Psalm 92 sehr einseitig
Zum Lesen dieses Artikels sollten Sie die Füße hochlegen.
Damit niemand auf die Idee kommt, Sie würden rumrödeln.
Der Psalm beginnt nämlich so: Ps 92,1
1 Ein Psalm. Ein Lied. Für den Tag des Sabbats.
Diese Anmerkung bezüglich des Wochentages ist wichtig.
Das Böse schläft nämlich nicht.
Und es hält keinen Sabbat.
Man könnte also denken, dass das Ungerechte, Gottlose an jedem Sabbat einen Tag Vorsprung gewinnt.
Während die Juden Nichts tun, legt sich das Böse ordentlich ins Zeug.
Wobei der Psalm hier von dem Bösen in nächster Nähe spricht.
Chilenische Missstände interessieren hier nicht.
Aber der Nachbar, der Kollege, der Konkurrent oder die feindliche Armee, die allesamt am Sabbat weiterarbeiten, die interessieren hier.
Oder diese weltweit tätigen Firmen, die uns über den Tisch ziehen wollen, oder die Politiker, die dann irgendwas entscheiden, und wir bekommen es nicht mit, weil wir gerade im Sabbat sind.
Und was machen wir nun am Sabbat? Ps 92,2-4
2 Es ist gut, den HERRN zu preisen und deinen Namen, du Höchster, zu besingen;
3 am Morgen zu verkünden deine Gnade und deine Treue in den Nächten
4 zur zehnsaitigen Laute und zur Harfe, zum klingenden Spiel auf der Zither.
Da hat man ja ein ordentliches Orchester anrücken lassen. Eine Bigband: zehnseitige Laute, Harfe und Zither.
Man will offenbar etwas mit Überzeugung vortragen.
Und zwar will man Gottes Gnade und Treue besingen.
Man könnte ja auch Gottes Macht besingen oder seine Unendlichkeit, man könnte seine Größe besingen oder seine Weisheit.
Das würde einem jetzt gegen den Gottlosen aber nichts nützen.
Schon gar nicht am Sabbat.
Sondern was jetzt wichtig ist, ist, dass ich der gnädigen Zuwendung Gottes sicher sein kann, während der andere mich wegen meines Nichtstuns überholen könnte.
Also dass Gott so gerecht ist, dass er mich in gewisser Hinsicht dafür belohnt, dass ich seinen Willen tue.
Was in diesem Falle ja Nichts ist.
Dass ich absolut sicher sein kann, dass Gott auf meiner Seite ist.
Und für diese Sicherheit nützt mir Gottes Gnade und Gottes Treue, aber nicht Gottes Weisheit oder Gottes Unendlichkeit.
Und darum werden hier Gottes Gnade und Treue besungen, weil dass der Punkt ist, auf den es hier ankommt:
Dass Gott zu mir steht, und dass selbstverständlich in einer gnädigen Haltung, weil Gottes Ansprüche immer unendlich sind und immer höher als meine mögliche Leistung und Gott also nicht auf meiner Seite sein wird, weil sich das für ihn lohnt und weil ich ein verlässlicher Partner für Gottes Geschäfte bin. Es ist nicht so, dass hier eine Hand die andere wäscht. Ein Geschäft auf Gegenseitigkeit, und solange das funktioniert, so lange ist Gott auch auf meiner Seite. Er wäre ja dumm, wenn er es nicht wäre.
Nein, das ist nicht der Grund, warum Gott zu mir steht. Es sind Gnade und Treue.
Wo Herr Müller zuviel kriegt
Ps 92,5-7
5 Denn du hast mich erfreut, HERR, durch dein Tun. Über die Werke deiner Hände juble ich.
6 Wie groß sind deine Werke, HERR! Sehr tief sind deine Gedanken.
Ach, es ist ein Elend!
Wenn fromme Christen diesen Psalm lesen und dann im Gottesdienst erzählen, dass das so schön sei, dass hier das Werk der Schöpfung gepriesen wird!
Die großartigen Werke, um die es hier geht, haben mit der Schöpfung überhaupt nichts zu tun.
Der ganze Psalm geht ja nicht über Blumen und Sonnenuntergänge, sondern über Gottes Gerechtigkeit.
Folglich sind die Werke, über die der Autor sich hier freut, Gottes gerechte Handlungen.
Dass Gott nämlich zu denen, die ihm treu sind, ebenfalls treu ist.
Dass Gott gnädig und gütig an denen handelt, die Gottes Interesse an erste Stelle stellen.
