Johannes 6, 48 - 56 nicht bedarfsgerecht
Als Jesus hier auf der Erde war, war sein Problem, dass er den Leuten ein Reich Gottes vorstellen musste, das die Leute sich nicht vorstellen konnten.
Wir lesen das auch immer wieder, dass die Leute fragen
- ja wo ist es denn nun
- wann kommt es denn nun
- stellst du das Reich wieder her
- wie ist das mit dem Heiraten in diesem Reich?
Die Leute kannten bisher ein äußerliches Reich Gottes.
Da konnte man definieren, wo es anfing und wo es aufhörte. Im Grunde die Landesgrenzen und die Abstammung von Jakob.
Die Juden kannten ein äußerliches Reich, in dem die Probleme der wahrhaft Gläubigen gelöst wurden:
- Das Problem mit Krieg und Bedrohung war gelöst, denn wenn du das Gesetz hältst, wird Gott deine Feinde von dir fernhalten.
- Das Problem mit dem zu früh sterben war gelöst, denn du konntest Vater und Mutter ehren, auf dass du lange lebst auf Erden.
- Das Problem mit Hunger und Armut war gelöst, denn wenn du das Gesetz hältst, dann segnet Gott dich mit reicher Ernte, und den Seinen gibt’s der Herr im Schlaf.
Das war zumindest die Theorie.
In der Praxis war es aber überhaupt nicht so. Palästina war ein verarmtes Land, darum kommen in Jesu Gleichnissen so viele Tagelöhner und so viele verarmte Menschen vor. Palästina war auch kein freies Land, die Römer hatten es besetzt, plünderten die Bevölkerung steuerlich aus. Außerdem herrschte viel Ungerechtigkeit.
Und dabei hatten die Propheten das zu erwartende Reich Gottes ja noch viel besser beschrieben als wie es nach dem Gesetz ohnehin sein sollte! Es sollten nicht nur die Probleme der Menschen gelöst sein und damit ein neutraler Status herrschen, sondern es sollte auch noch schön und herrlich sein!
Und darauf wartete man jetzt.
An dieser Stelle kam Jesus mit der Speisung der 5000, also mit der Vermehrung von Brot.
Das war immerhin schon mal der richtige Ansatz, darum wollten die Leute ihn zum König machen. Die Sache war zwar noch ausbaufähig, aber Jesus war der Erste und Einzige, der bisher diesen Ansatz der grundsätzlichen Problemlösung in so einer verheißungsvollen Form gebracht hatte, und darum war es auch legitim, ihn zum König machen zu wollen.
Jesu Botschaft
Natürlich war genau das Jesu Absicht gewesen: den Leuten zu zeigen, dass das Reich Gottes jetzt im Kommen ist.
Aber die Leute dachten nun: Das mit dem Brot, das läuft schon mal, das mit den Krankheiten offenbar auch, wenn man die Sache jetzt noch auf Dachpappe und Politik ausweiten könnte, dann wären unsere Probleme weitestgehend gelöst. Dann ist das Reich Gottes im Grunde genommen da.
Folglich kommen sie nach der Brotvermehrung wieder zu Jesus, damit sie die Fortsetzung nicht verpassen.
Als Reaktion erzählt ihnen Jesus, er sei das Brot des Lebens. Und nicht irgendwas aus der Bäckerei.
Nein nein, sagen die Leute, das Manna, das war das Brot des Lebens, denn das war ja irgendwie göttlich, und es hat das Überleben Israels in der Wüste gesichert.
Nun musste Jesus ihnen erklären, dass die, die das Manna gegessen haben, hinterher trotzdem gestorben sind. Viele noch in der Wüste, die restlichen spätestens im gelobten Land.
Aber das Brot, das er ihnen bringt, das bringt ihnen sowas wie ewiges Leben, also dass man nicht stirbt. Joh 6,48-50
48 Ich bin das Brot des Lebens.
49 Eure Väter haben das Manna in der Wüste gegessen und sind gestorben.
50 Dies <aber> ist das Brot, das aus dem Himmel herabkommt, damit man davon esse und nicht sterbe.
Die Botschaft ist also: Das Reich Gottes kommt, und es bringt ein Brot mit, das besser ist als das Manna.
Das Brot bringt ein viel besseres Leben, als wie man es aus der Zeit mit Manna und Segen gewöhnt war. Denn das Brot beseitigt nicht die diversen Probleme des Lebens wie Hunger und Krieg und Ungerechtigkeit und Armut und Unterdrückung, sondern das Brot beseitigt das zentrale Problem des Menschen: den Tod.
