Numeri 24, 1-9 Ich sehe was, was du nicht siehst

Nichts Neues unter der Sonne.

Bileam hatte Gott jetzt so oft gefragt wegen Israel. Und die Antworten waren immer so entsetzlich ähnlich gewesen.

Da brauchte Bileam jetzt nicht ein weiteres Mal zu fragen. Das brachte ja nichts.

Noch dazu hatte Balak den Bileam dieses mal so platziert, dass Bileam von seiner Stelle auf dem Gipfel eines Berges das riesige Lager der Israeliten in der Steppe in seiner ganzen Ausdehnung sehen konnte.

Und Bileam hatte ja ein Problem.

Ein internes Problem.

In seinem Kopf.

Ja, ein externes Problem hatte er auch. Nämlich dass er gerne das viele Geld von Balak genommen hätte, aber leider nicht die Leistung erbringen konnte, für die Balak ihn bezahlen würde. Aber das externe Problem ist jetzt nicht so wichtig.

Das interne Problem des Bileam lautete: Warum?

Warum musste er solche Dinge wahrsagen, und warum wollte Gott diese Israeliten nicht verfluchen?

Und weil das mit dem Wahrsagen ohnehin nicht wunschgemäß funktionierte, und weil Bileam ja nun die Israeliten in ganzer Ausdehnung sehen konnte, darum schaute er mal, was es denn da zu sehen gab.

Dass das mit dem Wahrsagen nicht funktioniert, meint hier, dass Bileam bisher immer Gott gefragt hatte. Dann hatte Gott dem Bileam gesagt, was er sagen soll, und Bileam war sozusagen als Sprachrohr Gottes oder als Lautsprecher Gottes zu Balak gegangen.

Aber es war ja nicht zu erwarten, dass Gott bei einer dritten Anfrage irgend etwas wesentlich anderes sagen würde.

4.Mose 24,1-2

1 Und als Bileam sah, dass es gut war in den Augen des HERRN, Israel zu segnen, ging er nicht wie die anderen Male auf Wahrsagerei aus, sondern richtete sein Gesicht zur Wüste hin. 

2 Und Bileam erhob seine Augen und sah Israel, gelagert nach seinen Stämmen; und der Geist Gottes kam über ihn.

Bileam schaut also in die Wüste und sieht die Israeliten. Einen Teil von ihnen hatte er schon vorher gesehen, die Überraschung über das, was es da zu sehen gab, wird jetzt nicht übermäßig gewesen sein.

Nun, was wird es dort wohl zu sehen gegeben haben?

Jede Menge Zelte von Leuten, die seit 40 Jahren in der Wüste waren. Zelte, die schon viele Male repariert worden waren und die staubig waren von Sand und Staub.

Man sah Hühner und Gänse, Schafe und Ziegen, vielleicht auch ein paar Rinder, Esel und Kamele.

Man sah viele Leute und einen Haufen Kinder.

Vielleicht konnte Bileam auch die Stiftshütte in der Mitte sehen. Das war aber auch nur ein größeres Zelt.

Man sah (hoffentlich) auch eine gewisse Ordnung, in der die Zelte standen.

Man sah vermutlich auch Rauch, denn man hatte sicher Feuer in den Zelten.

Wer hier etwas sieht

Und damit Balak den Bileam nicht umgehend in die Psychiatrie einweisen lässt, wenn Bileam jetzt erzählt, was er da sieht, darum erwähnt Bileam zuerst, wer denn das ist, der hier etwas sieht.

Denn wenn Balak oder der geneigte Bibelleser vom Berg herabschauen, dann sehen sie die Zelte und die Ziegen und die Kinder. Aber Bileam sieht etwas anderes, und darum erklärt er sich vorsichtshalber.

4.Mose 24,3-5

3 Und er begann seinen Spruch und sprach:    Es spricht Bileam, der Sohn Beors, und es spricht der Mann mit geöffnetem Auge.

 4 Es spricht, der die Worte Gottes hört, der ein Gesicht des Allmächtigen sieht, der niederfällt mit enthüllten Augen:

Zweimal wird hier erwähnt, dass Bileam geöffnete Augen hat. Das bedeutet natürlich nicht, dass Balak mit geschlossenen Augen ins Tal geschaut hat und darum nichts sieht.

