Apostelgeschichte 12 – und kein Humanismus

Die Geschichte fängt damit an, dass Gott in weiser Voraussicht über ein anstehendes Ereignis informiert. Es wird eine Hungersnot kommen, und die Ankündigung der Propheten kommt so rechtzeitig, dass dann, wenn die Hungersnot losgeht, das Geld bereits in Jerusalem angekommen ist. Apg 11,27-30

27 In diesen Tagen aber kamen Propheten von Jerusalem nach Antiochia herab. 

 28 Einer aber von ihnen, mit Namen Agabus, stand auf und zeigte durch den Geist eine große Hungersnot an, die über den ganzen Erdkreis kommen sollte; sie trat auch unter Klaudius ein. 

 29 Sie beschlossen aber, dass, <je nachdem> wie einer der Jünger begütert war, jeder von ihnen zur Hilfeleistung den Brüdern, die in Judäa wohnten, <etwas> senden sollte; 

 30 das taten sie auch, indem sie es durch die Hand des Barnabas und Saulus an die Ältesten sandten.

Gott sorgt also für die Gemeinde in Jerusalem.

Und sicher, das ist ein bisschen unter der Hand: Gott informiert die Gemeinde in Antiochia über Dinge, die sonst noch niemand weiß. Auch der Kaiser nicht. Das steht nicht in der Zeitung. Das ruft nicht der Muezzin vom Minarett. Das ist Untergrundwissen.

Aber es ist nun einmal Gottes Gemeinde, und die liegt ihm am Herzen.

Das Gegenteil, sozusagen

Es sind aber auch andere Kräfte am Werk. Wir werden jetzt mit der allerhöchsten Steigerungsstufe des Bösen konfrontiert: Herodes foltert und tötet, weil das anderen Menschen gefällt.

Hitler, Stalin und Mao haben wenigstens noch das Motiv gehabt, dass sie die Welt irgendwie verbessern wollten. Nicht, dass das die Massenmorde besser macht. Aber wenigstens hatte ihr Motiv einen guten Anstrich.

Herodes foltert und tötet, weil ihm andere dafür applaudieren. Also weil er mehr gemocht wird, wenn er mordet. Das ist nun wirklich das niedrigste Motiv. So etwas machen noch nicht einmal Tiere.

Lukas stellt uns also hier das nicht mehr steigerbare Böse vor. Das Böse in Höchstform. Das Schlechte in nicht überbietbarer Schlechtigkeit.

Apg 12,1-17

1 Um jene Zeit aber legte Herodes, der König, Hand an einige von der Gemeinde, sie zu misshandeln; 

 2 er tötete aber Jakobus, den Bruder des Johannes, mit dem Schwert. 

 3 Und als er sah, dass es den Juden gefiel, ließ er weiterhin auch Petrus festnehmen — es waren aber die Tage der ungesäuerten Brote. 

 4 Den setzte er auch, nachdem er ihn ergriffen hatte, ins Gefängnis und übergab ihn an vier Abteilungen von je vier Soldaten zur Bewachung, wobei er beabsichtigte, ihn nach dem Passah dem Volk vorzuführen.

Herodes will also mit Petrus einen Schauprozess durchführen. Seit der Auferstehung Jesu sind mehr als 10 Jahre vorbei, der Petrus hat also einen gewissen Bekanntheitsgrad in Jerusalem, und die besonders frommen Juden sind auch besonders schlecht auf ihn zu sprechen.

Aber weil es diese Gerüchte gibt, dass der Petrus vor Jahren schon einmal auf geheimnisvolle Weise aus dem Gefängnis entkommen ist, darum wird der Petrus rund um die Uhr an zwei Soldaten gefesselt, und vor der Zellentür stehen nochmal zwei, zusätzlich zur sonstigen Bewachung von so einem Gefängnis.

Das große Thema

Lukas präsentiert uns hier das große Thema der Weltgeschichte. Das, was uns jeden Tag in der Tagesschau und in der Zeitung begegnet. Dem wir im Straßenverkehr ausgesetzt sind und die Kinder in der Schule. Das, was die Weltgeschichte vermutlich mehr geprägt hat als alles andere.

Und Lukas treibt die Darstellung des Bösen hier auf die Spitze, indem er beschreibt, was das eigentliche Ziel des Bösen ist.

Denn das Böse ist nicht das Ziel des Bösen.

Das Böse ist nicht böse, um böse zu sein.

Das Böse ist böse, weil es Gott in Verruf bringen will.

Das Böse ist nicht an Hinz und Kunz interessiert. Sicher, Hinz und Kunz kriegen auch einiges vom Bösen ab. Schließlich muss man Hinz und Kunz darauf hinweisen, dass es Gott ja gar nicht gibt. Denn wenn es Gott gäbe oder wenn Gott tatsächlich gut wäre, dann würde Hinz und Kunz ja helfen. Tut er aber nicht.

