3.Mose 16,11 – viel Aufwand für Aaron
Sollten Sie gedacht haben, die Vorgänge am großen Versöhnungstag betreffen das Volk, also die normalen Menschen, dann dürfen Sie hier etwas dazulernen: Es geht nämlich damit los, dass ein ziemlicher Aufwand in Bezug auf den Hohepriester getrieben wird.
Sinn und Zweck
Sinn und Zweck des Versöhnungstages war, wie der Name des Tages schon sagt, die Versöhnung mit Gott.
Das einzige, was diese Versöhnung verhindert, ist die Sünde.
Aber da geht es schon los: Denn die Sünde ist nicht ordentlich definiert. Sie kann eine Handlung sein, sie kann aber auch eine Haltung sein. Insbesondere Jesus hat den Glauben als die Haltung beschrieben, die mich ganz nah an Gott und seine Ressourcen herankommen lässt. Aber auch beim Gleichnis vom reichen Mann und dem armen Lazarus hat niemand etwas Böses oder Gutes getan. Auch hier ist die Haltung des Reichen das Problem.
Andererseits kann Sünde auch eine einzelne Handlung sein. Das sehen wir in vielen Spezialanweisungen in Moses Gesetz, aber auch in den Werken des Fleisches bei Paulus.
Folglich haben wir für die umfassende Beseitigung der Sünde hier am Versöhnungstag ein hochkomplexes Vorgehen, welches alle Aspekte der Sünde bekämpfen soll, und das zum Teil gleich doppelt.
Nur eines ist bei der ganzen Sache sonnenklar: Die Sünde soll getötet werden.
Die Sünde ist der Feind, nicht der Sünder.
Heiligkeit als Gegengift
Erst einmal wird vorausgesetzt, dass Heiligkeit eine ziemlich starke Waffe gegen die Sünde ist.
Darum wird in Vers 4 soviel Wert gelegt auf heilige Waschung und heilige Kleidung des Hohepriesters.
Und darum beginnt die Opferhandlung damit, dass der Hohepriester einen Stier als Sündopfer bringt.
Das heißt, die Heiligkeit des Hohepriesters ist hier der größte Kostenfaktor. Die Heiligkeit des Volkes ist anschließend weitaus billiger zu haben, nämlich mit zwei Ziegen.
Oder, um es andersherum zu sagen: Der Stier war das größte und teuerste Opfer, dass man nach dem Gesetz bringen konnte. Goldbarren nahm der Altar nicht.
Und dieses teuerste Opfer wurde jetzt nur für den Hohepriester benötigt, wobei die anderen Priester, die ja alle in irgendeiner Form mit dem Hohepriester verwandt waren, in die Wirkung dieses Opfers mit eingeschlossen waren. (Vers 11: für sich und sein Haus).
Sündopfer die erste
Wenn der Hohepriester jetzt ein Sündopfer bringt, legt er zuerst seine Hände auf den Kopf des Stiers und überträgt damit seine Sünden auf den Stier.
Denn sterben soll ja die Sünde.
Die Sünde kann aber nicht im luftleeren Raum sterben wie ein Bazillus. Sie braucht immer einen Träger, der dann mit ihr zusammen stirbt. Denn die Sünde gibt es nicht ohne oder außerhalb vom Menschen. Wenn es keine Menschen gäbe, gäbe es auch keine Sünde.
So vertritt jetzt also der Stier den Hohepriester.
Und er stirbt. Und mit ihm die Sünde.
Sündopfer die zweite
Nun geht es um das Blut des Stieres, das ja eigentlich das Blut von Aaron ist.
Im Blut war nach damaliger Ansicht das Leben. (Wir würden vielleicht eher sagen: Das Leben ist im Herz.)
Die Vorschrift besagt, dass beim Sündopfer das Blut des Tieres an den Vorhang vorm Allerheiligsten gespritzt wird und an die Hörner vom Räucheraltar gestrichen wird. Damit übergibt der Hohepriester (oder für wen das Sündopfer ist) sein Leben Gott. Im positiven wie im negativen. Der Opfernde sagt: „Gott, mein Leben ist in Deiner Hand. Es gehört dir.“ Was dann heißt, dass Gott dieses Leben grenzenlos segnen kann – denn er kann damit ja machen, was er will – oder es eben auch vernichten kann.
