Levitikus 24,15+16 Gott antwortet auf eine Frage

Die Frage war ja soweit klar:

Ein junger Mann hatte gegen ein Gebot verstoßen, für das es im Gesetz keine Strafandrohung gab.

Es gab also das Gebot (2.Mose 22,27), aber keinerlei Anweisung, was geschehen sollte, wenn jemand gegen diese Gebot verstieß.

Die mangelnde Festlegung von Konsequenzen war auch ganz sinnvoll, denn Gott zu verfluchen war an und für sich so absurd, dass eigentlich nicht zu erwarten war, dass jemand auf die Idee kam, so etwas zu tun.

Folglich hatte man jetzt, nachdem dieser namenlose junge Mann es dennoch gemacht hatte, ein Problem.

Und man wartete auf die Antwort von Gott, was man mit dem Mann mit dem ägyptischen Benehmen machen sollte.

Und die Antwort – die Antwort war klar, wenn man rechtzeitig mit Zuhören aufhörte.

Oder für uns heute: Wenn man rechtzeitig mit Lesen aufhört.

3.Mose 24,153.Mose 24,15-18

15 Und zu den Söhnen Israel sollst du reden: Wenn irgendjemand seinen Gott verflucht, dann soll er seine Sünde tragen. 

16 Und wer den Namen des HERRN lästert, muss getötet werden, die ganze Gemeinde muss ihn steinigen; wie der Fremde, so der Einheimische: Wenn er den Namen lästert, soll er getötet werden.

Bis dahin ist alles gut. Wenn die Antwort Gottes hier aufhören würde, würde jeder es verstehen, und die Sache wäre erledigt.

Die Antwort hört hier aber nicht auf.

17 Wenn jemand irgendeinen Menschen totschlägt, muss er getötet werden.

Aber danach hat doch niemand gefragt!

18 Wer ein Stück Vieh totschlägt, soll es erstatten: Leben um Leben.

Hier ist doch überhaupt kein Vieh zu Schaden gekommen!

19 Wenn jemand seinem Nächsten einen Schaden zufügt; wie er getan hat, so soll ihm getan werden: 

 20 Bruch um Bruch, Auge um Auge, Zahn um Zahn; wie er einem Menschen einen Schaden zufügt, so soll ihm zugefügt werden.

Ja hallo, wir haben hier einen Fall von Gotteslästerung, nicht von gebrochenem Arm!

 21 Wer ein <Stück> Vieh totschlägt, soll es erstatten; wer aber einen Menschen totschlägt, soll getötet werden.

Was soll denn jetzt diese Wiederholung von Vers 17 und 18?

 22 Ein Recht sollt ihr haben: Wie der Fremde, so soll der Einheimische sein; denn ich bin der HERR, euer Gott. — 

Und jetzt erst ist die Antwort Gottes zu Ende, und es wird die Steinigung des namenlosen Halbägypters berichtet, die aufgrund dieser Anweisung von Gott durchgeführt wird.

Die hilflosen Theologen

Natürlich schreiben die Theologen auch hier wieder: Die Texte über die Todesstrafe bei Mord und im Gegenzug die finanzielle Wiedergutmachung beim Töten fremder Tiere sind hier nur so reingerutscht, weil man sowieso gerade bei Todesstrafe war, und das passte assoziativ halt gerade.

Als wenn die Leute, die die Bücher des Gesetzes in ihre heutige Form gebracht haben, staubtrockene Buchhalter waren, denen es bei der Erstellung der Texte nur darum ging, dass jeder Satz irgendwo untergebracht ist – Kreativität hin, Zusammenhang her, Gesamtaussage ohnehin egal, Form überflüssig.

Schreiberlinge ohne einen literarischen Anspruch und ohne auch nur eine Idee einer sinnstiftenden Komposition.

Nein, dass hier das Verfluchen Gottes und die Ermordung eines Menschen parallel gesetzt werden, das ist kein Zufall.

Und zwar aus mehreren Gründen nicht:

Die Ermordung Gottes

Das Schlimmste, was man nach alttestamentlichem Verständnis einem Menschen antun konnte, war, ihn zu ermorden.

Das Schlimmste, was man Gott antun konnte – nun, ermorden ging ja nicht.

Das Schlimmste, was man Gott antun konnte, war, ihn als so schlecht darzustellen, dass er den Teufel verdiente.

Ihn also zu verfluchen. Ihm den Teufel an den Hals zu wünschen.

Ihn so zu beschimpfen, wie man eigentlich den Teufel beschimpfen würde.

Wenn man das Licht als Finsternis darstellt – das war das Schlimmste, was man Gott antun konnte.

Nebenbemerkung: Es gibt ja immer Leute, die unbedingt wissen wollen, was die „Sünde wider den Heiligen Geist“ ist.

Nun, hier ist sie. Nur dass der Heilige Geist in der uns heute bekannten Form damals noch nicht veröffentlicht war, so dass wir es hier mit Sünde gegen Gott zu tun haben.

Das war übrigens genau das, was die Pharisäer in Matthäus 12 ab Vers 22 machen: Sie stellen das Licht als Finsternis dar. Sie nennen den Sohn Gottes den Obersten der Dämonen.