Die Tiefe der Gedanken
Was hier die Tiefe der Gedanken ausmacht, ist z.B. die Frage:
Wer ist eigentlich verantwortlich für mein Leben, für meinen Erfolg und für mein Glück?
Und da haben wir ja sehr oft den Fall, dass man die äußeren Umstände für das Misslingen des eigenen Lebens verantwortlich macht.
- Wenn ich bessere Chancen gehabt hätte.
- Wenn Corona nicht gekommen wäre.
- Wenn ich andere Eltern gehabt hätte.
- Wenn ich nicht diesen Menschen geheiratet hätte.
- Wenn mein Kind nicht krank gewesen wäre.
- Wenn der Kapitalismus nicht so unbarmherzig wäre.
- Wenn Herr X mich damals nicht so unterdrückt hätte.
Wer ist also verantwortlich, dass mein Leben so gelaufen ist, wie es gelaufen ist?
Die anderen oder die Umstände.
Und wer ist verantwortlich dafür, wie es weiter geht?
Die anderen und die Umstände.
Und da sagt dieser Psalm:
Nein, es sind nur zwei Personen verantwortlich, und es sind immer die gleichen Personen, egal wie die Situation ist:
- Für alle Situationen, in denen ich Gestaltungskraft habe, bin auch ich verantwortlich.
- Ob ich den Sabbat halte, wie Gott es gesagt hat, das ist meine Verantwortung
- Wie ich mit meinem Geld und mit meiner Zeit umgehe, ist meine und nur meine Verantwortung.
- Ob ich Gott in die Mitte meines Lebens stelle oder nicht, ist ganz allein meine Verantwortung.
- Für Situationen, wo ich keine Gestaltungskraft habe, ist Gott verantwortlich.
- Da, wo ich gegen den Gottlosen oder den Teufel machtlos bin, da ist Gott dran.
- Da wo ich mich gegen Google oder gegen das Oberlandesgericht ohnmächtig fühle, vertraue ich auf Gottes Treue, denn er hat die Macht.
- Wenn das Geld vorne und hinten nicht reicht und ich nicht weiß, was ich machen soll, dann ist Gott zuständig.
Das Leben wird auf eine sehr einfache Rechnung heruntergebrochen: Entweder Gott ist verantwortlich, oder ich. Mehr Macht gibt es nicht, mehr Einflüsse braucht man nicht einzurechnen.
7 Ein unvernünftiger Mensch erkennt es nicht, und ein Tor versteht dies nicht.
Wenn es sich bei den „Werken Gottes“ um Werke der Schöpfung handeln würde, wäre es ja egal, ob ein dummer Mensch deren Herkunft versteht.
Wenn ein Mensch aber nicht versteht, dass Gott gerecht ist und gut, dann ruiniert er damit sein Leben.
Was man über die Tulpe denkt, hat keine Auswirkungen auf das Leben.
Aber wenn man nicht versteht, wie Gott gegenüber dem Guten und dem Bösen handelt, dann trifft man völlig falsche Entscheidungen.
Dann denkt man vielleicht, der kurzzeitige Erfolg des Bösen sei dauerhaft, und man komme mit Bösartigkeit in der Gesamtsumme weiter als mit Gottesfurcht.
Aber das ist ein lebenszerstörender Irrtum.
Wenn jemand glaubt, er müsse den oder das Böse bekämpfen, und reibt sich darin auf, weil er nicht versteht, dass die Bekämpfung des Bösen Gottes Sache ist, und der Mensch hat Sabbat.
Wenn der Mensch die Verantwortlichkeiten im Leben nicht richtig sortiert hat, das garantiert ein verkorkstes Leben.
Wir sprechen über Unkraut
Ps 92,8-9
8 Wenn die Gottlosen sprossen wie Gras und alle Übeltäter blühen, dann nur, damit sie vertilgt werden für immer.
9 Du aber bist ewig erhaben, HERR!
Das könnte sich jetzt so anhören, als seien gewisse Leute nur als Brennstoff für die Hölle geschaffen.
Aber gemeint ist: Der Sinn des Lebens der Gottlosen tendiert gegen Null.
Der Teufel bezahlt schlecht, und die Welt zahlt nicht besser.
Die Gottlosen sprossen auch nur wie Gras. Am Ende des Psalms wachsen die Dattelpalme und die Zeder. Das Gras mag schnell und als Unkraut überall wachsen, und das viele Grün nach der Regenzeit mag beeindruckend sein, aber zur Dattelpalme und zur Zeder ist das kein Vergleich.
Das Einzige, was beim Leben der Gottlosen herauskommt, ist ihre Vernichtung, ihr Verlorengehen.
