Lukas 7,44-46 Armer Simon!

Das ist schon gemein von den Christen.

Dass sie aus dem Simon so einen unsympathischen Kerl gemacht haben.

Einen, der durch seine plumpe Unhöflichkeit seine ganze Verachtung gegenüber Jesus ausdrückt.

Scheinbar schließen die Gläubigen hier von ihrem eigenen Verhalten auf das des Pharisäers: Wir laden ja schließlich auch Leute zu uns zum Abendessen ein, um sie mal so richtig spüren zu lassen, für wie verachtenswert wir sie halten.

Oder machen Sie es nicht so? Einladungen zum Abendessen als Mittel zur Demütigung?

Wie aber kommen Sie dann drauf, dass Simon sich so seltsam verhält?

Die Realität der Einladung

Lukas sagt nicht, in welchem Ort die Geschichte stattfindet. Der Zusammenhang, in dem sie steht, lässt vermuten, dass es eine fremde Stadt ist, in der Jesus sich bei seiner Reise durch die Ortschaften des Landes aufhält.

Und hier lädt ihn nun ein ortsansässiger Pharisäer zum Essen ein. Vielleicht nach dem Gottesdienst am Sabbat, vielleicht nach einer Rede von Jesus.

Und dieser Pharisäer ist keineswegs unhöflich und voller Verachtung, sondern er redet Jesus mit „Rabbi“ an, „Lehrer“.

Und wenn man an die ganze Geschichte mit der Voraussetzung der Verachtung herangeht, dann klingt das Selbstgespräch des Simon (wer hat das eigentlich mitgeschrieben?) natürlich so, als wolle Simon zu sich selbst sagen, dass dieser Jesus nur ein großes Maul habe und einen auf Prophet mache, aber in Wahrheit zu blöd ist, eine Sünderin zu erkennen.

Dagegen spricht allerdings, dass Jesus sich nie selber als einen Prophet bezeichnet hat.

Wenn man aber bedenkt, dass wir hier ein Selbstgespräch wiedergegeben haben, und Selbstgespräche sind in der Regel ehrlich (oder belügen Sie sich in Ihren Selbstgesprächen?), und wenn man die (falsche) Prämisse der Verachtung rausnimmt, dann kann man hier ebensogut einen enttäuschten Satz von jemandem hören, der gehofft hatte, dass Gott endlich einen (den!) Propheten geschickt hat und die prophetenlose Zeit in Israel vorbei ist und das Reich Gottes nun doch kommt.

Aber dem Propheten sprach man im Judentum eine Art Allwissenheit zu. Also ein echter Prophet hätte wissen müssen, von welcher Art diese Frau ist – und jetzt kommt der Fehler von Simon – der Prophet hätte die Frau deshalb wegschicken müssen.

Obwohl Simon sicher die Geschichte der Propheten kannte, von denen Gott verlangt hatte, dass sie eine Prostituierte heirateten, wäre ihm aufgrund seiner eigenen Prägung niemals der Gedanke gekommen, dass ein Prophet mit einer Person wie dieser Frau irgend eine Art von Umgang hätte haben dürfen.

Zusammengefasst: Simon lädt Jesus nicht aus Verachtung oder Hochnäsigkeit ein, sondern aus echtem Interesse. Wie jeder andere es auch machen würde.

Und er ist enttäuscht, als seine Hoffnung sich scheinbar nicht bestätigt.

Die Realität der Höflichkeit

Natürlich hat Simon dem Jesus kein Wasser für die Füße gegeben!

So etwas macht man, wenn jemand von einer langen Reise kommt. Aber nicht, wenn jemand von drei Straßen weiter kommt.

Wer durch drei Flüsse hindurchgewatet ist und danach wieder auf der staubigen Straße gegangen ist, der braucht Wasser für die Füße. Aber nicht jemand, der 10 Minuten unterwegs war.

Und selbstverständlich hat Simon dem Jesus keinen Kuss gegeben! Seit wann küssen wir fremde Männer?

Im damaligen Israel und im Altertum generell wurden nur zwei Personengruppen geküsst:

  • Verwandte (daran hat sich bis heute nichts geändert: Wenn Tante Gertrud kommt, erwartet sie einen Kuss.)
  • Gesellschaftlich Gleichgestellte, die sich mit dem Kuss als Gleichgestellte anerkannten.

Das war es. Und Jesus war mit dem Pharisäer nicht verwandt, und es gab weder für Jesus noch für den Pharisäer einen Grund, den Anderen als gleichgestellt anzuerkennen. Denn wenn Jesus tatsächlich ein Prophet gewesen wäre, dann wäre der Kuss aus Sicht des Pharisäers eine Anmaßung gewesen; hätte der Pharisäer Jesus aber für einen Blender gehalten, wäre der Kuss aus Sicht von Jesus eine Anmaßung gewesen.

Und selbstverständlich hat Simon den Kopf von Jesus nicht mit Öl gesalbt! Wir besprühen in Deutschland doch unsere Gäste auch nicht mit Deo, wenn sie kommen!

Als David im Psalm 23 von Gott sagt „du hast mein Haupt mit Öl gesalbt“, da berichtet er von der absoluten und grenzenlosen luxuriösen Behandlung, die Gott ihm zuteil werden lässt. Den Kopf mit Öl zu salben war der Gipfel einer königlichen und grenzenlos großzügigen Behandlung, aber nicht die normale Höflichkeit bei einer Einladung zum Abendessen.

Zusammenfassend: Simon war angemessen höflich zu seinem Gast. Er hat nichts versäumt, und er hat Jesus nicht voller Verachtung behandelt. Er hat Jesus so behandelt, wie er jeden anderen Gast auch behandelt hätte.

Und das war der Fehler.

Der Vorwurf

Der Vorwurf von Jesus an den Pharisäer lautet nicht, dass der Pharisäer ihn mit Verachtung behandelt habe.

Sondern der Vorwurf lautet, dass der Pharisäer ihn ganz normal und wie Jedermann behandelt habe.

Im Gegensatz zu dieser Frau, die Jesus wie ihren Erlöser behandelt hat.

Während Simon sehr kritisch war und nicht eindeutig sagen konnte, wen er in Jesus vor sich hat, war die Frau zu einer soliden Überzeugung gelangt.

Und beide handelten gemäß ihrer Überzeugung. Das nennt man „Glaube“.

Die Frage wäre dann also, wie Sie Jesus behandeln.

Denn davon hängt ab, wie viel Ihnen vergeben wurde.

Wieviel Erlösung Sie erfahren haben und erfahren werden.

Höflichkeit gegenüber Jesus ist ungenügend.