Sie beschimpfen Gott als den Teufel.

Die Sache mit dem Bild

Die Gleichsetzung des Verfluchens Gottes und der Ermordung eines Menschen ist auch deshalb hier nicht zufällig, weil der Mensch nach dem Bilde Gottes konstruiert ist.

Nein, das war jetzt sehr unvollständig:

Das Gesetz gegen das Verfluchen Gottes und das Gesetz „Du sollst nicht töten“ galten nur für Israeliten und nur auf israelitischem Boden.

Die Babylonier in Babylon konnten töten, wen sie wollten, und sie konnten Gott verfluchen bis sie heiser waren.

Das Gesetz Gottes galt unter denen, die von Gott aus der Gefangenschaft befreit worden waren.

Es galt in ihrem Kreis, in ihrem Land, in ihrem Reich.

Es galt im Wirkungsbereich dieses Gottes, und da galt es auch für den Ausländer.

Dass das Verfluchen Gottes auf die gleiche Stufe mit Mord an einem Menschen gestellt wurde, galt also insbesondere für die Geretteten.

Aufklärung für Pazifisten

Und ehe irgendwelche feinsinnigen Pazifisten hier wieder Amok laufen:

Selbstverständlich waren die häufigsten Arten, wie Menschen durch Menschen getötet werden, in Israel erlaubt.

Nur Mord und absichtliches Töten eines Menschen in gesellschaftlichen Friedenszeiten war verboten.

Unbeabsichtigtes Töten eines Menschen war auch nicht gern gesehen, wurde aber nicht mit der Todesstrafe bedroht. Wer fahrlässig einen Menschen zu Tode gebracht hatte, der konnte in Israel in eine der Asylstädte fliehen.

Aber die häufigsten Arten, wie Menschen durch Menschen getötet werden, waren in Israel nicht verboten:

  • Ein Soldat konnte im Krieg Feinde töten, soviel er wollte.
  • David hat 100 Philister getötet und damit den Preis für seine erste Frau bezahlt.
  • Agag, König der Amalekiter, musste getötet werden, und David hat 5 Söhne von Saul töten lassen, damit die Gibeoniter zu ihrem Recht kamen.

Also nur um das klarzustellen: Das Gebot „Du sollst nicht töten“ und die Anwendung dieses Gebotes hier in unserem Fall verboten nur einige sehr seltene Arten, wie Menschen durch Menschen zu Tode kommen.

Gleichstellung des Hasses

Levitikus 24,15In diesem für die Theologen völlig unverständlichen Abschnitt wird der Hass gegen Menschen und der Hass gegen Gott auf eine Stufe gestellt.

Wenn man also fragt, wo Jesus das eigentlich her hat, dass er ein erstes Gebot macht „Du sollst Gott lieben“ und dann ein zweites Gebot macht, das aber gleichzeitig auch ein erstes ist -

nun, die Frage wurde soeben beantwortet.

Nur dass Jesus nicht den tödlichen Hass gegen Gott und Menschen gleichrangig macht, sondern die Liebe gegenüber Gott und den Menschen gleichrangig macht.

Johannes hat in seinem Brief geschrieben (1.Johannes 4,20): „Wer seinen Bruder nicht liebt, den er gesehen hat, kann nicht Gott lieben, den er nicht gesehen hat.“

Dieser Satz ist völliger Quatsch, wenn man ihn einfach aus der Luft greift und ins blaue hinein behauptet.

Denn natürlich kann ich Gott mehr lieben als die Leute in meiner Gemeinde. Warum denn nicht?

Gott ist durch und durch gut, ganz und gar Licht, Schönheit und Herrlichkeit, Eindeutigkeit und Vollkommenheit, Heiligkeit und absolute Zuverlässigkeit.

Sie müssten mal die Leute in meiner Gemeinde kennen!

Aber Johannes stand, als er das schrieb, auf dem Boden des Alten Testamentes. Der war Jude qua Muttermilch, der hatte das Gesetz inhaliert wie andere Leute Aerosole inhalieren.

Und das dürfte Jesus seinen Jüngern während seiner irdischen Anwesenheit erklärt haben: Das Gesetz kannte viele Gebote in unterschiedlichen Abstufungen mit sehr verschiedenen Konsequenzen bei Missachtung.

Aber zwei Gebote waren gleich in ihren Konsequenzen, sie waren gleich schwerwiegend.

Und weil diese beiden Gebote so eng zusammen gehören, darum werden sie im 3.Buch Mose auch zusammen behandelt.

Anwendung

Wer also für seine Mitmenschen bereit ist, jede Menge zu tun, und wem kein Weg zu weit ist, wenn sein Mitmensch in Not ist, wer aber gleichzeitig dreimal überlegt, ob er wegen Gott jetzt soviel Mühe und soviel Aufwand und ausgerechnet jetzt und das hat Zeit, der wird sich ja nicht gleich umbringen– der weiß jetzt, welche Seite er stärken muss.

Wer andererseits Gott über alles liebt und stundenlang über ihn und sein Wort schwärmen könnte, aber schnell ins Stöhnen kommt, wenn die Sprache auf seine Mitmenschen kommt, der weiß nun ebenfalls, welche Seite er stärken muss.