1.Johannes 5,01-05 Mikroskopische Betrachtung von Bruderliebe

In diesem Abschnitt befinden wir uns in einem Kreisverkehr.

Wir kommen am Ende wieder da raus, wo wir angefangen haben.

Es beginnt mit

„Jeder, der glaubt, dass Jesus der Christus ist“

und es endet mit

„… wenn nicht der, der glaubt, dass Jesus der Sohn Gottes ist?“

Der Kreisverkehr dient dazu, zu definieren, wann eine Tat als Bruderliebe zu werten ist.

Dieses Grundthema wird benannt in Vers 2:

„Hieran erkennen wir, dass wir die Kinder Gottes lieben …“

Die Verse 3 und 4 beginnen mit „denn“ und sind darum unverkennbar ein Schritt in der Beweisführung.

Und der Vers 5 sagt dann: „Seht ihr, ich habe recht gehabt, dass der Glaubende, den ich in Vers 1 benannt habe, derjenige ist, der den Bruder liebt.“

Und das Problem bei diesem Text ist, dass es sich um eine Endlosschleife handelt, bei der, egal wo man mit Lesen anfängt, immer eine Information fehlt, die entweder noch kommt oder schon in der Schleife vorbei ist.

Die Definition von Glaube

Um den Text in der ganzen Schleife richtig zu verstehen, muss man z.B. wissen, was der Autor unter „Glaube“ versteht.

Diese Definition steht am Ende von Vers 4:

dies ist der Sieg, der die Welt überwunden hat: unser Glaube.

Wenn es einen Sieg gegeben hat, hat es vorher einen Kampf gegeben.

Anders geht es nicht.

Es handelt sich hier nicht um einen Sieg, der dadurch errungen wurde, dass der Gegner gar nicht angetreten ist.

Denn da steht: „der Sieg, der die Welt überwunden hat“.

Nicht: „der Sieg, der zustande kam, weil die Welt gar nicht erschienen ist.“

Wenn der Autor hier also von „Glaube“ spricht, meint er nicht ein Für-wahr-halten.

Sondern er meint den Glauben, den auch Jesus forderte und als angemessen für seine Jünger ansah.

Und das ist der Glaube, der stärker ist als die Welt, stärker als die Natur, stärker als die Umstände und stärker als die Logik.

Damit ist das aber der Glaube, der übernatürliche Kraft hat.

Der Übernatürliches schafft.

Sonst kann er ja nicht stärker als die Welt sein.

Mit weltlichen Mitteln ist man ja nicht stärker als die Welt.

Wenn man die Welt besiegen will, geht das nicht mit Welt. Weil die Welt nun mal nicht stärker ist als die Welt.

Wenn in diesem Kreisverkehr also von Glauben die Rede ist, ist etwas gemeint, dass eine übernatürliche Kraft hat.

Etwas, das Wunder bewirkt.

Vers 1

Wenn also der Vers 1 sagt:

1 Jeder, der glaubt, dass Jesus der Christus ist, ist aus Gott geboren;

… dann meint er nicht, dass jeder Katholik, der an dieser Stelle mit dem Kopf nickt, das neue Leben hat.

Es meint nicht: An der richtigen Stelle Zustimmung signalisiert, und schon wiedergeboren.

Es meint nicht: Wenn man die richtige Meinung hat, das zählt dann.

Das sieht man dann wiederum in Vers 5, wo es heißt:

5 Wer aber ist es, der die Welt überwindet, wenn nicht der, der glaubt, dass Jesus der Sohn Gottes ist?

Also der Autor meint hier: Von dem, der glaubt, dass Jesus der Sohn Gottes ist, kann man ja wohl mal mindestens verlangen, dass er die Welt überwindet.

Wer sonst soll die Welt überwinden?

Es muss ja jemand sein, der außerhalb der Welt steht.

Man kann die Welt nicht besiegen, wenn man Teil der Welt ist.

Man kann ja auch nicht Bayern München besiegen, wenn man Teil von Bayern München ist.

Andersrum argumentiert

Natürlich könnte man auch andersrum drauf kommen.

Denn der Vers 1 sagt, dass man aus Gott geboren ist.

Dass man das neue Leben hat.

