Matthäus 20,17-19 mangelnde Bürgerbeteiligung

Wie so oft bei biblischen Texten, ist auch bei diesem das Wichtigste das, was fehlt.

Matthäus 20,17–19

17Und als Jesus nach Jerusalem hinaufging, nahm er die zwölf Jünger allein zu sich und sprach auf dem Weg zu ihnen:

18Siehe, wir gehen hinauf nach Jerusalem, und der Sohn des Menschen wird den Hohen Priestern und Schriftgelehrten überliefert werden, und sie werden ihn zum Tode verurteilen;

19und sie werden ihn den Nationen überliefern, um ihn zu verspotten und zu geißeln und zu kreuzigen; und am dritten Tag wird er auferweckt werden.

Was hier fehlt, ist die Bürgerbeteiligung.

Anständige Politiker fragen heute jeden Bürger, jede Minderheit, jeden Ahnungslosen und jeden, der sich als Opfer der Maßnahme empfinden könnte, wie es ihm denn mit dieser und jener Entscheidung gehen würde. Und anschließend daran machen die angeblich Betroffenen jede Menge Einsprüche, und ganz am Ende gibt es ein Gerichtsverfahren nach dem anderen, bis endlich feststeht, welche Maßnahme nun umgesetzt werden darf und ob sie zu 30% umgesetzt werden darf oder zu 70%, also 100% sowieso niemals.

Die 12 Apostel werden hier immerhin über die geplante Maßnahme als solche informiert.

Aber ob die Apostel etwas dazu gesagt haben, und was sie gegebenenfalls geäußert haben, das schreibt Matthäus hier nicht auf.

Denn vielleicht haben die Apostel ja etwas gesagt. Bei einer anderen Gelegenheit hat Petrus sich ja auch zu der Sache geäußert. Aber Matthäus schreibt es nicht auf, weil die Meinung der Apostel nichts zur Sache tut. Es gibt hier keine Bürgerbeteiligung.

Es gibt nichts, was Gott tut …

Immerhin gibt es Informationen.Matthäus 20,17

Also für die 12 Apostel.

Und nur für sie. Wir und der Rest der Welt werden erst im Nachhinein informiert.

Aber wenn Gott etwas macht, dann ist die Regel, das er das vorher ankündigt. Steht schon in Amos 3,7 (ELB)

7Denn der Herr, HERR, tut nichts, es sei denn, dass er sein Geheimnis seinen Knechten, den Propheten, enthüllt hat. –

Wenn Gott seine Absichten nicht ankündigen würde, würde man nicht verstehen, dass dieses jetzt ein spezielles, beabsichtigtes Handeln Gottes war. Man würde auf den Zufall und das Schicksal tippen, auf Pechsträhne oder Glück gehabt.

Darum kündigt Jesus die Geschehnisse hier an, aber eben nur denen, die später die Geschäftsführung der Gemeinde übernehmen müssen.

Dem gläubigen Volk wird es nicht mitgeteilt.

Die Hohenpriester und Schriftgelehrten werden nicht informiert.

Die römische Regierung erfährt nichts von Gottes Absichten.

Nur diejenigen, die sich wirklich entschieden haben, auf Jesu Seite stehen zu wollen, die werden informiert. Die diejenigen, die Gott vertrauen, die zieht Gott auch ins Vertrauen.

Wäre Information nicht wichtig?

Dabei würde es die religiöse und kommunalpolitische Führung doch eigentlich am meisten angehen. Diese Personen sind doch die Hauptfiguren in dem, was da kommen soll.

Es gibt dann Leute, die sagen: „Man durfte die Führung nicht einweihen, denn wenn die Führung gewusst hätte, welche Rolle ihr zugedacht war, hätte sie sich anders verhalten und hätte die Kreuzigung Jesu nicht stattfinden lassen.“

Aber das ist Unfug, denn es verkennt die Genialität und Komplexität des göttlichen Handelns. Wenn Gott im voraus über seine Absichten informiert, kann trotzdem niemand das Kommende verhindern.

Fängt schon bei den Aposteln an.

Sie haben nichts an der ganzen Sache verhindern können, obwohl sie am umfassendsten eingeweiht waren.

Auch in den vielen Jahrhunderten vorher hatte Gott immer wieder angekündigt, was er zu machen gedachte, z.B. die Assyrer schicken oder die Babylonier, und das hätte man verhindern können. Aber selbst da hat man es nicht verhindert.