Das kann man auch anders ausdrücken: Der Tod trennte den Menschen nicht nur vom Leben, sondern auch von Gott. Das neue Brot, das beseitigt die Trennung von Gott. Und vielleicht ist das ein viel größeres Problem als der Tod. Denn der Tod ist nur das Symptom. Die Krankheit ist das Getrenntsein von Gott.
Mangelhafte Zielgruppenorientierung
Die Leute wären ja schon froh gewesen, wenn einige der üblichen Probleme gelöst werden, die man so hat.
Die Zielgruppenorientierung stimmt hier also nicht. Die Leute wollen nicht etwas Großes, Herrliches, Überdimensionales, sie wollen nichts Mächtiges und Strahlendes und völlig Neues.
Sie wollen eine Hilfe für die Sorgen und Probleme ihres Lebens.
Statt dessen bekommen sie jetzt das, was ihnen der Baum des Lebens schon vor langer Zeit angeboten hätte.
Aber nun gut: Vielleicht hätten die Leute diese Übererfüllung ihrer Ansprüche noch irgendwie hingenommen.
Jesu Problem
Aber das Brot ist Jesus persönlich.
Das Brot ist eine Person.
Und wie das bei Brot nunmal ist, man muss es essen, damit es seine Wirkung entfalten kann: Johannes 6,51
51 Ich bin das lebendige Brot, das aus dem Himmel herabgekommen ist; wenn jemand von diesem Brot isst, wird er leben in Ewigkeit. Das Brot aber, das ich geben werde, ist mein Fleisch für das Leben der Welt.
Natürlich war den Juden schon irgendwie klar, dass Jesus hier keine Aufforderung zum Kannibalismus herausgibt. Allerdings war ihnen ansonsten in keinster Weise klar, wie sie an sein Fleisch kommen sollten.
Aber es wurde noch schlimmer: Das alte Testament verbietet das Essen oder Trinken von Blut ganz und gar, und zwar mit der Begründung, dass im Blut das Leben ist.
Johannes 6,53-56
53 Da sprach Jesus zu ihnen: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr nicht das Fleisch des Sohnes des Menschen esst und sein Blut trinkt, so habt ihr kein Leben in euch selbst.
Und dann hängt Jesus für die gestandenen Christen noch einen schönen Satz hinten dran, indem er nämlich einen Unterschied macht zwischen dem ewigen Leben und der Auferweckung:
54 Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, hat ewiges Leben, und ich werde ihn auferwecken am letzten Tag;
55 denn mein Fleisch ist wahre Speise, und mein Blut ist wahrer Trank.
56 Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, bleibt in mir und ich in ihm.
Zuerst wird die Trennung von Gott aufgehoben, was man „ewiges Leben“ nennt. Und dann kommt später auch noch die Auferweckung.
Was Jesus sagen wollte
Wie ich schon ganz am Anfang sagte: Jesu Problem war, dass er diesen Leuten ein Reich Gottes präsentieren musste, das in deren Vorstellungen keinen Platz hatte.
Das einzige Reich Gottes, das diese Leute kannten, war so:
Wenn Du in Israel auf einer großen Wiese oder in einem Fußballstadium umgeben bist von einer großen Menschenmenge, die so wie du alle Nachkommen von Jakob sind, dann bist du im Reich Gottes.
Das Reich Gottes, das ist außen. Das ist das Land, auf dem du stehst und die Leute, die um dich rumstehen.
Das Reich Gottes ist außen, und du bist innen. Im Land, in der Gruppe der Menschen.
Du bist geborgen im Reich Gottes, denn rings um dich herum ist ja Reich Gottes. Und es wohnen ja nicht nur die anderen Nachkommen Jakobs in diesem Land, sondern auch noch Gott selbst wohnt in seinem Tempel.
Und jetzt muss Jesus diesen Leuten, die nur diese Form des Gottesreiches kannten, die neue Form erklären.
Und die neue Form war genau andersrum.
Wo das neue Reich ist
Im neuen Reich bist du draußen, und das Reich Gottes ist in dir.
Das Reich Gottes ist im neuen Reich aber nicht als Institution in den Menschen, sondern in Form einer Person.
Und das musste Jesus jetzt beschreiben. Er musste den Leuten beibringen, dass da eine göttliche Person in sie hinein muss, wenn sie beim Reich Gottes mitmachen wollten.
Und wie bekommt man etwas in einen Menschen hinein? Heute kann man etwas in einen Menschen hineinoperieren, aber damals gab es eigentlich nur den Weg über die Nahrungsaufnahme.
