Numeri 28, 1-8 Wenn Ihr Gott lacht

Na, da steht aber einer arg im Mittelpunkt!

Schauen Sie doch nur auf Vers 2: meine Opfergabe, meine Speise, mein Wohlgeruch, mir zukommendes Feueropfer!

Es gibt so ein demütigendes christliches Kinderlied, das man hier gerne anstimmen würde: „Pass auf, kleines Ich, werd nicht groß!“

Wobei man zugeben muss, dass das Ich, welches hier seine Ansprüche anmeldet, schon groß ist. Die Größe Gottes ist auch dann unüberbietbar, wenn man nur seine Persönlichkeit betrachtet und seine Handlungen und Leistungen mal außen vor lässt.

Und auch wenn der ganze Absatz schauerlich anspruchsvoll klingt, geht es hier eigentlich nur um die tägliche Beziehung zwischen Gott und seinem Volk.

Denn Gott hat sich den Israeliten nicht geoffenbart, um eine Religion zu gründen, sondern um täglich mit Menschen zusammen zu sein, die er liebt und die ihn lieben.

Problembeschreibung

Für diejenigen, die gerne etwas mit Gott zu tun haben wollten, gab es nun ein Problem:

Gott hatte jede Menge Dinge getan, damit die Menschen sich freuen können. Um den Menschen einen Gefallen zu tun.

Er hatte sie aus Ägypten herausgerufen, hatte ihnen Wachteln und Manna gegeben und Wasser aus dem Felsen, und er hatte ihnen Hoffnung gegeben auf das gelobte Land.

Damit Gottes Konzept von einer Freundschaft zwischen Gott und Menschen aufgeht, mussten die Menschen zu dieser Freundschaft ebenfalls ihren Teil beitragen. Sonst ist das keine Beziehung, sondern allerhöchstens ein Dienstleitungsvertrag. Gott liefert verschiedene Arten von Segen, so wie der Energieversorger uns Strom liefert.

Wir nehmen zwar den Strom vom Energieversorger, aber wir sind nicht mit ihm befreundet.Höhle

Gesucht wird also eine Methode, dass die Beziehung zu Gott eine wechselseitige wird, ein Geben und Nehmen auf beiden Seiten.

Was macht man also, um Gott eine Freude zu machen?

Was macht man, um die Freundschaft mit Gott zu pflegen?

Wobei die Schwierigkeit ja nicht nur die ist, dass Gott ein Gott ist. Was schenkt man einem Gott? Sondern die Schwierigkeit ist auch, dass man die Reaktion Gottes so schlecht einschätzen kann. Hat er sich jetzt gefreut?

Gottes Lösung

Weil Gott das Problem erkannte, dass die Leute niemals wissen würden, wann sie genug für diese Beziehungspflege getan hatten und schon gleich erstmal gar nicht gewusst hätten, wie man überhaupt angemessen mit einem Gott im Alltag umgeht, darum beschreibt Gott hier, wie man es richtig macht.

Im Morgen- und Abendopfer gibt Gott den Gläubigen die Möglichkeit und die Regel, richtig mit ihm umzugehen.

Die Frage ist gar nicht: Was hat Gott davon?

Sondern die Frage ist: Wann ist nach Gottes Definition die Beziehung in Ordnung?

Die Frage ist nicht: Wann ist Gott satt? Und dann hat er Montags schon nach einem halben Schaf genug, und Dienstag braucht eineinhalb, und Mittwochs ist er nach zweien noch hungrig, und man weiß eigentlich nie, wie man es richtig machen soll.

Damit könnte man sich Gottes Freundschaft aber nie sicher sein.

Es könnte dann sein, dass Gott heute schlechte Laune hat, weil er nicht genug Schaf bekommen hat. Aber man weiß es nicht, man liest das dann am Wetter oder am Schicksal des Tages ab.

Und darum gibt Gott genau an, wann die Israeliten sich seiner Freundschaft sicher sein können: Genauer Zeitpunkt, genaue Menge. Wenn das erfüllt ist, gibt es keinen Zweifel mehr: Gott ist für heute unser Freund.

(Immer vorausgesetzt, wir machen nicht etwas, was so schlimm ist, dass die täglichen Opfer auch nichts mehr nützen.)

Und damit man diese Sicherheit jeden Tag hatte, darum war das Morgen- und das Abendopfer für jeden Tag des Jahres vorgeschrieben. Da konnte kommen was wollte.