Sondern das soll heißen, dass Bileam das sieht, was Gott sieht.

Im Gegensatz zu Balak, der das sieht, was Menschen sehen.

Das ist die Eigenschaft, die wir heute im Neuen Testament als Vollmacht verstehen oder als Geistesgabe. Genauso wird es hier bei Bileam ja in Vers 2 ebenfalls beschrieben: „der Geist Gottes kam über ihn“.

Und jetzt stellen Sie sich mal vor, wie das wäre, wenn es in Ihrer Gemeinde Leute gäbe, die über diese Möglichkeit verfügen, zu sehen, was Gott sieht, und nicht das, was ohnehin jedermann sehen kann.

  • Wenn jemand die Gabe der Barmherzigkeit hat und Menschen mit einem Maßstab und einem Herzen anschauen kann, mit dem Gott diese Menschen anschaut.
  • Wenn jemand die Gabe der Lehre hat und im Bibeltext das sieht, was Gott mit dem Text sagen will und nicht, was die Buchstaben als solche sagen.

Was Bileam sieht

Bileam guckt also von seinem Berg runter, und was sieht er nun?Numeri 24

 5 Wie schön sind deine Zelte, Jakob, deine Wohnungen, Israel!

Also bitte!

Das sind ganz normale Zelte, die man da unten sieht!

Und auch nicht mehr die neuesten!

Aber Bileam sieht eben, was Gott sieht.

Und es sollte ja bekannt sein, dass das, was man liebt, immer schön ist.

Das ist natürlich heute noch genauso:

Die Gemeinde mag für Außenstehende oder sogar für die Mitglieder recht kläglich aussehen, aber wenn Gott die Gemeinde anschaut, dann sieht er hoffentlich etwas, was Menschen nicht sehen können.

Man kann das bei einigen Briefen des Paulus erkennen, in denen er über die Gemeinde schreibt. Da kann man sich ja fragen, wo Paulus sich herumgetrieben hat, dass er so etwas schönes und herrliches und mächtiges gesehen hat.

Aber das ist das gleiche wie Bileam: Paulus sieht die Gemeinde mit den Augen Gottes.

Und in Gottes Augen ist die Gemeinde der Körper seines geliebten Sohnes.

Die Gemeinde ist letztlich das Ziel der jahrtausendelangen Bemühungen Gottes.

Es würde jetzt zu weit führen, hier den halben Epheserbrief zu zitieren, aber die Gemeinde ist eben dem Wesen nach etwas völlig anderes als das, was normale Leute sehen, wenn sie die Gemeinde betrachten.

Aber jetzt stellen Sie sich mal vor, wie das wäre, wenn in Ihrer Gemeinde die Leute sehen könnten, was Gott in dieser Gemeinde sieht.

Wenn die Leute zum Gottesdienst kämen und wüssten, wie schön das ist, wo sie da gerade hingehen, und wo sie in Gottes Augen und Gottes Einschätzung eigentlich gerade hingehen.

Und wenn die Mitglieder der Gemeinde, die logischerweise auch Anteil an dieser Schönheit haben - die Gemeinde besteht ja aus diesen Mitgliedern - mit dem Wissen durchs Leben gingen, dass sie in Gottes Augen schön sind - also nicht äußerlich - dass sie in Gottes Augen liebenswert und begehrenswert sind und eine Verbesserung unter diesem Gesichtspunkt nicht nötig ist, denn wenn Gott von seinem Berg runterschaut und mich sieht, dann freut er sich.

Was Bileam noch sieht

Bileam sieht nun nicht nur die Schönheit der Gemeinde und damit die Tatsache, dass Gott sie liebt, sondern er sieht auch die Kraft und die Energie und den Reichtum. 4.Mose 24,6

6 Wie Täler breiten sie sich aus, wie Gärten am Strom, wie Aloebäume, die der HERR gepflanzt hat, wie Zedern am Wasser.

Wenn wir an soviel grün denken, dann denken wir vor allem an Unkraut und Dickicht und Rasen mähen und Büsche schneiden. Aber für die Leute im vorderen Orient, bei denen 80% des Landes Steppe oder Wüste oder Felsen waren, ist dieses Grün natürlich der Inbegriff des Lebens und der Versorgung und der Sorglosigkeit.