Nun wissen wir schon von Jesus, dass das neue Leben nur haben kann, wer das alte Leben verliert.

Nur wer sein Leben verliert, wird es gewinnen.

Man kann nicht zwei Leben gleichzeitig haben.

Folglich könnte man die Definition von „Glauben“, die der Autor voraussetzt, auch aus Vers 1 entnehmen, weil dort eben die neue Geburt als notwendige Tatsache für Glauben erwähnt wird, und damit sind wir wieder bei etwas, das höher ist als die Welt, denn dass die neue Geburt aus Wasser und Geist und damit aus Übernatürlichem sein muss, das hat schon bei Nikodemus zu Stirnrunzeln geführt.

Vers 1, zweiter Teil

Der zweite Teil von Vers 1 leitet jetzt über zu der Frage, um die es hier geht, nämlich: Was ist Bruderliebe?

und jeder, der den liebt, der geboren hat, liebt den, der aus ihm geboren ist.

Wer also Gott liebt – wenn man aus Gott geboren ist, ist Gott derjenige, der geboren hat – und wenn es jetzt heißt, dass man dann auch den Geborenen liebt, dann meint das nicht, dass man sich selber liebt.

Denn man selbst ist ja auch ein Geborener.

Sondern er will sagen: Wer seinen Vater liebt, der liebt auch seine Geschwister.

Vers 2: Die Frage nach dem Beweis der Bruderliebe

2 Hieran erkennen wir, dass wir die Kinder Gottes lieben, wenn wir Gott lieben und seine Gebote befolgen.

Das Problem, auf das Johannes hier eingeht, ist, dass die Christen den anderen Christen zum Geburtstag einen Kuchen gebacken haben und dann behauptet haben, das sei ein Ausdruck der geschwisterlichen Liebe.

Die dachten, der Text müsse so heißen: „Hieran erkennen wir, dass wir die Kinder Gottes lieben, dass wir ihnen zum Geburtstag einen Kuchen backen.“

Das Problem war, dass die Christen andere Christen, die vielleicht allein oder krank waren, angerufen haben und sich nach ihnen erkundigt haben und das dann als aus dem Opfer Jesu Christi resultierende Bruderliebe verkauft haben.

Und die haben dann gesagt: „Siehst Du, ich liebe die Geschwister doch, denn ich habe ja den Kuchen zum Geburtstag gebacken und habe angerufen und mich erkundigt.“

Also man verkauft etwas als Bruderliebe, das so dünn ist -

einen Kuchen backt mir der Betriebsrat der Rhein-Neckar-Zeitung auch, und der ist nun wirklich nicht von übertriebener Christlichkeit, und wenn meine Chefin weiß, dass ich krank bin oder Probleme habe – die fragt nach.

Also der Johannes kannte bereits das Problem, das die Gläubigen etwas als Liebe verkauften, die aus der Erlösungstat Jesu Christi erwachsen sei, was bei den gottlosen Heiden gang und gäbe ist.

Also der Kuchen ist nett, und ich esse ihn gerne, und wenn Schwester Hiltrud mich anruft in meinem Elend, weiß ich das durchaus zu würdigen. Es spricht überhaupt nichts dagegen.

Aber etwas, das in der gottlosen Welt zum Standardrepertoire gehört, als aus der Kraft des Blutes Christi erwachsene Bruderliebe zu deklarieren, das geht dann nicht.

Es gibt dazu von Jesus einen deutlichen Kommentar: Lk 6,32-34

32 Und wenn ihr liebt, die euch lieben, was für einen Dank habt ihr? Denn auch die Sünder lieben, die sie lieben.

33 Und wenn ihr denen Gutes tut, die euch Gutes tun, was für einen Dank habt ihr? Auch die Sünder tun dasselbe.

34 Und wenn ihr denen leiht, von denen ihr <wieder> zu empfangen hofft, was für einen Dank habt ihr? Auch Sünder leihen Sündern, damit sie das Gleiche wieder empfangen.

Wenn also das Befolgen der Gebote Gottes als Zeichen für die Bruderliebe gilt, dann hat Jesus deutlich gesagt, was seit seinem Auftauchen nicht mehr zu diesen Geboten Gottes zählt.

Und was folglich auch nicht mehr als Zeichen heiliger Liebe gilt.