Ob die Leute nun wissen, was Gott vorhat, oder ob sie es nicht wissen, macht keinen Unterschied. Da die Menschen Gott nicht vertrauen, glauben sie seinen Ansagen ohnehin nicht, und werden grad das machen, was sie ohnehin vorhatten.

Und diejenigen, die Gott vertrauen, werden an ihrem Unverständnis scheitern. Die Wege Gottes sind nach wie vor höher als die Gedanken der Menschen.

Gott fragt nicht

Immerhin hat Gott die 12 Apostel eingeweiht.

Aber gefragt hat er sie nicht.

Ob der Termin wohl recht sei. Nicht dass er mit Tante Helenes Geburtstagsfeier kollidiert.

Ob ihnen die Methodik wohl zusage. Oder ob sie eine andere Vorgehensweise bevorzugen würden.

Und wie wir anschließend sehen können, wollten die Apostel ja eigentlich mit Ministerposten bedacht werden und neben dem Thron des Königs Platz nehmen. Das wäre für sie die wünschenswerte Methodik gewesen.

Ist natürlich relativ klug von Gott, dass er niemanden um Rat oder um Erlaubnis fragt, dass er also die Bürgerbeteiligung völlig außer acht lässt.

Denn Gottes Vorhaben sind in der Regel viel zu kompliziert, als dass irgend jemand die Gedanken verstehen könnte, die dahinter stecken. Es ist wie bei der heutigen Bürgerbeteiligung: Die meisten, die mitreden wollen, haben keine Ahnung. Und sind zudem von egoistischen Motiven gesteuert. Ich lehne das Windrad vor meiner Haustür ja nicht aus technischen oder politischen Gründen ab, sondern weil es vor meiner Haustür steht.

Und da Gott seine Interessen durchsetzen will und nicht die der Apostel oder irgendwelcher Machteliten, darum fragt er diese Leute auch nicht. Wobei sich hinterher herausstellen wird, dass Gottes Interessen in Wahrheit ganz exakt die Interessen der Apostel widerspiegeln. Obwohl die Apostel nie gefragt wurden, wird ihren Wünschen hier am besten entsprochen. Aber das sah man erst hinterher.

Und wenn man die Apostel hinterher gefragt hätte, ob Gottes Plan gut war, hätten sie das vermutlich bejaht. Im Moment aber war ihre Meinung schlicht egal, weshalb sie auch nicht berichtet wird.

Eine weitere Form mangelnder Bürgerbeteiligung

Die Bürgerbeteiligung ist sogar noch schlechter, als wie bisher schon angenommen.

Denn manchmal dürfen wir Bürger uns in der Kommunalpolitik ja beteiligen, indem wir an der Aktion „saubere Stadt“ teilnehmen und einen Samstag lang den Müll am Rheinufer einsammeln. Oder indem wir ein städtisches Blumenbeet oder einen Baum adoptieren und immer schön gießen und Unkraut ziehen.

Aber selbst diese Form der Bürgerbeteiligung wird den Aposteln hier verwehrt. Sie werden zwar informiert, aber sie können nichts verhindern, und sie können auch nichts zum guten Endergebnis beitragen.

Alle anderen machen in irgendeiner Form mit: Judas ist beteiligt, der Hohe Rat ist dabei, der römische Machtapparat tritt in Aktion, und sogar das jüdische Volk darf mitmachen, indem sie nämlich den Einzug nach Jerusalem mit den Palmenzweigen gestalten und so den Hohen Rat erst recht gegen Jesus aufbringen.

Aber die Apostel sind außen vor. Sie hätten im Rahmen der Bürgerbeteiligung mit Jesus im Garten wachen und beten dürfen, aber schon das ist nicht gelungen. Darum ist es vielleicht ganz gut, dass in Gottes Planungen die Bürgerbeteiligung nicht vorgesehen ist.

Man erwartete das Gegenteil.

Die beteiligten Bürger hätten hier ja vermutlich auch das Gegenteil von dem erwartet, was am Ende geschehen ist.

Als Jesus die Apostel hier beiseite nimmt, befindet er sich irgendwo auf dem Weg zwischen Jericho und Jerusalem, und auf diesem Weg ist es so voll wie auf der Hauptstraße Samstag nachmittags. Nur dass sich die Menschenmenge nur in eine Richtung bewegt, nämlich zum Passahfest nach Jerusalem.