Das Böse interessiert sich nicht für die Römer oder die Portugiesen.

Das Böse interessiert sich letztlich nur für die Gemeinde.

Die Gemeinde ist der neue Körper Jesu auf dieser Erde. Die Gemeinde ist die einzige Repräsentanz Gottes auf der Erde. Und da das Böse in erster Linie gegen das Gute ist, greift es nicht die Römer an und nicht die Kommunisten, sondern die Vertretung des einzig Guten.

Und es geht in diesem Kapitel um die zwei Fragen:

·         Wie bekämpft Gott das Böse?

·         Und wie bekämpft er es nicht?

Geräuschlos

Es wird nun gleichzeitig die Situation an zwei verschiedenen Orten beschrieben:

5 Petrus nun wurde im Gefängnis verwahrt; aber von der Gemeinde geschah ein anhaltendes Gebet für ihn zu Gott.

6 Als aber Herodes ihn vorführen wollte, schlief Petrus in jener Nacht zwischen zwei Soldaten, gebunden mit zwei Ketten, und Wächter vor der Tür verwahrten das Gefängnis.

Natürlich weiß man, wie Bud Spencer und Terrence Hill das Problem lösen würden. Oder Rambo oder Jacky Chan. Da knallt es und dröhnt, da splittert und kracht es.

Gewalt wird durch größere Gewalt besiegt. Oder durch Gewalt mit Überraschungseffekt.

Hier handelt Gott, und es ist noch nicht einmal klar, ob die Ketten, als sie sich von Petrus Armen lösen, klirrend auf dem Boden aufschlagen oder ob die schon ab sind, als Petrus noch nicht aufgestanden ist.

Ansonsten: viel Licht, und das Sprechen eines Engels. Ob die Türen gequietscht haben, ist nicht überliefert.

 7 Und siehe, ein Engel des Herrn stand da, und ein Licht leuchtete im Kerker; und er schlug Petrus an die Seite, weckte ihn und sagte: Steh schnell auf! Und die Ketten fielen ihm von den Händen. 

 8 Und der Engel sprach zu ihm: Gürte dich und binde deine Sandalen unter! Er aber tat es. Und er spricht zu ihm: Wirf dein Oberkleid um und folge mir! 

 9 Und er ging hinaus und folgte und wusste nicht, dass es Wirklichkeit war, was durch den Engel geschah; er meinte aber, eine Erscheinung zu sehen. 

 10 Als sie aber durch die erste und die zweite Wache gegangen waren, kamen sie an das eiserne Tor, das in die Stadt führte, das sich ihnen von selbst öffnete; und sie traten hinaus und gingen eine Straße entlang, und sogleich schied der Engel von ihm. 

 11 Und als Petrus zu sich selbst kam, sprach er: Nun weiß ich in Wahrheit, dass der Herr seinen Engel gesandt und mich gerettet hat aus der Hand des Herodes und aller Erwartung des Volkes der Juden.

Das ist alles so leise und so unauffällig, dass das fast niemand merkt:

Die Gemeinde betet – naja, da wird Herodes sich fürchten. Und der Engel befreit den Petrus, und den Vorgang als solchen bekommt keiner mit.

Es wird auch kein Banner am Gefängnis aufgehängt: „Gott war hier“. Herodes kapiert bis zum Schluss nicht, dass hier Gott gehandelt hat.

Wie es weitergeht

Nachdem Petrus nun befreit ist, sagt er einem Teil der Gemeinde, die sich in der Nacht zum Beten getroffen hat, Bescheid, wobei Petrus darauf achtet, dass die Gemeindeglieder nicht mitten in der Nacht in lautes Freudengeschrei ausbrechen und irgendwer auf das Geschehen aufmerksam wird.

Und dann haut Petrus ab, und wir hören in der Apostelgeschichte lange nichts mehr von ihm. Untergetaucht und für Herodes nicht auffindbar.

Die Soldaten merken natürlich irgendwann, dass Petrus weg ist.

Und als Herodes seinen Schauprozess durchführen will und er die Veranstaltung absagen muss, weil ihm die Besetzung der Hauptrolle abhanden gekommen ist, merkt er es natürlich auch.

Apg 12,18-19

18 Als es aber Tag geworden war, gab es eine nicht geringe Bestürzung unter den Soldaten, was wohl aus Petrus geworden sei. 

 19 Als aber Herodes nach ihm verlangte und ihn nicht fand, zog er die Wächter zur Untersuchung und befahl, sie abzuführen; und er ging von Judäa nach Cäsarea hinab und verweilte dort.

