Johannes 17,21 geben Sie sich gefälligst Mühe!
Wenn die Einheit unter den Christen nicht funktioniert, dann liegt es selbstverständlich immer daran, dass irgendwer sich nicht genug Mühe gibt.
Entweder beharren die Kirchen und Gemeinden auf ihrer theologischen Ansicht und können sich da nicht einigen – gelegentlich haben sie sich ja richtiggehend bekämpft.
Dann versündigen sich diese Organisationen an der Einheit.
Oder Sie selbst sind nicht liebevoll genug, nicht angemessen rücksichtsvoll oder demütig, nicht emphatisch und einfühlend oder Sie sind rechthaberisch. Und deswegen kommt es zum Streit, und darum wird das mit der christlichen Einheit nichts.
Wenn also die Kirchen oder Sie sich mehr Mühe geben würden, dann würde das mit der Einheit funktionieren, und dann wäre der christliche Glaube endlich glaubwürdig.
Mangelnde Machbarkeit
Dumm nur, dass die Einheit, wie Jesus sie hier in Jh 17 beschreibt, überhaupt nicht machbar ist. Man kann es von vornherein sein lassen. Diese Einheit herstellen zu wollen, ist ein sinnloses Unterfangen.
(Möglicherweise ist Ihnen ja schon aufgefallen, dass man dieses 17. Kapitel „das hohepriesterliche Gebet Jesu“ nennt und nicht eine Ermahnungstirade für einheitliches Verhalten und Denken. Es geht hier nicht darum, dass Menschen etwas machen sollen, sondern dass Gott etwas machen soll. Darum „Gebet“.)
Seit Vers 17 geht es darum, dass Gott die Gläubigen heiligen soll.
Also nicht, dass die sich selbst heiligen sollen. Man kennt das gelegentlich aus dem Alten Testament, dass die Gläubigen aufgefordert werden: „Heiligt euch!“ Und dann muss man sich die Hände waschen und darf drei Tage lang keinen Champagner mehr trinken. Dann nochmal Hände waschen, und dann ist man geheiligt.
Darum geht es hier nicht. Hier soll Gott die Gläubigen heiligen. Es geht also um etwas, was die Gläubigen nicht selber machen können.
Und Jesus bittet ausdrücklich nicht nur für seine 12 Apostel, sondern für uns: Joh 17,20-21
20 Aber nicht für diese allein bitte ich, sondern auch für die, welche durch ihr Wort an mich glauben,
21 damit sie alle eins seien, wie du, Vater, in mir und ich in dir, dass auch sie in uns eins seien, damit die Welt glaube, dass du mich gesandt hast.
Und da sieht man dann schon, dass diese Einigkeit nicht machbar ist. Die Einigkeit zwischen Jesus und Gott war ja eine absolute. Und so eine absolute, untrennbare Einigkeit soll hier für die Gläubigen erreicht werden. Das kann man nicht machen. Eine solche übernatürliche Einheit wie zwischen Gott und Jesus kann man nicht mit natürlichen Mitteln herstellen.
Das Machbare
Prinzipiell muss man feststellen, dass in Unternehmen jeder Art normalerweise eine weitaus größere Einheit herrscht als in der Gemeinde.
Denn in Unternehmen gibt es klare Ziele. Die werden in der Regel von oben vorgegeben, selten vom Team bestimmt. Aber selbst wenn das Team eine Entscheidung trifft, ist anschließend jeder an dieser Entscheidung gebunden.
Wenn das Ziel eines Unternehmens ist, ein bestimmtes Produkt herzustellen oder eine bestimmte Dienstleistung möglichst preiswert und möglichst gut zu erbringen, dann kann nicht jeder machen was er will.
Sicher gibt es auch Gemeinde, die so funktionieren. Bei den Zeugen Jehovas herrscht ein entsprechender Drill, und die Mormonen sind auch nicht ganz ohne.
Es gibt also durchaus eine Einheit, die machbar ist. Und die ist in hierarchisch organisierten Strukturen in der Regel deutlich größer als in der Gemeinde.
Aber um diese Einheit geht es Jesus hier nicht.
Selbst wenn man in der Gemeinde einen solchen Drill hat, dass alles sehr einheitlich erscheint, heißt das nicht, dass man an dieser Einheit erkennt, dass Gott Jesus gesandt hat. Man erkennt an dieser Einheit, dass es Leitung und Linie und Struktur gibt. Oder ordentlich Druck.
Was man sein lassen kann.
