Genesis 45,16 - Tod eines Moderators

Eine Talkshow im ägyptischen Fernsehen.

Dieses Hörspiel wurde im vorigen Jahrtausend für eine Jugendfreizeit geschrieben. Es soll einfach nur die Situation beim Wiedererkennen zwischen Joseph und seinen Brüdern aus einer anderen Sicht beschreiben. Sie finden hier nichts hochtheologisches, aber wenn Sie bisher nicht wussten, wer Asenat ist, dann werden Sie es nach diesem Hörspiel wissen.

Teilnehmer: Moderator, Pharao, Asenat, Ruben, Benjamin, Juda, Joseph

Moderator: Guten Abend meine Damen und Herren. Willkommen bei unserer Talkshow „Bei uns in Ägypten“. Heute haben wir ganz besondere Gäste. Wir begrüßen zum einen den Pharao.

Pharao: Also es geht ja wohl los. „Seine hochwohlgeborenste und allerköniglichste Majestät“ wäre ja wohl das Mindeste gewesen, was Sie hätten sagen müssen.

Moderator: Entschuldigung, hochwohlgegorenste und allerköstlichste äh Majestät. Außer Ihnen ist ja noch der Herr Ministerpräsident da. Guten Abend Herr Ministerpräsident.

Joseph: Guten Abend.

Moderator: Außerdem begrüßen wir Herrn Ruben Ben Jakob aus Kanaan.

Ruben: Ich war von Anfang an dagegen.

Moderator: Aber natürlich. Wir begrüßen auch Herrn Benjamin Ben Jakob, der einen silbernen Becher gestohlen hat.

Benjamin: Sie haben aber komische Tiere hier in Ägypten.

Moderator: Das sind Krokodile. Außerdem ist natürlich auch die Frau des Herrn Ministerpräsidenten da. Guten Abend, Frau Asenat.

Asenat: Also Sie, ich sag es Ihnen gleich. Als wenn meine Verwandtschaft nicht schon groß genug wäre. Diese Horde hat mir gerade noch gefehlt.

Juda: Nun werden Sie mal nicht frech. Ob ich nun unbedingt die Tochter eines heidnischen Priesters in der Familie haben wollte, ist ja wohl noch die Frage.

Ruben: Dann hättest du ihn damals nicht verkaufen dürfen.

Juda: Du mischt dich mal gar nicht ein, denn Du bist als Erstgeborener von Papa abgesetzt worden.

Benjamin: Laufen Krokodile immer an der Zimmerdecke rum?

Moderator: Krokodile laufen niemals an der Zimmerdecke rum. Liebe Zuschauer, entschuldigen Sie die Unkenntnis des jungen Mannes, er ist halt Ausländer. Herr Ministerpräsident .....

Pharao: Es gehört sich ja wohl, dass zuerst ich interviewt werde. Ich bin immerhin der Pharao.

Moderator: Hier wird eigentlich niemand interviewt. Dies ist eine Talkshow. Da spricht man miteinander, da wird man nicht interviewt.

Pharao: Danke, auf diese Frage habe ich gewartet. Selbstverständlich freue ich mich, dass auch aus sehr zurückgebliebenen Gegenden dieser Erde - wie heißt das Land doch gleich?

Moderator: Ich habe überhaupt keine Frage gestellt.

Pharao: So heißt doch das Land nicht!

Benjamin: Wenn Krokodile nicht an der Zimmerdecke herumlaufen, dann ist es auch kein Krokodil.

Joseph: Das Land heißt Kanaan.

Pharao: Genau. Also, dass aus diesem so weit entfernten und zurückgebliebenen Land Menschen zu uns nach Ägypten kommen, um von unserer Intelligenz, von unserem Fortschritt, von unserem Können in Zeiten des Hungers zu profitieren, das ehrt uns und zeigt ganz offensichtlich und für jeden erkennbar, dass wir das beste und entwickeltste Land der Welt sind, und wem verdanken wir das?

Joseph: Gott natürlich. Er hat die Träume geschickt, und er hat den Deuter geschickt.

Asenat: Und jetzt diese Leute. Wie soll ich denn bloß alle die Namen von den Schwagern und Schwägerinnen behalten? Von Neffen und Nichten und dem ganzen Zeug gar nicht zu reden.