Und darum greift Jesus hier zu diesem Bild, dass die Leute Teile von ihm essen müssen.
Veränderte Vorgänge
Wenn Gott aber nicht mehr im Himmel ist oder in einem Gebäude in Jerusalem, dann verändert das natürlich so ziemlich alles:
Die Außengrenzen des Reiches Gottes sind nicht mehr der Jordan und die Mittelmeerküste, der Hermon und der Bach Ägyptens. Sondern die Außengrenzen des Reiches Gottes ist jetzt meine Haut.
Der Sieg über die Feinde Israels geschah früher der Kuckuck weiß wo, und oft bekam der einfache Gläubige gar nichts davon mit, dass Gott die Assyrer davon abhielt, Israel anzugreifen. Der Sieg über die Feinde Gottes geschieht jetzt in mir, und wenn der Sieg etwas mit meiner Umwelt zu tun hat, dann geht der Sieg jetzt von mir aus, nicht mehr von irgendwo aus dem Himmel.
Der äußere Segen wie reiche Ernte, langes Leben, äußerer Friede und allgemeines Wohlergehen, das ist dahin! Denn das Reich Gottes ist nicht mehr äußerlich, es ist ja in mir, und mein Bankkonto ist kein Teil des Reiches Gottes mehr.
Und wenn Gott mich heute schützt, dann deshalb, weil ich ihn beherberge. Gott schützt seine eigene Wohnung, wenn er mich schützt. Aber da Gottes Wohnung nicht in Gefahr ist, wenn ich krank werde oder früh sterbe oder in tausenderlei Schwierigkeiten komme, darum schützt Gott mich auch nicht vor Krankheiten, frühem Tod oder tausenderlei Schwierigkeiten.
Wobei es besonders bezüglich der Schwierigkeiten und Probleme ja so ist, dass ich die jetzt selber überwinden kann, weil Gott ja in mir wohnt. Darum gibt es im Neuen Testament alle diese Sprüche, dass dem Glaubenden nichts unmöglich ist. Diese Sprüche gab es im Alten Testament nicht. Denn damals wohnte Gott im Himmel oder im Tempel, und dem Glaubenden war nichts anderes möglich, als Menschen nun einmal möglich ist.
Im Alten Bund hatte der Mensch keine Kraft außer seiner natürlichen. Die Kraft hatte Gott, und darum musste Kraft und Hilfe immer von Gott ausgehen.
Im Neuen Bund wohnt Gott in mir, jetzt habe ich die Kraft.
Wovor Gott mich schützt, ist, dass der Tempel Gottes ruiniert wird, und das heißt dann auch, dass der Tempel Gottes nicht durch gottloses Zeug entweiht wird. Denn Gott kann hier auf der Erde nirgendwo anders mehr wohnen als in mir.
Und während früher die Menschen Geld und Nahrung zu Gottes Tempel tragen mussten, denn es ging von innen nach außen, vom Bewohner zum Reich, vom Menschen zum Tempel – ja, so geht es immer noch, es geht immer noch vom Bewohner zur Reich, das Innere versorgt noch immer das Äußere, aber das Innere ist jetzt Gott, und der versorgt mich, und deshalb stehen in der Bergpredigt die Geschichten über Sorgen und Salomo sein Essen.
Schlusswort
Im Grunde ist das hier alles eine schlechte Nachricht:
Wer dachte, es müssten die Dinge außenrum besser werden, damit das Leben besser wird, der muss hier erkennen: Entweder es wird in mir besser, oder ich kann es vergessen.
Wer dachte, das Reich Gottes entsteht irgendwo außen, und dann bin ich darin geborgen, der muss erkennen: Das Reich Gottes entsteht in mir, oder es entsteht überhaupt nicht.
Wer die Verantwortung auf Gott abschieben wollte und sagen wollte, Gott soll sich kümmern, der muss nun sehen, dass Gott in ihm lebt und er selbst die Kraft hat und er sich selbst kümmern muss. Weil er es jetzt nämlich kann.
Und wer glaubte, er bekommt Segen, der wird schwer enttäuscht. Er bekommt nämlich ewiges Leben. Er wird göttlich. Hier und jetzt oder nie.
Und göttlich zu werden ist etwas völlig anderes, als Segen in Empfang zu nehmen. Es ist schwerwiegender. Bedeutsamer. Wichtiger.
Am Ende dieser Unterhaltung in Johannes 6 heißt es dann, dass viele Jünger nicht mehr mit Jesus gehen wollten.
Man kann sie verstehen.
Denn wenn es keinen Segen und keine Problemlösung gibt, was soll ich dann da?