Sintflut – der Segen der Widersprüche

Dieser Artikel beschreibt, warum die Widersprüche und Ungereimtheiten in der Sintflutgeschichte gewollt sind.

Nein, diese Geschichte mit dem Hochwasser kann man wirklich keinem intelligenten Menschen zum Lesen geben.

Mal ganz davon abgesehen, wie man sich das vorstellen soll, mit all diesen Tieren in dem Holzkasten. Aber das ist jetzt mal geschenkt.

Die ganze Geschichte ist so voller Widersprüche und Wiederholungen, dass sie eigentlich unlesbar ist. Literarisch eine Katastrophe. Hilflos zusammengestoppelt, könnte man meinen.

Allein schon die Frage, wie viele Tiere von jeder Sorte nun eigentlich in der Arche waren, wird in 6 verschiedenen Versen auf unterschiedlichste Art und Weise beantwortet.

Und ob es nun 40 Tage geregnet hat oder 150, werden wir wohl nie erfahren.

Und ist nun eigentlich ein Rabe für die Erkundungsflüge benutzt worden oder doch eine Taube?

Es wird zweimal in die Arche gegangen, und Gott verspricht auch zweimal, so ein Hochwasser nicht noch einmal zu machen.

Hat derjenige, der uns die heute vorliegende endgültige Form aufgeschrieben, das eigentlich nicht gemerkt, was er da für einen Mist aufschreibt?

Der Sinn der Widersprüche

Offenbar haben zwei unterschiedliche Personen zu unterschiedlichen Zeiten an unterschiedlichen Orten Gott gefragt, warum er so weit entfernt ist und warum der Umgang mit Gott so schwierig ist.

Und beiden Personen hat Gott die Geschichte von dem Hochwasser erzählt.Widersprüche Sintflut

Im Kern sind deshalb beide Geschichten gleich. Warum die Zahl der Regentage und der ausgesandte Vogel unterschiedlich ausfallen, und warum der eine reine und unreine Tiere unterschied, der andere aber nicht, wissen wir nicht. Das kann an der langen Überlieferung bis zum Aufschreiben liegen oder auch daran, dass Gott diese Geschichte tatsächlich unterschiedlich erzählt hat.

Nun kommt aber die dritte Person ins Spiel: Das ist nämlich derjenige, der den Bericht in die Form gebracht hat, wie er uns heute vorliegt.

Dieser „Redakteur“ kannte zwei Erzählungen von einem Hochwasser. Und es war ihm klar, dass beide Erzählungen von Gott stammen.

Und anstatt dass er nun irgendwie aus beiden Geschichten eine gemacht hätte und die Unebenheiten geglättet hätte, war er sehr glücklich, dass Gott zweimal eine Hochwassergeschichte ausgespuckt hatte. Denn wenn es tatsächlich zwei Geschichten gibt, dann haben wir es mit Wahrheit zu tun: Wenn zwei Zeugen das gleiche sagen, dann gilt es als wahr.

(Wobei nicht das Wasser und der Holzkasten als historische Wahrheit verstanden werden müssen, sondern die Aussage, dass Gott nicht bei den Menschen auf der Erde lebt, weil die Schlechtigkeit der Menschen zu groß ist.)

Und darum hat der Redakteur die beiden Erzählungen so zusammengebaut, dass man merkt: ursprünglich waren es zwei. Es ist trotzdem eine, denn es gibt nur eine Aussage, und die ist in beiden Texten gleich.

Der Sinn der Widersprüche ist also, dass man merkt: Diese Erzählung ist wirklich von Gott. Die hat sich nicht ein kreativer Mensch aus der Nase gezogen. Sondern Gott hat zweimal geantwortet, und die Geschichte von der Sintflut mag keine historische Wahrheit sein, aber inhaltlich ist sie auf jeden Fall wahr.