Der Unterschied zwischen Jesus und den Pharisäern

Denn das war ja der gravierende Unterschied zwischen Jesus und den Pharisäern.

Die Pharisäer verlangten von den Gläubigen das Menschenmögliche.

Das war soweit auch richtig und angemessen.

Denn die Pharisäer hatten nichts anderes als die Bibel und ihren Verstand.

Somit konnte bei den Forderungen der Pharisäer nicht mehr rauskommen, als mit dem Verstand der Menschen denkbar war.

Und weil Gott das wusste, verlangte auch das Gesetz nicht mehr als das Menschenmögliche.

Das Gesetz verlangte: Du sollst nicht morden.

Du sollst einen Tag pro Woche nicht arbeiten.

Das war mit etwas gutem Willen und einigermaßen Disziplin für jedermann machbar.

Du sollst nicht stehlen, und wenn Du die Kuh Deines Nachbarn findest, sollst du sie zurückbringen.

Das war mit etwas gutem Willen und einigermaßen Disziplin für jedermann machbar.

Du sollst die Ränder Deines Ackers nicht abernten, sondern die Ränder für die Armen lassen, und Du sollst 10% Deines Ackerertrages an die Gemeinde bezahlen.

Das war mit etwas gutem Willen und einigermaßen Disziplin für jedermann machbar.

Du sollst deine Eltern im Alter versorgen, und wenn deinem Feind die Kuh in die Zisterne fällt, sollst du ihm trotzdem helfen, sie wieder rauszuziehen.

Das war mit etwas gutem Willen und einigermaßen Disziplin für jedermann machbar.

Kuchenbacken zum Geburtstag und Anrufen zwecks Kümmern wären also im alten Bund als menschenmögliche Aktion und damit als der Gottesfurcht entsprechende Handlung durchgegangen. Das ist mit etwas gutem Willen und einigermaßen Disziplin für jedermann machbar.

Aber dann kam Jesus, und er forderte nicht das Mögliche, sondern das Unmögliche.

Er setzte den menschenmöglichen Geboten des alten Testamentes sein „ich aber sage euch“ entgegen.

Und er zeigte, dass das Unmögliche ab jetzt nicht nur möglich war, sondern für die Gläubigen der Standard ist.

Klammer auf: Denn für das Menschenmögliche brauchen wir Gott nicht, und dafür muss auch nicht Jesus den Satan besiegen und uns aus seiner Macht befreien. Das Menschenmögliche können wir ohne Gott und ohne Jesus und ohne Erlösung. Darum heißt es ja „das Menschenmögliche“. Klammer zu.

Weiterführung

Wenn der Vers 2 davon spricht, dass wir Gottes Gebote halten, und dass man daran unsere Liebe zu den Geschwistern erkennt, dann meint er die neutestamentlichen Gebote und nicht das Leistungsverzeichnis der Schriftgelehrten.

Kuchenbacken und mitfühlende Freundlichkeit sind weder falsch noch schlecht, aber dafür ist Jesus nicht gestorben und auferstanden.

Wenn der Teufel besiegt ist und die Schuld vergeben und Gott in uns wohnt, dann ist Kuchenbacken und Mitgefühl zu wenig.

Gott lieben

Und darum hat Johannes hier die Liebe zu Gott auch gleich noch mit erwähnt.

Wenn Gott die Möglichkeit geschaffen hat und extra seinen Sohn geopfert hat, damit Gott selber in uns wohnen kann, damit dem Glaubenden nichts unmöglich ist, damit man so beten kann, dass man hinterher auch bekommt, und dass man den Bergen befehlen kann, und die verschwinden dann,

und wenn man dann zu Gott sagt: „Nein danke, wäre nicht nötig gewesen, uns reichen Kuchenbacken und durchschnittliche Freundlichkeit.“

Also das ist weder eine Wertschätzung Gottes und auch keine Liebe zu Gott.

Für das Menschenmögliche brauchen wir Jesus nicht.

Der kann dann zu Hause bleiben.

Für das Menschenmögliche reicht Frau Merkel.

Vers 3

Und jetzt begründet er, warum man die Gebote Gottes, und zwar die neutestamentlichen, Halten soll.