Moderator: Herr Ministerpräsident, haben Sie denn Ihren Brüdern nun vergeben?

Ruben: Mir braucht er nicht so viel zu vergeben. Ich war von Anfang an dagegen.

Joseph: Ja, ich habe meinen Brüdern voll und ganz vergeben.

Asenat: Aber ich lade die nicht zu mir nach Hause ein. So viele silberne Becher haben wir nicht. Und was sollen die Nachbarn denken, wenn ich Diebe einlade?

Benjamin: Es hat ziemlich viele Beine. Wahrscheinlich hat ein Krokodil auch gar nicht so viele Beine.

Pharao: Wenn wir nun wieder auf die großen Verdienste und die große Herrlichkeit des Pharaos zu sprechen kommen, dann fällt ja ins Auge, dass alle hier Anwesenden ohne mich längst verhungert wären. Ich darf also wohl bitten, dass man mir .....

Juda: Aber Gott hat Ägypten doch nur dazu benutzt, dass sein Volk überlebt! Das wichtigste sind wir!

Asenat: Du hättest ja auch auf Deinen Becher aufpassen können. Man läßt das Zeug doch nicht einfach so rumstehen.

Moderator: Herr Juda, es ist ja, wenn ich es richtig sehe, noch ein weiterer Traum in Erfüllung gegangen.

Juda: Erinnern Sie mich nicht! Erst hat er uns erzählt, dass er geträumt hat, dass wir uns vor ihm verbeugen, und dann tun wir 20 Jahre später genau das! Sowas peinliches!

Ruben: Aber wir wußten da ja noch nicht, dass er das ist.

Joseph: Wärst Du nicht niedergefallen vor dem Ministerpräsidenten von Ägypten, wenn du gewusst hättest, dass ich es bin?

Ruben: Doch, natürlich. Ich wollte ja Getreide.

Benjamin: Ich tippe auf Spinne. Ja, bestimmt, es ist eine Spinne.

Pharao: Ich finde, meine Rolle als Retter dieser Menschen findet hier zu wenig Beachtung. Immerhin erlaube ich ihnen, in mein Land zu kommen und sich satt zu essen an dem, was unter meiner Regierung angesammelt wurde. Ich finde, man sollte mich und meinen Verdienst in den Mittelpunkt dieser Sendung stellen.

Ruben: Wenn ich schon an den Umzug denke! Wenn Sie wüßten, was meine Frau alles gesammelt hat im Lauf der Jahre. Da müssen wir wahrscheinlich dreimal gehen, bis wir alles hier haben.

Pharao: Selbstverständlich bekommen Sie Wagen von mir, die von Pferden gezogen werden.

Juda: Dann darf man aber Benjamin nicht fahren lassen. Er fährt schon daheim mit dem Pflug immer Rallye, da darf man ihn nicht an einen richtigen Wagen lassen.

Asenat: Es tut aber keiner von denen bei uns wohnen, dass das nur klar ist. Diese Ausländer sind immer so unordentlich und schmutzig. Und sie verkaufen sogar ihre Brüder. Komische Sitten sind das.

Juda: Das mit dem Verkaufen von unserem Bruder, das war ja falsch, das haben wir längst eingesehen. Das machen wir nie wieder.

Joseph: Ich danke Dir. Das läßt mich ja hoffen.

Moderator: Und Herr Juda, Sie haben sich bei Ihrem Vater für die Sicherheit von Benjamin verbürgt?

Juda: Ja, sonst hätte mein Vater uns nicht gehen lassen.

Ruben: Und beinahe wärest Du Sklave beim Ministerpräsidenten von Ägypten geworden! Wenn der gewußt hätte, wie ungeschickt Du in allem bist!

Benjamin: Jetzt bewegt es sich! Es geht zu der Wand hin!

Joseph: Ich habe das doch gewußt. Ich kannte ihn ja. Aber ich habe das ja auch nur gesagt, um zu prüfen, ob er seinen jüngsten Bruder auch einfach anderen Leuten andrehen würde. Aber das hat er ja nicht getan.

Pharao: Ich glaube, ich gebe Deinen Brüdern ein Standbild von mir mit nach Hause, das sie dort aufstellen können, damit die Leute dort wissen, wo deine Brüder abgeblieben sind. Wenn man es dreißig Meter hoch macht und aus gutem ägyptischen Granit, dann müßte es doch ganz gut sein.

