von dem nicht materiellen Gott bewohnt, und mein Handeln wird dadurch göttlich.
Eine Frage der Macht
Das, was von außen in den Menschen hineingelangt, kann den Menschen nicht mehr verunreinigen, weil die Machtverhältnisse von rein und unrein mit der Auferweckung Jesu umgedreht sind.
Früher was es so, dass der reine Mensch durch die Berührung mit etwas Unreinen selbst unrein wurde. Das Unreine hatte also die höchste Macht. Das Unreine konnte sich auf diesem Weg fortpflanzen, das Reine aber nicht.
Seit Jesus macht das Reine das Unreine rein. Das Reine ist stärker und kann sich fortpflanzen. Das sehen wir zuerst, als Jesus die unreinen Menschen anfassen konnte, und er selbst wurde dadurch nicht unrein, sondern die Aussätzigen wurden rein. Darum konnte Paulus dem Titus schreiben „dem Reinen ist alles rein“ (Titus 1,15), weil alles, was der Reine berührt oder isst, ihn nicht unrein machen kann.
Die Katastrophe
Wenn jetzt aber in der Seele des Menschen (oder, wie die Bibel es ausdrückt: im Herzen) das Unreine entsteht (Mord, Ehebruch, Verleumdung etc.), dann wird die Außenwelt des Menschen zwar nicht unreiner, weil es nämlich keine Steigerungen und Nuancen von „unrein“ gibt. Aber rein oder göttlich wird sie auch nicht, und die Absicht Jesu, die Werke des Teufels zu zerstören, wird hintertrieben.
Die Zerstörung des Zeremonialgesetzes
Wie unschwer zu erkennen ist, haben die Reinheitsgesetze des Mose nicht zur Reinheit geführt. Ihr Ergebnis war nicht, dass die Menschen göttlicher wurden, sondern dass sie sich mehr die Hände wuschen.
Das Ziel, dass die Leute Gott näher kamen oder auch nur kommen konnten, wurde nicht erreicht.
Die Absicht, den Menschen zu verdeutlichen, dass es eine rigorose Trennung gibt zwischen göttlich und nicht göttlich und dass es Dinge gibt, die keinesfalls mit Gott in Übereinstimmung zu bringen sind, war gescheitert.
Die Menschen waren nicht reiner geworden, sondern sie waren mit allen Wassern gewaschen.
Aus diesem und aus den oben genannten Gründen hat Jesus mit der Abschaffung des Händewaschens gleichzeitig alle Reinheitsgebote für nichtig erklärt. Denn wenn es egal war, ob man Fliegendreck oder Mückenflügel mitaß, dann war es auch egal, ob man Dinge aß, die etwas oder bedeutend größer als Fliegendreck waren. Die Unreinheit hing ja nicht an der Menge des Verzehrten, sondern an seiner Wesensart.
Insofern hat Jesus die Reinheitsgebote an ihrer eigenen Verdrehung (dem Händewaschen) für ungültig erklärt, indem er sagte: Mt 15,11
11 Nicht was in den Mund hineingeht, verunreinigt den Menschen, sondern was aus dem Mund herausgeht, das verunreinigt den Menschen.