3 Denn dies ist die Liebe Gottes: dass wir seine Gebote halten; und seine Gebote sind nicht schwer.

Dass die Liebe zu Gott sich durch das Halten der göttlichen Gebote ausdrückt, hat Johannes schon in seinem Evangelium ausführlich behandelt.

Der Witz hier ist ja der:

Gerade habe ich gesagt, dass die Gebote Gottes im neuen Bund das Unmögliche verlangen und dass das Mögliche schlicht nicht reicht, und da sagt der hier: „und Gottes Gebote sind nicht schwer“.

Grad habe ich versucht, zu zeigen, dass es seit Jesus für durchschnittliches Sozialverhalten nichts mehr gibt, sondern dass das Unmögliche gefragt ist, da sagt der hier, dass Gottes Gebote ja schließlich nicht schwer sind.

Damit hätte er ja gesagt, dass das Übernatürliche einfach ist.

Dass das Unmögliche ohne Schwierigkeiten zu bewerkstelligen ist.

Vers 4

4 Denn alles, was aus Gott geboren ist, überwindet die Welt; und dies ist der Sieg, der die Welt überwunden hat: unser Glaube.

Ja, natürlich ist das Unmögliche einfach!

  • Wenn die Welt besiegt ist,

  • wenn die Welt das Unmögliche nicht mehr verhindern kann

  • wenn der Teufel nicht mehr querschießen kann, weil er ja schließlich besiegt ist

  • wenn Gott in uns wohnen kann

dann ist das Unmögliche nicht mehr schwer.

Und das Unmögliche ist auch deshalb nicht mehr schwer, weil es eben nicht durch weltliche Methoden bewerkstelligt werden muss.

Das Unmögliche schafft man nicht mit Disziplin und nicht mit Fleiß.

Das Unmögliche schafft man nicht mit viel Geld oder 1000 Mitarbeitern.

Auch nicht mit einem Backofen.

Das Unmögliche, sagt Vers 4, schafft man mit Glauben.

Die Welt überwindet man mit Glauben.

Zum Kuchen backen braucht man keinen Glauben.

Die neutestamentlichen Gebote erfüllt man mit Glauben. Alles andere ist unzureichend, denn es erschafft nicht das Übernatürliche.

Schlusswort

Was Johannes mit diesem Kreisverkehrabsatz sagen will, ist eine Definition der Liebe zu den Geschwistern.

David

Und natürlich – als David damals ging, um seinen drei Brüdern Essen zu bringen, als sie als Soldaten Sauls den Philistern gegenüber standen, da wäre es natürlich von hoher Christlichkeit gewesen, wenn David nicht nur seinen drei Brüdern etwas zu essen mitgebracht hätte, sondern für jeden Soldaten eine Viertel Sachertorte.

Da hätten die Soldaten sich gefreut, das wäre sehr nett gewesen, das hätte die Soldaten in dieser trostlosen Situation aufgemuntert.

David hat statt dessen das Übernatürliche gemacht und hat den Goliath aus den Pantinen gehaut.

Und das hat jedem Einzelnen seiner Glaubensgeschwistern viel mehr geholfen als 1000 gut gemeinte Sachertorten.

Gott

Johannes definiert die Bruderliebe hier nicht über Kuchenbacken, sondern über die Liebe zu Gott.

Denn wirklich nützlich für die anderen in der Gemeinde ist es, wenn ich ihnen im Kampf gegen die Sünde helfe.

Wirklich nützlich für die anderen ist es, wenn ich ihnen helfe, den Sieg gegen den Teufel umzusetzen.

Wirklich nützlich für die anderen ist es, wenn ich ihnen helfe, das Reich Gottes auszubauen und zu stabilisieren. Denn da haben dann wirklich alle was von.

Und darum, sagt Johannes, ist die Liebe zu Gott für die Liebe zu den Geschwistern so wichtig. Weil ich die wirklich wichtigen Dinge nämlich ohne Gott nicht kann.

Fürs Kuchenbacken brauche ich Gott nicht. Das kann ich alleine.

Aber für die wirklich wichtigen Dinge brauche ich Gott. Die kann ich nicht alleine.

Und darum, sagt Johannes, erkenne ich meine Bruderliebe daran, dass ich Gott liebe und seine Gebote halte.