Die Ehebrecherin von Johannes 8

Diese Geschichte ist in sich sehr komplex und keineswegs so simpel, wie sie auf den ersten Blick aussehen mag. Denn hier werden sehr viele Motive und Absichten miteinander verwoben, so dass ein ziemliches Gewirr an Zielen entsteht.

Ziel 1: Jesus in eine Falle locken

Das Ziel hierbei war, Jesus eine Frage zu stellen, bei der jede mögliche Antwort aus Jesu Sicht falsch gewesen wäre:

  • Hätte er gesagt, die Frau sei zu verurteilen, wäre es um seinen Ruf als Freund der Zöllner und Sünder geschehen gewesen.
  • Gleichzeitig hätte er sich gegen die Gnade ausgesprochen, die damit vom Tisch gewesen wäre.
  • Hätte Jesus gesagt, der Frau müsse vergeben werden, hätte er das Gesetz gebrochen, das für Ehebruch eindeutig die Todesstrafe vorsah.

Ziel 2: Sich selber als besser darstellen

Wenn die Pharisäer tatsächlich nur das Gesetz und damit den Willen Gottes hätten durchsetzen wollen, hätten sie Jesus antworten können, dass das so nicht im Gesetz steht, dass der den ersten Stein werfen darf, der ohne Sünde ist. Denn dann hätte man ja überhaupt keine Regel des Gesetzes durchsetzen können, weil nie jemand dagewesen wäre, der das Urteil hätte vollstrecken können.

Aber Jesus hatte die Pharisäer hier selber bei einem Gesetzesbruch erwischt: Denn nach dem Gesetz (3.Mose 20:10 und 5.Mose 22:22) müssen beide Beteiligte des Ehebruches gesteinigt werden, nicht nur die Frau. Und nach 5.Mose 17:7 müssen die (mindestens zwei) Zeugen des Vorfalls die ersten Steine werfen – die tauchen hier aber gar nicht auf. Und die Pharisäer sind auch keine Richter, sondern Privatpersonen und haben hier überhaupt kein Urteil zu fällen.

Und nur, weil Jesus deutlich gemacht hat, dass es den Pharisäern hier nicht um die Sache geht, sondern darum, die Schlechtigkeit anderer Menschen aufzudecken, um selber heiliger dazustehen, darum kann die ganze Sache hier funktionieren. Darum gehen die Pharisäer als Ertappte weg: Weil sie ertappt worden sind.

Was Jesus hier also machte, dass er die Frage von einer reinen Frage nach dem Gesetz zu einer Frage des Anstandes (also der Ethik) verschob. Damit blieb das Gesetz unangetastet, aber die Motive des Handelns wurden verurteilt.

Ziel 3: Die Gnade applaudiert dem Bösen

Die Meinung, der Jesus hier zu widerstehen hatte, war die, dass die Gnade mit dem Bösen paktiert. Das Gesetz urteilt sehr deutlich gegen die Sünde, infolge dessen muss man den Sünder ebenfalls schwer verurteilen.

Der Spagat, den Jesus hinlegt, ist aber der, dass das Urteil über die Sünde nicht nur bestehen bleibt, sondern sogar verschärft wird; der Sünder wird aber nicht verurteilt wie die Sünde, sondern der Sünder wird begnadigt.

Diesen Widerspruch konnten die Pharisäer nicht verstehen, vor allem aus der Angst heraus, dass sie die Kontrolle über das Volk und über das Böse verlieren, wenn Sie Gnade walten lassen.

Ziel 4: Gesetz für alle

Jesus macht hier klar, dass das Gesetz für alle gilt. Auch für die Pharisäer.

Wenn die Pharisäer aber selber Sünder sind – was sie zugeben, indem sie weggehen, als der, der ohne Sünde ist, den ersten Stein werfen soll – und wenn sie dabei erwarten, dass Ihnen selbst Erbarmen widerfährt, dann müssten sie dem anderen das gleiche Erbarmen zugestehen.

Oder anders gesagt: Es ist ungerecht, wenn die Pharisäer mit ihrer eigenen Sünde gnädiger umgehen als mit der Sünde anderer Leute.

Ihre Gnade bezüglich ihrer eigenen Sünde sollte sie also gnädig machen bezüglich der Sünde der anderen.

Ziel 5: Befreiung von der Macht der Sünde

Die Sünde bezieht ihre Macht aus dem Verdacht, Gott wäre nicht wirklich gut. Das ist schon seit der Schlange so, die Eva gegenüber behauptete, Gott sage nicht die Wahrheit.

Wenn die Mensch aber die Erfahrung macht, dass Gott in Wahrheit doch gut ist – voller Güte und Liebe und Entgegenkommen – dann braucht der Mensch auch nicht mehr gegen Gott zu opponieren.

Wenn diese Frau hier also die Erfahrung macht, dass der, der im Auftrage Gottes kommt, gütig zu ihr ist, erlebt sie damit die Grundvoraussetzung dafür, nicht mehr sündigen zu müssen. Die Sünde hat ihre Machtbasis, den verlogenen Gott, bei dieser Frau verloren.