Asenat: Muß ich denen eigentlich allen was schenken, wenn die Geburtstag haben? Das wäre ja entsetzlich!

Ruben: Aber liebe Schwägerin, wir ziehen doch nach Goschen, das ist doch weit weg von Dir. Da merkst Du es gar nicht, wenn wir Geburtstag haben.

Benjamin: Es läuft die Wand runter! Sind Spinnen in Ägypten eigentlich gefährlich?

Moderator: Aber nein, nur Taranteln. Herr Juda, wenn wir Sie um ein Schlußwort bitten dürften?

Juda: Nun, ich bin beeindruckt, dass Gott unseren Verkauf von Joseph dazu genutzt hat, uns vor dem Hungertod zu retten. Das beschämt mich ja ein bisschen, dass Gott uns für das Böse, was wir damals taten, nun auch noch belohnt.

Pharao: Also das mit diesem Gott scheint doch nicht so einfach zu sein, wie ich dachte. Ich dachte, wenn man nur einen hat, dann ist das nicht so schwierig. Wir haben ja viele Götter, das ist recht kompliziert, und Hathor wird jetzt ja auch abgeschafft, weil äh wie sagt man äh weil ein technischer Defekt aufgetreten ist. Aber wenn dieser Gott Böses in Gutes verwandelt, das ist ja dann doch alles etwas komplizierter.

Moderator: Herr Ruben, auch von Ihnen ein Schlußwort?

Ruben: Mir ist auf jeden Fall eine Last von der Seele genommen. Ich habe mich alle die Jahre gefragt, wo Joseph abgeblieben ist, weil ich im Gegensatz zu Papa ja wusste, dass er noch lebt - oh nein, Scheiße, jetzt müssen wir Papa ja erklären, wieso er noch lebt, obwohl wir die blutige Jacke gebracht haben! Oh Scheiße, dann merkt er ja, dass wir 20 Jahre lang gelogen haben!

Asenat: Diese Verwandtschaft scheint von vorne bis hinten verdorben und schlecht zu sein. Wie kann man sich nur 20 Jahre lang belügen?

Benjamin: Jetzt ist sie hinter dem Kopf vom Moderator.

Moderator: Herr Ministerpräsident, wollen Sie auch noch etwas sagen?

Joseph: Ich bin froh, dass alles so gut ausgegangen ist. Ich freue mich, dass ich noch erleben durfte, dass Gott einen Sinn hinter all der Mühe und der Aufregung gesehen hat.

Pharao: Ich habe auch ein Schlußwort. Es soll aber das Schlußwort sein, denn es sind große Worte darin über Frieden und Völkerverständigung und internationale Solidarität, und dass der ägyptische Pharao der Garant von Frieden und Wohlstand ist und somit ungeheuer wichtig. Aber das will ich erst ganz zum Schluß sagen, wirklich als letzter.

Moderator: Frau Asenat, möchten Sie ein Schlußwort sagen?

Asenat: Ach, wissen Sie, meine Probleme interessieren doch keinen. Ich muß jetzt den Kindern erklären, dass sie noch einen Großvater mehr haben, und dass der ein Ausländer ist, und dann wollen bestimmt die anderen Kinder nicht mehr mit ihnen spielen. Ich muß mich irgendwie mit dieser ganzen Familie von Hungerleidern arrangieren, und dabei bin ich doch die Frau eines Ministerpräsidenten. Es ist alles sehr viel für mich.

Moderator: Aber Ihr Mann ist doch jetzt glücklich.

Asenat: Ach so? Naja, da haben sie recht. Das ist immerhin etwas.

Moderator: Benjamin, möchtest Du auch ein Schlußwort sagen?

Benjamin: Die Spinne sitzt jetzt auf Ihrer Schulter, ziemlich nah am Hals. Ihr habt aber wirklich große Spinnen hier.

Moderator: Wo? - Oh, nein, Hilfe! Das ist eine Tara - a - a - a ööööö........

Pharao: Und mein Schlußwort? Was wird mit meinem Schlußwort? Was fällt ihm ein, zu sterben, bevor er mein Schlußwort gehört hat?!