Ob es ein hoher Feiertag war oder ein ziemlich billiger Mittwoch, ob es regnete oder nicht, ob ohnehin irgendwelche Sabbathopfer gebracht wurden oder das Passah geschlachtet wurde oder beim Altar der Strom ausgefallen war, völlig egal. Es gab keinen Tag, der eine Ausnahme bildete, und es gab keine Situation und keine Umstände, die es gestatteten, von der Regel abzusehen.

Das war Gottes Lösung für die Frage, wann man wissen kann, ob die Beziehung zu Gott in Ordnung ist.

Und wenn ein Mensch im judäischen Bergland oder in Galiläa, weit weg von Jerusalem, sich darüber Gedanken machte, ob Gott heute sein Freund sei, ihm positiv gesinnt und sich freut, wenn der Mensch aus der Ferne mit ihm spricht, dann musste er sich nur überlegen: Gestern wurde das Abendopfer gebracht und heute Morgen das Morgenopfer, also ist Gott heute prinzipiell mein Freund und freut sich über mich.

Und das Opfer wurde gebracht. Da konnte er ganz sicher sein. Das regelmäßige Opfer machte nur Sinn, wenn man es regelmäßig machte. Darum wurde es  regelmäßig gemacht, weil man es sonst sein lassen konnte.

Wohlgefallen

Denn darum ging es: Dass Gott sich freut.

Immer wieder heißt es in diesem Abschnitt, dass das Ganze ein wohlgefälliger Geruch für Gott sein soll.

Ein wohlgefälliger Geruch ist nicht nur das Gegenteil von Gestank, sondern auch das Gegenteil zu gar keinem Geruch oder einem neutralen Geruch. Wenn man irgendwo zum Essen eingeladen ist und man betritt das Haus, und es riecht schon so wunderbar: das ist ein wohlgefälliger Geruch.

Natürlich ist das, wenn man es wissenschaftlich betrachtet, Quatsch. Warum sollte Gottes Laune von irgend einem Geruch abhängen? Oder, noch genauer: Hat Gott überhaupt Laune? Launen zu haben gehört zur Schwachheit des Menschen und ist keine Eigenart Gottes.

Aber irgendwie musste Gott diese Beziehungsfrage ja auf ein menschliches Niveau herunterbrechen.

Noch dazu, wo die ganze Sache vermutlich eher gestunken denn gerochen hat: Verbranntes Fleisch, verbranntes Mehl, normalerweise lüften wir sehr gründlich, wenn uns das passiert ist.

Sehr einseitig.

Natürlich ist dieses Opfer sehr einseitig. Zweimal am Tag. Da hat nur Gott etwas davon.

Das Tier und das Mehl und der Wein werden verbrannt, da bleibt nur Asche.

Numeri 28,1Es gibt ja auch Opfer, wo die Priester etwas abbekommen oder die Opfernden. Bei diesem Opfer ist das nicht so. Da bekommt nur Gott etwas.

Das ist auch richtig so, denn die Gläubigen haben ja von Gott schon einiges bekommen. Die Interessen der Gläubigen sind somit abgedeckt. Beziehung muss aber etwas Gegenseitiges sein. Und weil Gläubige mitunter auf sehr seltsame Ideen kommen, was sie den Göttern opfern sollen, damit die Götter ihnen wohlgesonnen sind – es gab bekanntlich Völker, die haben Kinder geopfert, damit die Götter ihnen gnädig sind – damit also jeder dummen Idee der Strom abgestellt wird, hat Gott eine eindeutige und klare Regelung getroffen.

Wie bekommt man einen strahlenden Gott? Die Frage ist geklärt.

Wenn das Morgenopfer und das Abendopfer pünktlich gebracht wurden, haben wir einen freundlichen, positiven, zugewandten Gott.

Allerdings muss man das  glauben. Denn das, was durch das Opfer geschieht, kann man ja nicht sehen. Es ist ja nicht so, dass der Himmel vor dem Opfer dunkel und wolkenverhangen ist, und nach dem Opfer hat man strahlenden Sonnenschein.

Gottes Wohlgefallen ist so nicht sichtbar. Man muss das glauben. Das Lachen Gottes ist imaginär. Man muss beschließen, dem Wort Gottes zu glauben. Und das Wort Gottes sagt: Wenn von allem die richtige Menge zum richtigen Zeitpunkt, dann freut sich Gott und lacht.

