Lukas 15,11-24 Der Sohn wird nicht gesucht

Die drei verlorenen Gleichnisse in Lukas 15 unterscheiden sich nur in wenigen Punkten:

  • im Wert von dem, was verloren wurde
  • darin, ob das Verlorene gesucht wird oder nicht.

Ansonsten sind die Geschichten völlig gleich:

  • Etwas wird verloren
  • Wenn es wiedergefunden wird, gibt es eine Party, und zwar entsprechend des Wertes des Verlorenen
  • Am Ende wird das Verlorene wieder in seine alte Position mit allen Rechten eingesetzt. Es bekommt keine Strafe, es hat weder Vorteil noch Nachteil vom Verlorengegangensein, es erhält keinen Sonderstatus. Alles wird wieder wie vorher.

Die Unterschiede

Der Unterschied im Wert des Verlorenen wird in den Gleichnissen in Prozenten ausgedrückt: Das Schaf ist 1% der Gesamtmenge, das Geldstück ist 10% des Besitzes, der Sohn ist 50% der Söhne.

Aber natürlich erkennt der Leser, dass auch in absoluten Werten der Sohn hier das Wertvollste ist.

Da müsste man doch denken, dass der Sohn auf jeden Fall gesucht wird, wenn er verloren geht. Wenn irgendjemand in diesen Gleichnissen es wert ist, gesucht zu werden, dann der Sohn!

Aber der wird nicht gesucht.

Der sitzt im Dreck, und niemand geht ihm nach.

Wegen dem Schaf und wegen dem Geldstück wird ein großer Aufwand betrieben. Wegen dem Sohn keiner.

Das Ganze erklärt sich aus den ersten beiden Versen: Die Pharisäer beschweren sich, dass Jesus mit Zöllnern und Sündern verkehrt. Und jetzt soll den Pharisäern gezeigt werden, warum er das macht und wo der Unterschied ist.

Und der Sohn wird deshalb nicht gesucht, weil er erbberechtigtes Kind ist. Er kennt den Vater, er kennt den Hof. Er hat alle Kompetenzen, um richtig zu entscheiden.

Das Geldstück kann gar nichts entscheiden, und das Schaf ist zu dumm. Die Entscheidung für die Rückkehr ist ihnen nicht möglich. Darum werden sie gesucht.

Das erbberechtigte Kind hat alle notwendigen Informationen und Kompetenzen, um sich selber für eine Rückkehr zum Vater zu entscheiden. Der Vater geht ihm nicht nach, es wird nicht gesucht. Das erbberechtigte Kind ist für seine Entscheidung verantwortlich.

Anwendung

Die Anwendung für die damalige Zeit war, dass die Pharisäer nicht die gleiche Zuwendung von Jesus bekommen wie die Zöllner und Sünder. Die Pharisäer verfügen über alle notwendigen Informationen und über den notwendigen Verstand, um sich für oder gegen Jesus und Gott zu entscheiden. Sie sind verantwortlich für ihr Handeln. Sie dürfen gerne zu Gott zurückkommen, aber sie werden nicht gesucht.

Die Anwendung für heute ist, dass Gott den Christen (das sind erbberechtigte Kinder Gottes) nicht hinterherläuft. Die Christen kennen Gott, sie kennen das Reich, sie kennen das Buch. Wenn die sich von Gott abwenden, ist es ihre eigene Verantwortung, wieder umzukehren.

(Darum wird in den Evangelien die Hölle und das nicht verlöschende Feuer und die Finsternis auch nur den Gläubigen angedroht, nicht den Ungläubigen.)