Es heißt dann auch: Ich will so leben, wie es Dir, Gott, gefällt.
Damit ist nun in jeder Hinsicht der Rechtsanspruch Gottes anerkannt.
Sündopfer die dritte
Dann werden die besten Teile Stieres auf dem Brandopferaltar verbrannt. Da mögen jetzt einige ernährungsbewusste Leute protestieren, denn das Beste ist das Fett.
Der Sinn ist, dass hier ein Wohlgeruch für Gott entsteht.
Man schafft eine freundliche Atmosphäre.
Kostet natürlich was. Einen Stier gibt es nicht für umsonst.
Aber das soll es eben aussagen: Das bist Du, Gott, mir wert.
Sündopfer die vierte
Nein, Sie bekommen nichts ab. Wenn Sie jetzt auf eine saftige Rinderkeule gehofft hatten oder auf ein Rückensteak – meine Güte, das Tier ist doch total versifft!
Das ist mit Sünden beladen! Das ist schmuddelig! Die Sünde soll vernichtet werden und nicht in der Pfanne zu neuem Leben erwachen!
Alles Äußere des Tieres wird außerhalb des Lagers verbrannt. Also alles das, wo letztlich die Sünde dran klebt. (Die Diskussion, warum am Fett über den Nieren keine Sünde klebt, können Sie sich an dieser Stelle schenken. Nehmen Sie es einfach zu Kenntnis.)
Damit ist die Sünde nun also restlos getötet und vernichtet, und das Verhältnis zwischen dem Hohepriester und Gott ist in einem optimalen Zustand.
Denn mehr, als dass der Hohepriester Gott sein Leben gibt (vertreten durch das Tier) und damit eine Absichtserklärung abgibt, und dann für Gott noch einen Wohlgeruch veranstaltet, kann man für das Verhältnis mit Gott nicht tun.
Brandopfer
In Vers 24, als Aaron den heiligen Arztkittel schon wieder ausgezogen hat, bringt er abschließend noch ein Brandopfer für sich – das ist der Widder, der in Vers 3 schon erwähnt wurde.
Das Brandopfer ist für den Opfernden gar nicht wichtig. Es ist wichtig für Gott.
Während beim Sündopfer durchaus der Mensch mit seinen Sünden im Mittelpunkt stand, steht beim Brandopfer nur Gott im Mittelpunkt. Das Opfer soll ein Wohlgeruch für Gott sein, und der Mittelpunkt der ganzen Opferhandlungen ist letztlich Gott. Weshalb der Mensch von dem Brandopfer auch nichts bekommt. Das Brandopfer Aarons am Ende des Versöhnungstages sagt: Ich habe es für Dich gemacht, Gott. Nicht für mich, und nicht in erster Linie für die Menschen. Die Mitte, das Wichtigste, das Zentrale ist immer noch Gott.
Das Ende
Da habe ich nun viel geschrieben, aber mit der Hauptsache des Versöhnungstages sind wir noch kein Stück weiter gekommen.
Wir haben nur erst den Hohepriester in einen Zustand versetzt, dass er sich um die Versöhnung zwischen Volk und Gott kümmern kann.
Woran man vor allen Dingen sehen kann, welche Bedeutung und welche Kraft die Sünde hat.
Dass derjenige, der sie beseitigen soll, so dermaßen sauber, rein, heilig und sündlos sein soll.
Das war schon nicht sinnlos, dass Gott am Ende seinen eigenen Sohn geschickt hat, um sich der Sache anzunehmen.
Denn der verfügte in nie vorher dagewesenem Ausmaß über diese Eigenschaften.
Falls Sie also die Versöhnung mit Gott anstreben: Ohne einen absolut heiligen Hohepriester (aktuell: Jesus) wird es nicht gehen.