Dem Herodes war die Sache so peinlich, dass er sich schleunigst aus dem Staub machte. Der konnte sich nach der Pleite in Jerusalem nicht mehr sehen lassen.

Keine Hilfe für Soldaten

Herodes lässt die Soldaten abführen, um sie hinzurichten. Das römische Gesetz, das auch in Judäa galt, besagte, dass ein Soldat, dem ein Gefangener entkommen war, die gleiche Strafe bekommt die der Gefangene bekommen hätte.

Und es gab damals keine Gefängnisstrafen. 10 Jahre Haft oder lebenslänglich, so etwas kannte man im Altertum nicht. Strafe war immer Auspeitschen oder Verbannen oder den Löwen vorwerfen oder Kopf ab.

Aber diese Soldaten konnten ja nun wirklich nichts dafür.

Die hatten nichts falsch gemacht.

Die waren jetzt ein Opfer von Gottes Güte.

Da erwartet man doch jetzt, dass der Petrus wieder auftaucht und die Soldaten rettet.

Dass der Petrus zu Herodes geht und sagt, er soll die Soldaten laufen lassen, weil die ja nichts dafür konnten.

Macht der aber nicht. Auch keiner der anderen Christen setzt sich für die Soldaten ein.

Da gibt es jetzt also eine Mutter in Israel, die ihren Sohn nicht lebend wieder sieht. Und es gibt ein Kind, das ohne Vater aufwachsen wird, denn dem Vater ist ein Gefangener abhanden gekommen.

Und Gott macht nichts.

Er hat schon vorher nichts gemacht. Beim Jakobus. Den hat Gott nicht beschützt wie den Petrus.

Und falls Sie sich noch an Vers 1 erinnern: Apg 12,1

1 Um jene Zeit aber legte Herodes, der König, Hand an einige von der Gemeinde, sie zu misshandeln;

Diese Leute sind gefoltert worden, und zwar offenbar nicht wegen krimineller Vergehen. Sondern weil die Juden dachten, man bekommt die Gemeinde so kaputt. Und Gott hat denen nicht geholfen. Gott hat es nicht verhindert.

Noch ein Toter

Übrigens stirbt auch Herodes bald danach. Immer noch in Caeserea, und jeder aufgeklärte Mensch würde sagen, er starb an Blinddarmentzündung oder Bauchfellentzündung.

Lukas sagt hier in der Apostelgeschichte, Gott habe die Finger im Spiel gehabt und für einen qualvollen Tod des Herodes gesorgt. Mag sein. Aber es war wieder so unauffällig, dass außer den Gläubigen das niemand mitbekommen hat. Keine Info an Herodes, mit wem er es da zu tun hat, und keine Werbeplakate von Gott, damit die Bevölkerung versteht, was da passiert ist.

Das traurige Ende

Das Ende des Kapitels, also die Quintessenz von dem allen, lautet so: Apg 12,24

24 Das Wort Gottes aber wuchs und mehrte sich.

25 Barnabas aber und Saulus kehrten, nachdem sie den Dienst erfüllt hatten, von Jerusalem zurück und nahmen auch Johannes mit dem Beinamen Markus mit.

Die Gemeinde ist erfolgreich, und sie hat jetzt auch das Geld für die Hungersnot, die demnächst auf die Leute zukommt.

Herodes ist tot, und das ist insofern ganz positiv, weil es in Jerusalem vor Herodes einen römischen Statthalter gab. So einen wie Pilatus. Und immer, wenn die Juden jemanden aus der Gemeinde umbringen lassen wollten, brauchten sie die Genehmigung des römischen Statthalters, und die haben sie nicht bekommen.

Sie mussten die Christen also entweder heimlich umbringen, so wie Stephanus, oder es ging eben nicht.

Und dann kam mit Herodes ein jüdischer König an die Macht, und der hat dann mit den anderen Juden gemeinsame Sache gemacht, und es gab keinen Schutz mehr für die Gemeinde.

Naja, das hat man sich in Rom nicht lange angeguckt. Nach Herodes kam wieder ein römischer Statthalter, und die Gemeinde war relativ sicher.

Tja, und das ist jetzt das Ende der Geschichte:

Jakobus ist tot; die Gefängniswärter sind tot; Herodes ist tot; aber der Gemeinde geht es prächtig.

Der Humanismus

Irgendwann, mit dem Aufkommen des Humanismus, sind die Christen auf die Idee gekommen, dass jedes Menschenleben unglaublich wertvoll sei. Und während die Humanisten diese Haltung einfach aufgrund ihres Humanismus begründen – der Mensch ist für sie das Höchste, und der Mensch hat nur ein Leben, und dieses Leben ist damit einfach wichtig und wertzuschätzen und in Ehren zu halten – da machen Christen da eine religiöse Sache draus und sagen, Gott habe jeden Menschen individuell designed und gewollt, und der Mensch sei nach dem Ebenbild Gottes geschaffen und darum in Gottes Augen unglaublich wertvoll.

