Lukas 2,4 Privatquartier in Bethlehem

Der Kaiser ließ zählen.

Aber nur wegen der steuerlichen Veranlagung.

Der Kaiser wollte wissen, wie viele Leute wo wohnten, um dann festlegen zu können, wie viel Steuern er aus diesem Bezirk kassieren konnte.

Der Ort, wo man steuerlich veranlagt wird, oder welches Finanzamt zuständig ist, bestimmt sich bei uns nach dem ersten Wohnsitz.

Im Römischen Reich ging es nach der Frage, wo ein Mensch Heimatrecht hat. Und ein Heimatrecht hatte der Mensch da, wo er Grund und Boden besaß. Wo das Familienerbe lag, weil die Familie dort seit Jahrhunderten ansässig war.

Und das war der Grund, warum Josef nach Bethlehem ging. Es ist noch nicht einmal gesagt, dass Joseph in Bethlehem geboren worden ist. Es ist nur gesagt, dass er dort Heimatrecht hatte, und das Heimatrecht hatte er aufgrund von Erbbesitz.

Wenn Josef aber in Bethlehem noch irgendwelche familiären Rechte gehabt hat, ist es sehr unwahrscheinlich, dass er dann in einem Gasthaus übernachten muss. Wenn dort noch Familie wohnt, dann ist die zur Gastfreundschaft verpflichtet. Die können ihn nicht einfach in einen Übernachtungsbetrieb abschieben.

Josef und Maria bei Ayse und Ephraim

Wenn Josef in Bethlehem noch Besitz hat, dann kann es zwar durchaus sein, dass auf dem Grundstück jetzt sein Bruder Ephraim wohnt mit seiner Frau Ayse und den 5 Kindern, weil dem Josef nur ein Teil vom Grundstück gehört oder er Teil einer Erbengemeinschaft ist.

Und irgendwann ist der Junggeselle Josef aus Bethlehem weggegangen, weil es anderswo bessere Arbeitsbedingungen gab. Und jetzt kommt der plötzlich wieder zurück, und zwar mit einer schwangeren Frau, und soll bei Ayse und Ephraim in dem kleinen Haus wohnen. Diese Häuser bestanden ja oft nur aus einem einzigen Raum, und wenn dann noch der Ayse ihre Mama und ein geistig behinderter Verwandter mit bei der Familie lebte, dann war der Fußboden, auf dem diese Leute ja alle schliefen, schnell voll.

Zwei Monate in Bethlehem

Es gibt auch noch einen weiteren Grund, warum die Herberge gar kein Gasthaus war. Josef und Maria waren nämlich annähernd zwei Monate in Bethlehem, und da ist es doch sehr unwahrscheinlich, dass die zwei Monate in einem Gasthaus gewohnt haben. Wer sollte das denn bezahlen.

Als die Magier aus dem Osten kamen, fanden die den neuen König auch nicht in einer Wirtschaft, sondern einfach in einem Haus (Matthäus 2,11).

Die zwei Monate kommen daher, dass nach Lukas Josef und Maria das nach der Geburt fällige Opfer auf dem Rückweg von Bethlehem gemacht haben, weil Jerusalem einigermaßen auf dem Weg lag. Von Nazareth nach Jerusalem sind 140 km und nach Bethlehem nochmal 30, es wäre also unsinnig gewesen, für das nachgeburtliche Opfer nochmal 140 km hin und genauso weit wieder zurück von Nazareth nach Jerusalem zu gehen. Es war viel sinnvoller, das auf dem Rückweg zu erledigen. Und so beschreibt Lukas das auch.

Dieser Opfer durfte man aber frühestens 33 Tage nach der Geburt des Kindes bringen (Lev 12,4), so dass Maria und Josef also nach der Geburt noch einen Monat in Bethlehem geblieben sind.

Die zwei Monate kommen zusätzlich daher, dass Maria vermutlich nicht zwei Tage vor der Niederkunft 170 km gewandert ist. Die werden klug genug gewesen sein, nicht im neunten Monat der Schwangerschaft so einen weiten Weg zu machen.

Außerdem haben die Magier aus dem Osten die Familie ja ebenfalls noch in Bethlehem angetroffen (Mt 2,11), und nach allem, was wir wissen, kamen die auch nicht gleich am ersten Tag nach der Geburt, denn Herodes hat später alle Kinder jünger als zwei Jahre umbringen lassen.

Das Wort „Herberge“ wird auch nicht nur für gewerbliche Beherbergungsbetriebe benutzt, auch auf Deutsch nicht, denn wenn ich meine Tante Gertrud für die Zeit ihres Aufenthaltes in Heidelberg beherberge, bin ich noch lange kein gewerblicher Betrieb. Das Wort „Herberge“ bezeichnet einfach den Ort, wo man vorübergehend wohnt. Das kann ein Gasthaus sein, das kann aber auch eine Privatunterkunft sein.

Zusammenfassend: Es ist sehr unwahrscheinlich, dass die Herberge ein Gasthof war.