Was hier beschrieben ist, ist der optimale Zustand von Leben und Existenz.

Das ist wie der Garten Eden.

Besser kann man nicht leben, schöner kann man es nicht haben. Hier gibt es nichts mehr zu verbessern. Man könnte sagen: Der Himmel auf Erden. Nur dass man damals noch keine Idee von dem hatte, was wir „Himmel“ nennen.

Und jetzt stellen Sie sich mal vor, sie haben in Ihrer Gemeinde Menschen, die wissen, dass sie in Gottes Augen das optimale Leben haben.

Dass sie in Gottes Augen eigentlich glücklich sein müssten.

Und die dann in ihrem Alltag auch so leben, als wären sie glücklich.

 7 Wasser rinnt aus seinen Eimern, und seine Saat steht in reichlichen Wassern;

Dass das Wasser in den Strömen und Flüssen floss, das war man ja gewohnt. Aber da, wo man wohnte, da war das Wasser meistens knapp.

Bei Israel laufen jedoch die Wassereimer über, und die Saat steht in mehr Wasser als genug.

Wir haben hier also keine Beschreibung von „ausreichend“, sondern von Überfluss.

Die müssen auch nicht künstlich bewässern. Da ist von alleine mehr als genug Wasser.

So etwas ähnliches hat Jesus auch einmal gesagt: Johannes 7,38

38 Wer an mich glaubt, wie die Schrift gesagt hat, aus seinem Leibe werden Ströme lebendigen Wassers fließen.

Es würde jetzt vermutlich zu weit führen, alle Bibelstellen im Neuen Testament anzuführen, die von dem Überfluss der Gemeinde und der Gläubigen sprechen.

Und jetzt stellen Sie sich mal vor, es gibt in Ihrer Gemeinde Menschen, die wissen, wie reich sie in den Augen Gottes sind, und die so leben und sich so bewegen und so mit anderen Menschen umgehen können, wie reiche Menschen voller Überfluss das halt tun.

Stellen Sie sich mal vor, Sie haben in Ihrer Gemeinde Menschen, die sich keine Sorgen machen über das Materielle und über das Glück, weil sie wissen, weil die völlig sicher sind, dass sie vom Materiellen und vom Glück immer mehr als genug haben werden. Solange sie ihr Leben mit den Augen und den Maßstäben Gottes betrachten, natürlich. Nicht mit den Augen ihres Bankberaters oder von Onkel Julius.

Und die leben dann auch so! Die strahlen das auch aus!

Der König

Immernoch Vers 7:

und sein König wird höher werden als Agag, und sein Königreich wird erhaben sein.

Agag war der König der Amalekiter, den Saul später hätte töten sollen, weil er ein Feind Gottes war (1.Sam 15,9). Und die Amalekiter waren diejenigen, die die Israeliten nur dadurch hatten besiegen können, dass Josua und Hur die Arme des Mose hoch hielten.

Der nächste israelitische König, den Bileam gemeint haben könnte, wäre dann David.

Aber so weit, wie Bileam hier schaut, dürfte er letztendlich Jesus gemeint haben.

Denn es ist ja nicht umsonst, dass uns drei Kapitel lang diese Geschichte von Bileam erzählt wird. Man hielt diese Geschichte, die ja mit Israel direkt überhaupt nichts zu tun hat - Israel selbst spielt in diesen 3 Kapiteln gar nicht mit - man hielt diese Geschichte für so ungeheuer wichtig, dass man ihr soviel Platz und Ausführlichkeit eingeräumt hat.

Dass das Königreich erhaben sein wird, sagt Jesus selbst, wenn er erzählt, dass ihm alle Macht gegeben ist im Himmel und auf Erden.

Das Reich Gottes und damit die Gemeinde steht über allem.

Das führt natürlich auch dazu, dass die Gemeinde sich letztlich mit allem anlegt. Oder alles sich mit der Gemeinde anlegt. Wenn jemand so mächtiges erscheint, wird alles andere in Frage gestellt, und das gibt selbstverständlich Ärger.

Wenn die Gemeinde erhaben ist, ist sie auch die Revolution gegen alles. Das war ja schon das Problem der Israeliten mit Gott, dass er ihnen dauernd widersprochen hat.

