Hebräer 11,16 Gott schämt sich

Nein, eben nicht.

Wobei man manchen Schriftstellern dringend empfehlen würde, sich unmissverständlicher auszudrücken.

Denn der Zusammenhang zwischen Gottes Bautätigkeit, seinem Nicht-Schämen und dem Hoffen der Zeltbewohner auf ein besseres Vaterland geht aus dem Text nicht wirklich eindeutig hervor.

Es handelt sich um das klassische Henne-Ei-Problem:

War zuerst die himmlische Stadt da, extra für die Zeltbewohner erbaut, und die haben dann dran geglaubt?

Oder war zuerst deren Glaube da? Und weil sie soviel Zutrauen zu Gott hatten, dass er ihnen auf jeden Fall ein neues Vaterland geben würde, und wenn es nicht Kanaan war, dann würde er sich etwas anderes einfallen lassen? Und wegen dieser ihrer Zuversicht hat Gott ihnen dann die Stadt gebaut?

Ach je.

Vermutlich ist es ganz anders gemeint:

Gott schämt sich nicht, Gott Abrahams genannt zu werden, weil Abraham noch lebt.

Oder anders gesagt: Gott freut sich über Abraham, weil Abraham bei ihm ist.

Damit das Weiterleben Abrahams nach dem Tod aber stattfinden kann, muss es einen Platz geben, wo Abraham sich aufhalten kann.

Diese Stadt, in der Abraham sich aufhält, ist der Beweis dafür, dass Abraham noch lebt.

Wäre Abraham tot, würde Gott sich schämen, ein Gott der Toten zu sein.

(Beziehungsweise: Es ginge gar nicht. Gott kann als Herr über das Leben und als einer, der durch und durch durch Leben gekennzeichnet ist, nicht Gott von Toten sein. Dann hätte er ja das ganze Leben in der Schöpfung gar nicht erschaffen müssen. Denn Herr alles Nichtexistierenden hätte er auch vor der Schöpfung sein können.)

Hätte Abraham nicht geglaubt, dass Gott ihm eine Heimat verschafft, wo auch immer, dann hätte Gott sich für Abraham geschämt. Und Abraham hätte auch keine Heimat im Himmel bekommen, weil er ja nicht dran geglaubt hat. Damit wäre er aber tot gewesen, und Gott kann kein Gott der Toten sein. Damit hätte sich Gott doppelt für Abraham geschämt.

Oder andersrum gesagt, ohne Schämen: Abraham wäre nicht würdig gewesen. Weder, wenn er nicht geglaubt hätte, noch, wenn er tot gewesen wäre. Was aufs Gleiche rauskommt. Gott hätte ihn als unwürdig erachtet, und Gott hätte sich als „Gott der Weltordnung“ oder als „Gott des Universums“ vorgestellt, aber nicht als Gott Abrahams.

Letztlich wollte der Autor hier wohl so etwas ähnliches sagen wie Jesus zu den Pharisäern in Matthäus 22,31+32.