Exodus 4,24–26 Ein Brief an Frau Z.
Sehr geehrte Frau Zippora!
Ich weiß schon: Sie haben nichts gemacht.
Was ja vielleicht das Problem ist.
Ja, ich ahnte es: Sie können nichts dafür.
Dummerweise sind Sie aber die Einzige, deren Name in diesem Text genannt ist.
Alle anderen Personen in diesem Text sind unbestimmt.
Man könnte die Namen der anderen Personen zwar nach einer gewissen Logik zuordnen, aber man könnte den Personen auch andere Namen zuordnen, und es ergäbe immer noch einen Sinn.
Wenn also Sie als einzige in diesem Text mit Namen genannt sind, dann sind vermutlich auch Sie gemeint.
Die ganze Inszenierung wird ja zudem so gedreht, dass Sie diejenige sind, die die Beschneidung durchführen muss.
Und irgendwie scheinen Sie anschließend wieder nach Hause zu Papa gereist zu sein, denn in Exodus 18,2 muss Ihr Vater Sie wieder zu Mose zurückbringen.
Riecht danach, als ob es da einen Konflikt in Ihrem Leben gab, der noch nicht ausgekämpft war.
Ein echter Gott
Offenbar war Ihnen, Frau Zippora, nicht klar, dass Sie es hier mit einem richtigen echten Gott zu tun haben.
(Um genau zu sein: Mit dem einzigen richtigen echten Gott.)
Und wenn dieser Gott einen Bund macht, dann ist das nichts Unverbindliches.
So ein Bund ist auch nichts, wo man halb beitreten kann und halb nicht.
Denn offenbar war ja einer Ihrer Söhne beschnitten und der andere nicht.
Bei einem Ihrer Söhne haben Sie den Bund Gottes mit Abraham also anerkannt, bei dem anderen nicht.
Aber Ihr Gatte, Frau Zippora, sollte eines der größten und wichtigsten Projekte der Weltgeschichte leiten.
Und so etwas macht man nicht mit halber Verbindlichkeit.
Ach was, man braucht gar nicht so weltpolitisch zu argumentieren:
Jedweden Bund mit Gott macht man nicht mit halber Kraft, halber Entscheidung.
Seitdem Gott von Abraham verlangt hat, dass er seinen Sohn opfert, sollten Sie das wissen.
Oder seitdem Gott den Jakob angegriffen und ihm die Hüfte verrenkt hat.
Harmlosigkeit
Offensichtlich haben Sie Gott bisher für harmlos gehalten.
Dann wurde es allerdings Zeit, dass Gott Sie über den wahren Sachverhalt informiert.
Denn was Gott Ananias und Saphira nicht hat durchgehen lassen, und was Saul zum Verhängnis wurde, das gilt für Sie genauso.
Wenn die Korinther, nachdem sie das Abendmahl in eine Art Besäufnis mit Fressorgie umgewandelt hatten, reihenweise krank wurden oder sogar starben, dann wird man es Ihnen auch nicht nachsehen, wenn Sie Gott nicht ernst nehmen.
Ernst nehmen als das, was er ist: Ein großer Gott mit einem grenzenlosen Machtanspruch.
(Wäre Gott nämlich nicht so, hätte er sich auch später nicht die Mühe gemacht, seinen eigenen Sohn zu schicken, um den Teufel seiner Macht zu berauben.)
Und ehe Gott sich mit irgendwelchen Halbheiten zufrieden gibt, verzichtet er lieber auf den entsprechenden Menschen. Ja, auch auf Ihren Mann. Wie Sie ja gemerkt haben.
Anderer Körperteil
Und tatsächlich, Frau Zippora: Es geht bei der ganzen Sache im Grunde gar nicht um die Beschneidung dieses rein männlichen Körperteils.
Eigentlich geht es immer um die Beschneidung des Herzens.
Dass der Mensch mit dem Herzen einen Bund mit Gott macht.
Was Sie, Frau Zippora, offensichtlich versäumt hatten.
Im Kern geht es darum, dass man sich mit dem ganzen Herzen an Gott hängt und nicht mehr an irgendwas weltliches.
Auch nicht an midianitische Traditionen.
Und wenn Sie es noch so oft versuchen, Frau Zippora: Man kann nicht auf zwei Hochzeiten gleichzeitig tanzen.
Auf der heidnischen und auf der göttlichen.
Wobei die mitfühlenden und achtsamen Humanisten heutzutage bestimmt beklagen würden, dass Sie ja Ihre Identität verlieren, wenn Sie die midianitische Folklore aufgeben und die Traditionen Ihres Herkunftslandes verlassen.
Allerdings waren Sie gerade kurz davor, noch mehr als Ihre Identität zu verlieren: Nämlich Ihren Ehemann.
Könnte man jetzt lange spekulieren, welches Trauma Sie mehr traumatisiert hätte.
Da war es dann ganz gut, dass Sie noch rechtzeitig die Kurve gekriegt haben.
Denn Gott wollte sich ein Volk schaffen, das seine Identität von Gott ableitet und nicht von irgendwelchen althergebrachten Sitten.
Merke: nur weil Oma es auch schon so gemacht hat, ist es noch lange nicht gut.
Die Zukunft dankt
Nicht alle, Frau Zippora, sind später Ihrem Vorbild gefolgt.
Denn in der Wüste wurde die Beschneidung dann wieder vernachlässigt.
Aber Josua hat von Ihnen gelernt, und vor der Einnahme von Jericho als erste Stadt des gelobten Landes hat er das Volk dann wieder beschneiden lassen.
Das war dem Josua durch Ihre Geschichte klar geworden:
Wenn man nicht vor den Pharao treten kann ohne rigoroses Bekenntnis zu dem Bund mit Gott, dann kann man auch nicht den Kanaanitern gegenüber treten ohne dieses Bekenntnis.
Und dem Teufel und den bösen Mächten des Lebens übrigens auch nicht, lieber Leser.