Wenn Ihnen also jemand erzählt, sie müssten liebevoller und rücksichtsvoller und verständnisvoller werden, damit die Einheit in der Gemeinde gestärkt wird, dann lassen Sie es trotzdem sein. Sie können sich verbiegen, bis von Ihrer Individualität nichts mehr übrig ist – und trotzdem wird die Welt nicht glauben, dass Gott Jesus gesandt hat. Sie können sich anpassen, bis Sie als leuchtendes Beispiel für Stromlinienförmigkeit gelten können – daran erkennt man höchstens, wie wenig Rückgrat Sie haben. Aber nicht, dass Gott Jesus gesandt hat.
Was man logischerweise nicht lassen kann
Es gibt in jeder Gesellschaft Umgangsformen, welche das Miteinander angenehmer machen: Freundlichkeit, Höflichkeit, Zurückhaltung; an der richtigen Stelle den Mund halten; nicht immer auf sein eigenes eingebildetes Recht bestehen.
Diese Umgangsformen sind in der Gesellschaft wichtig, damit wir in einer Einheit, die wir Staat nennen, zusammen leben können. Und je freundlicher die Menschen sind, umso besser lebt es sich im Lande.
Diese Umgangsformen soll man nicht an der Tür des Gemeindehauses abgeben. Die Gemeinde ist ein Teil der Gesellschaft, und die guten Umgangsformen führen auch in der Gemeinde zu einem guten Miteinander. Gutes Benehmen ist in der Gemeinde genauso selbstverständlich wie in der Arztpraxis oder im Straßenverkehr. Und je besser das Benehmen ist, umso besser die Atmosphäre. Auch in der Gemeinde.
Aber exzellente Umgangsformen führen nicht zu einer Einheit, wie sie zwischen Gott und Jesus geherrscht hat.
Und was ist es jetzt?
Am Ende will man natürlich konkret wissen, was diese Heiligung nun ist, die zu einer göttlichen Einheit führt, von der man ebenfalls wissen will, wie die denn nun aussieht.
Immerhin will Jesus uns hier ja in die Einheit zwischen sich und Gott hineinnehmen. Wir sollen sozusagen der Dritte im Bunde sein.
Aber vermutlich drückt sich Jesus mit der Heiligung hier extra wolkig und unkonkret aus. Damit nicht etwas darunter verstanden wird, was man einmal erreicht und dann als erledigt abhaken kann.
Auf jeden Fall soll diese Einheit etwa sein, das es nirgendwo anders auf der Welt gibt. Auch nicht beim FC Sankt Pauli.
Wenn wir also eine Einheit haben, die es auch in einem Unternehmen, in einer Partei oder in einem Fußballverein gibt, dann ist es nicht das, von dem Jesus hier spricht.
Wobei auffällt, dass Apostelgeschichte und Briefe des Neuen Testamentes nichts von dieser Einheit sagen. (Das liegt sicher zum Teil auch daran, dass Johannes sein Evangelium später geschrieben hat als Paulus seine Briefe und deshalb Paulus und Petrus keinen Bezug auf das johanneische Verständnis von „Einheit“ nehmen konnten.)
Es wird diese Einheit also im weiteren Verlauf des Neuen Testamentes nicht beschrieben. Allerdings werden die Ergebnisse dieser Einheit beschrieben, denn einiges, was Paulus über die Wirkung verschiedener Gemeinden schreibt, ist ohne ein göttliches, also übernatürliches Eingreifen kaum vorstellbar.
(Ja, sicher: das Betriebssystem Microsoft Windows hat sich ohne göttliche Einwirkung in kurzer Zeit weltweit durchgesetzt. Aber es ist auf den ersten Blick sehr viel praktischer und viel weniger tiefsinnig als das Evangelium.)
Wir werden bezüglich der Erkenntnis dieser Einheit wohl sagen müssen:
· Da sie dermaßen übernatürlich ist, kann man sie nicht beschreiben. Man kann ihre Auswirkungen beschreiben, aber nicht die Einheit selbst. (Man kann ja schon die Liebe im Sinne vom Verliebtsein nicht beschreiben.)
· Wenn diese Einheit in der Gemeinde gegeben ist, wird man es merken. Sowohl innerlich oder „gefühlsmäßig“, als auch an den Ergebnissen.
· Die Ergebnisse sind dann auch der Lackmustest, ob es wirklich diese Einheit war. Denn wenn die Welt nicht erkennt, dass Gott Jesus gesandt hat, dann war es diese Einheit nicht.