Aber das wurde bei Jesus ja noch viel schlimmer. Jesus hat ja wirklich jeder Macht widersprochen, er hat der Angst keinen Raum gegeben und den Vorurteilen nicht und irgendwelchen Regeln nicht, welche den Leuten die Freiheit nahmen.

Und Paulus schrieb dann, dass uns nichts von der Liebe Gottes trennen kann und dass uns nichts schaden kann, also alles zu unserem Vorteil sein muss. Das Reich Gottes steht eben nicht unter irgendwelchen Mächten und nicht neben irgendwelchen Mächten, sondern es steht über Ihnen.

Letztlich ist das Reich Gottes die Infragestellung aller Strukturen. Das Reich Gottes steht für Freiheit.

Und jetzt stellen Sie sich mal vor, Sie haben in Ihrer Gemeinde Leute, die Gemeindearbeit und ihr eigenes Leben betreiben mit diesem Wissen:

  • Dass die Gemeinde und jedes ihrer Glieder mächtiger ist als alle anderen Mächte in der Welt.
  • Dass man deshalb jede Macht in Frage stellen kann und weder der eigenen Angst noch der Regierung noch der eigenen Erziehung noch den Medien noch den eigenen Vorurteilen glauben muss.
  • Menschen, die wissen, dass nicht endgültig ist und alles revolutionierbar ist, und die darum eine ungeheure Freiheit haben.

Das Verhältnis der Gemeinde zur Welt.

4.Mose 24Jetzt kommt der Vers acht, und der beschäftigt sich mit dem Verhältnis der Gemeinde zur Welt.

 8 Gott hat ihn aus Ägypten herausgeführt.

Gott hat seine Gemeinde aus der Welt heraus geführt. Das hat Israel immer wieder nicht gefallen.

Zum Beispiel wollten sie mal einen König, weil die anderen auch einen König haben.

Jesus hat seinen Jüngern erzählt, dass sie zwar in der Welt sind, aber nicht von der Welt. Auch die Gemeinde ist aus der Welt heraus geführt.

Er hat Kraft wie die Hörner des Büffels. Er wird die Nationen, seine Gegner, fressen und ihre Gebeine zermalmen, mit seinen Pfeilen sie durchbohren.

Das hört sich ja an wie ein Zitat von Jesus: ich habe die Welt überwunden.

Und wer auch immer die Gegner der Gemeinde sind: Sie sind nicht zu beneiden. Der Teufel allen voran, darum redet Paulus so oft vom Sieg.

 9 Er duckt sich, er legt sich nieder wie ein Löwe und wie eine Löwin. Wer will ihn aufstören?

Das haben die Mächtigen zu allen Zeiten bemerken müssen: wenn man sich mit der Gemeinde anlegt, dann kriegt man Probleme.

Darum sind in vielen Diktaturen die Gemeinden so stark verfolgt worden. Weil die Mächtigen sie durchaus als eine Gefahr erkannt haben.

Die dich segnen, sind gesegnet, und die dich verfluchen, sind verflucht!

Das ist jetzt wieder ein Originalzitat von Jesus: wer einem von diesen Kleinen ein Ärgernis bereitet, der verdient einen Mühlstein. Und wer euch ein Glas Wasser gibt, weil ihr Jesu Jünger seid, der wird seinen Lohn nicht verlieren.

Und jetzt stellen Sie sich mal vor, Sie haben in Ihrer Gemeinde Menschen, die tatsächlich wissen, dass Gott aber sowas von auf ihrer Seite ist!

Und die dann so leben, als wenn nichts und niemand ihnen etwas tun kann. Noch nicht einmal Corona.

Zusammenfassung

Bileam wollte wissen, warum er die Gemeinde nicht verfluchen darf.

Und die Antwort ist, dass die Gemeinde in Gottes Augen so etwas besonderes ist.

Die Gemeinde ist wunderschön, schon allein deshalb, weil Gott sie liebt. Die Gemeinde ist voller Leben und voller Überfluss, die Gemeinde ist das stärkste was es gibt auf der Welt, sie steht außerhalb und oberhalb aller Mächte und Systeme. Die Gemeinde ist gefährlich für alles Böse und sie wird beschützt von Gott.

So, nun weiß Bileam das. Und Balak weiß es auch, der hat nämlich daneben gestanden.

Wäre doch schön, wenn die Gemeinde das auch wüsste.