Nur die 18 Millionen Toten des zweiten Weltkrieges, also die … man hat nicht den Eindruck, dass Gott diese Menschenleben irgendwie für wertvoll hielt.

Und die Toten des ersten Weltkrieges. Und die Opfer des Stalinismus. Und alle die, die bei Maos langem Marsch und während der damit verbundenen Kriege umgekommen sind.

Und die Menschen in Serbien und Bosnien. Und die in Palästina. Und die 200.000 Toten vom Tsunami 2004.

Und was wir im Alten Testament für Zahlen an Toten haben! Keine Worte des Mitleids von Gott für diese Toten, und zum nicht unerheblichen Teil war Gott sogar am Tod dieser Leute beteiligt.

Der Lukas

Lukas hat dieses Kapitel geschrieben, um zu zeigen, dass Gottes erstes Interesse der Gemeinde gilt, nicht einzelnen Menschen.

Die erste Frage ist immer: Kann Gott herrschen? Steht hier jemand Gottes Macht im Wege?

Das Reich Gottes ist Gottes erstes Interesse. Jesus ist gekommen, um eine Gemeinde zu gründen. Nicht, um zu allen lieb und rücksichtsvoll zu sein.

Und wir müssen wohl, sowohl aus der Bibel heraus als auch aus den geschichtlichen Erfahrungen heraus sagen, dass der Mensch, der sich nicht Gottes Macht unterstellt, bei Gott nicht den großen Wert hat, den die Christen ihm gerne beilegen möchten.

Darum heißt der letzte Satz in diesem Kapitel auch nicht, dass es den Menschen allen gut ging. Denn darum geht es nicht.

Der letzte Satz sagt, dass es der Gemeinde gut ging.

Und darum gehen alle Briefe des Paulus an oder über Gemeinde. Weil Gottes erstes Interesse nicht das Wohlergehen irgendwelche Einzelpersonen ist.

Und falls jemand den Wunsch verspürt, dem Bilde Gottes gleichgestaltet zu werden: Wie wär’s dann damit, die Gemeinde so wichtig zu nehmen, wie Gott sie nimmt?

Das Böse und der Schleichweg

Immer wieder hätte man das gerne, wenn Gott das Böse mal mit großem Krach auf die Fresse fliegen ließe. Einfach dem Bösen mal zeigen, wo der Hammer hängt.

Aber schon Elia musste zur Kenntnis nehmen, dass Gott nicht im Feuer, nicht im Sturm und nicht im Erdbeben war. Sondern in diesem leisen Säuseln.

Und Gott hat Israel zu seinem Volk gemacht und nicht Ägypten oder Babylon. Oder die Mongolen. Der Dschingis Khan, das wäre ein Kämpfer gegen das Böse gewesen!

Statt dessen hat Gott diesen Jesus geschickt, den die Juden recht schnell aus dem Weg geräumt haben. Kein Wunder, denn auch dessen Ankündigung war so leise, dass das ein paar Magier aus dem Osten mitbekommen haben und die Hirten auf der Bergalm, aber in Rom hat man es gar nicht mitbekommen und in Jerusalem auch nur, weil die Magier so dumm gefragt haben.

Und dieser Jesus kümmert sich dann auch nur um Gottes Gemeinde.

Aber wenn die Bösen gegen die Bösen kämpfen, wenn also der Herodes seine eigenen Handlanger umbringen lässt, dann mischt der sich nicht ein.

Wenn Russland die Ukraine angreift, dann wird der Jesus sich nicht blicken lassen, denn da prügeln sich zwei Böse. (Ungeachtet dessen, dass die meisten von uns die Ukraine als das Opfer betrachten werden. Vor Gott zählt nur, ob jemand für ihn oder ob jemand gegen ihn ist. Und da haben Russland und die Ukraine die gleiche Position.)

Ebenso wenn Israel und die Hamas aufeinander einschlagen oder China und Taiwan oder Serben und Bosnier oder wer auch immer gegen wen auch immer.

Jesus ist alle Macht gegeben im Himmel und auf Erden, aber er wird diese Macht für das Reich Gottes einsetzen und für kein anderes Reich, egal wie sehr das andere Reich Opfer eines stärkeren oder ungerechteren Reiches geworden ist.

Und er wird es leise machen. Unter der Hand. Durch Leute, die beten. Durch Fesseln, die ganz leise abfallen. Und durch die Liebe. Durch Prophetie, die die Christen über Dinge informiert, die die Regierungen auch gerne wüssten.

Er wird das mit aller Macht tun. Aber eben auch sehr leise.

Sehr unauffällig.

Undercover.