Der Gottlose denkt natürlich, dass er den Gläubigen über den Tisch ziehen kann. Dass er den Frommen aus dem Weg räumen kann. Dass er die Christen ausbeuten kann.
Und das könnte er natürlich auch. Wer ist schon der Gläubige? Der traut sich ja noch nicht einmal, fiese, unlautere und gemeine Mittel einzusetzen.
Ein hüpfender Vergleich
Aber die Gottlosen werden hier gar nicht mit den Gläubigen verglichen, sondern mit Gott!
Was der Gottlose nämlich nicht weiß und der Unbelesene nicht checkt: Gott nimmt die Sache sehr persönlich.
Gott nimmt das schon persönlich, wenn man ihn missachtet.
Aber Gott nimmt es genauso persönlich, wenn man diejenigen, die ihn lieben, schlecht behandelt.
Das ist dann so, als wenn man Gott selber schlecht behandelt.
„Was ihr einem meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ Jesus hat das dann übernommen, und das gibt Gottes Haltung wunderbar wieder.
Ach ja, hier steht es ja: Ps 92,10-12
10 Denn siehe, deine Feinde, HERR, denn siehe, deine Feinde werden umkommen. Es werden zerstreut werden alle Übeltäter.
Das ist jetzt schon sehr betont, dass das Gottes Feinde sind und nicht nur meine.
Und es wird wohl davon ausgegangen, dass Gott hinter dem Untergang der Bösen steckt, denn auch hinter dem Gegenteil der umgekommenen Feinde steckt Gott:
11 Aber du wirst mein Horn erhöhen wie das eines Büffels. Mit frischem Öl hast du mich überschüttet.
Dieses Wohlergehen ist also nicht Ergebnis von Leistung und Fleiß, von Engagement und geeigneten Methoden.
Sondern das macht Gott. Das ist das Ergebnis von Sabbat.
Das ist das Ergebnis von der richtig verteilten Verantwortung für mein Leben.
12 Und mein Auge wird seine Lust sehen an meinen Feinden. Meine Ohren werden ihre Lust hören an den Übeltätern, die gegen mich aufstehen.
Das hört sich für unsere Ohren sehr nach Schadenfreude an. Es ist aber gar nicht so schlimm. Der Fokus ist hier nicht auf dem Gottlosen, dessen Untergang man mit Häme betrachtet. So wichtig ist der Übeltäter nicht.
Der Untergang der Übeltäter zeigt die Macht Gottes.
Damit zeigt es aber auch die Treue Gottes, für die es aber der Macht bedarf. Es nützt ja nichts, wenn Gott mir innerlich und emotional unglaublich treu ist, aber keine Macht hat, diese Treue mir gegenüber auch durchzusetzen.
Der Untergang der Gottlosen ist also Bestätigung meines Glaubens.
Und gleichzeitig wird der Sinn und Zweck der Welt erfüllt. Denn der Sinn der Welt ist es, die Grandiosität Gottes zu zeigen. Und das geschieht hier.
(Im übrigen muss man bedenken, dass die Trennung zwischen „Sünder“ und „Sünde“ erst seit Jesus erfasst werden kann. Vorher war nicht sichtbar, dass Gott den Sünder lieben kann und gleichzeitig die Sünde hassen.)
Das Schlusswort
Zum Schluss kommen nun die Zukunftsaussichten: Ps 92,13-16
13 Der Gerechte wird sprossen wie die Palme, wie eine Zeder auf dem Libanon wird er emporwachsen.
14 Die gepflanzt sind im Haus des HERRN, werden grünen in den Vorhöfen unseres Gottes.
15 Noch im Greisenalter gedeihen sie, sind sie saftvoll und grün,
16 um zu verkünden, dass der HERR gerecht ist. Er ist mein Fels, und kein Unrecht ist an ihm.
Die Gläubigen gedeihen nicht im Greisenalter, damit sie lange was von ihrer Rente haben.
Sondern damit sie schon allein durch ihre Existenz deutlich machen, dass Gott gerecht ist.
Und diese Gerechtigkeit besteht darin, dass Gott zu denen hält, die zu ihm halten.
Und in dieser Gerechtigkeit ist Gott absolut zuverlässig.
Und damit geht es eben nicht mehr, dass ich für den Zustand meines Lebens irgendwelche mächtigen Mächte und monströsen Umstände verantwortlich mache.
Wie sehr Gott mir treu ist, ist in Gottes Verantwortung.
Dass Gott mir treu sein will, das liegt in meiner Verantwortung.