Was die Israeliten mit dem Morgen- und Abendopfer ausdrückten, war, dass es ihnen wichtig war, wie Gott zu ihnen stand. Es war ihnen wichtig, dass Gott lächelte oder, wie die Bibel es ausdrückt, sein Angesicht leuchten lässt über den Israeliten.

Das ist der große Unterschied im Leben, ob Gott sich freut oder nicht.

Daran entscheidet sich viel im Leben, ob man einen lachenden Gott hat oder einen verbiesterten.

Darum war auch das Schlimmste, was in den Visionen des Propheten Daniel geschah, dass das eine Horn das regelmäßige Opfer wegnahm. Denn damit war die alltägliche, normale Beziehung zu Gott weg.

Ein freundlicher, lachender Gott ist für den Teufel das Schlimmste, was er sich vorstellen kann.

Das Lamm Gottes

In Johannes 1,29 steht, dass der Täufer über Jesus gesagt hat, dieser sei das Lamm Gottes, welches die Sünden der Welt hinwegträgt.

Die Frage wäre nun: Welches Lamm des Alten Testamentes wird durch Jesus ersetzt? Worauf spielt der Täufer an?

Man könnte auf das Passahlamm tippen, denn dem durften keine Knochen gebrochen werden, so wie Jesus keine Knochen gebrochen wurden, und Paulus nennt Jesus einmal „unser Passah“. Aber das Passahlamm beseitigt keine Sünden. Es ist ein Gemeinschaftsmahl, das daran erinnert, dass die Israeliten gemeinsam, jawohl, gemeinsam, zu Gottes Volk ernannt wurden und damit aus der Sklaverei herausgeholt wurden.

Der Sündenbock, der die Sünden des Volkes wegnimmt (Lev 16,8ff) kann auch nicht gemeint sein, denn dort wird kein Lamm verwendet, sondern ein Ziegenbock.

Vermutlich ist Jesus die Summe aller Opfer des Alten Testamentes und andererseits auch ein ganz neues Opfer, ein ganz neues Lamm, denn er trägt ja die Sünde der Welt weg, nicht die Sünde der Juden oder der Christen.

Aber dann ist Jesus natürlich auch die Ersetzung des Morgenopfers und Abendopfers.

Und wenn wir uns nun morgens fragen: Habe ich heute einen lachenden Gott oder einen neutralen, der sich nicht kümmert, dann können wir fragen:

Ist Jesus gestorben und auferstanden?

Ist die Sünde der Welt weggetragen?

Ist für die Beziehung zwischen mir und Gott alles gemacht worden?

Die Anerkennung

Natürlich nützt es nur was, wenn ich Tod und Auferstehung Jesu als Ersatz für das Morgen- und Abendopfer akzeptiere.

Das Morgen- und Abendopfer verlangte ja auch, dass man glaubte, dass man dadurch einen freundlichen, lachenden Gott hatte.

Wenn man an die Wirkung der täglichen Opfer nicht glaubte, dann hatte man einen trüben Tag nach dem anderen, dann hatte man entweder gar keinen Gott oder einen, den man eigentlich nicht brauchen konnte.

Und die Frage, die uns von Martin Luther überliefert ist: „Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?“, die ist natürlich viel zu eng in der Fragestellung.

Denn ein Gott, der mich nicht bestraft, weil er gnädig ist, mich aber ansonsten nicht ausstehen kann oder dem ich darüber hinaus egal bin, das ist nicht das Bild des Alten Testamentes und erst recht nicht das des Neuen.

Denn das Morgen- und Abendopfer sollte ja zum wohlgefälligen Geruch Gottes sein. Es war nicht dafür da, dass zumindest irgendein Gestank überdeckt wurde, sondern damit Gott sich freut, so wie der Mensch sich über Gott freut.

Und es macht beim Lesen der Bibel einen enormen Unterschied, ob man die Bibel liest mit der Brille, dass man einen strengen Gott hat, der aber immerhin gnädig ist, und dafür kann man ja schon dankbar sein; oder ob man die Bibel liest mit der Brille, dass man einen Gott hat, der sich so über den Gläubigen freut, wie der Gläubige sich über Gott freut.

Nein, ich habe nicht gesagt: So wie ein Mensch sich über die Leistungen Gottes freut, so freut Gott sich über die entsprechenden Leistungen des Menschen.

Sondern der Sinn des Morgen- und Abendopfers ist:

Wir freuen uns, weil Gott da ist und uns lachend zugewandt ist, und Gott freut sich, weil wir da sind und ihm lachend zugewandt sind.