Und die Erwartung war ja doch irgendwie, dass Jesus jetzt seinen Thron in Jerusalem aufbauen würde oder auf andere Weise an diesem Passah das Reich für eröffnet erklären würde, von dem die Propheten so oft geredet hatten.

Es kam ja nicht von ungefähr, dass die anderen, die mit in diesem Gedränge unterwegs waren, das mit den Palmzweigen anfingen.

Ja, und so ist das halt: Man erwartet irgendwie immer etwas anderes, als Gott dann tatsächlich macht.

Die Wahrheit ist sogar: man erwartet immer etwas geringeres. Gott übertrifft die Erwartungen derer, die ihn lieben, immer. Darum ist es ganz gut, dass es keine Bürgerbeteiligung gibt. Wir hätten sonst ziemlich sparsame Lösungen.

Trennung von Staat und Gott

Jesus sagt hier letztlich voraus, dass die religiöse Elite und der staatliche Machtapparat und ein Verräter aus den eigenen Reihen versuchen werden, zu bestimmen, was Gott eigentlich darf.

Und damit überschreiten diese Institutionen nicht nur ihre Kompetenzen, sondern sie überschreiten auch bei weitem ihre Möglichkeiten.

Matthäus 20,18Aber wenn die Führer dieser Welt schon nicht darüber zu bestimmen haben, was Gott darf und was nicht, dann können wir das natürlich erst recht nicht.

Wobei Gott an dieser Stelle schon gezeigt hat, wer hier begrenzt ist und wer nicht. Denn während die Führer der Welt das Ultimative machten, was sie machen konnten – mehr als einen Menschen umzubringen geht nicht – zeigt Gott deutlich, dass da, wo die Mächtigen der Welt an ihrer Grenze angekommen sind, Gottes Grenze noch ein ganzes Stück entfernt ist.

Denn Gott erweckt den, den die Mächtigen umgebracht haben, wieder zum Leben.

Gott holt sich bei niemandem die Erlaubnis für das, was er tun will. Er braucht die Erlaubnis auch nicht, denn das, was Gott tun will, ist immer durch und durch gut.

Was Gott zu tun gedenkt, ist auch durch und durch richtig. Denn Gott kann nicht nur in die Zukunft schauen, er kennt auch alle anderen Einflussfaktoren. Die Mächtigen der Welt sind immer aufs Raten angewiesen, selbst wenn sie tatsächlich das Gute wollen. Gott kann den guten Ausgang garantieren.

Das Böse wird nicht siegen.

Das Besondere, das Jesus hier ankündigt, ist zweimal hintereinander besonders mieses Verhalten: Judas verrät Jesus an den Hohen Rat, und der Hohe Rat liefert Jesus den Römern – und damit den Feinden - aus und ermöglicht damit erst die Kreuzigung.

Aber all dieses miese Verhalten nützt am Ende gar nichts. Das Böse kann nicht siegen, zumindest nicht gegen Gott.

Es wird Furchtbares geschehen. Aber das Furchtbare ist nicht das Ende.

Das letzte Wort haben nicht die Gemeinheit, der Neid oder die Brutalität. Das letzte Wort hat Gott, auch zwischendurch.

Was zu erwarten ist

Wenn man also in die Zukunft schaut, dann muss man durch das böse, unangenehme und ungeliebte hindurch schauen.

Man muss damit rechnen, dass Dinge geschehen werden, die alles toppen, was man mit menschlichen Gedanken erwarten kann.

Jesus verkündet hier Gottes Möglichkeiten gegen die Möglichkeiten der Mächtigen alles Couleur, selbst gegen solche Leute wie Judas, der dachte, mit seinem kleinen bisschen Macht irgendwas bewirken zu können.

Man darf durchaus auf die Möglichkeiten der Mächtigen und der Möchtegern-Mächtigen schauen, aber nur, um zu wissen, dass Gott deren Anstrengungen wohl eher für lächerlich hält.

Man wird in Zukunft nicht nur den Mächtigen bei ihren sinnlosen Bemühungen zuschauen dürfen. Man wird vor allem Gott zuschauen dürfen, der so handeln wird, dass es das Handeln der Mächtigen als mickrig und unbedeutend erscheinen lässt.

Gott handelt. Man darf Großes erwarten.