Psalm 131 Selbstbeweihräucherung

Was soll das?

Warum erzählt der Schreiber Gott, was für ein toller Hecht er ist? Wie demütig er ist und bescheiden in seinen Zielen. Ist das eine neue Variante von „Perfekte Demut und wie ich sie erlangte“?

Ich käme doch niemals auf die Idee, Gott zu erzählen, wie toll ich bin!

Und dann diese Sache mit dem Kind bei seiner Mutter. Werden wir in den Gemeinden denn niemals aus kitschigen Ecke rauskommen? Muss man das Evangelium mit süßen Katzenvideos verkünden, oder wie hier, mit Babys bei Mama? Wieso mutet man erwachsenen, gestandenen Menschen schmalziges Rosa zu voller herzzerreißender Emotionen?

Ja, muttu aufpassen. Und wer lesen kann, ist klar im Vorteil.

Erstens

Erstens spricht hier der König, nicht der Hirte. Dieser Psalm ist nicht proletarischer Herkunft, sondern es ist ein Psalm der oberen Zehntausend.

Einer, der von unten kommt, muss sich jetzt mit Wirtschaftssystemen und der Versorgung eines stehenden Heeres herumschlagen, muss die Strategie des Teufels verstehen und warum die Syrer sich so verhalten und nicht anders. Er muss staatstragende Entscheidungen treffen, und muss wissen, warum Gott Absalom machen lässt und warum Salomo sein Nachfolger werden soll und nicht der erstgeborene Sohn, also der Kronprinz.

Und nein, er muss es nicht wissen. Er kann demütig sein und Gott sagen, dass das Gottes Job ist und nicht seiner. Und dass er selbst nicht alles verstehen muss, solange er Gott vertrauen kann, dass der es versteht. Und dass der weiß, was er tut.

Zweitens

Zweitens ist das Kind, um das es hier geht, nicht ein süßes Baby, gewiegt in den Armen der Mutter. Sondern es ist ein entwöhntes Kind. Es kriegt keine Milch mehr.

Die Mutter ist noch da, gewiss. Aber das Essen gibt es jetzt auf dem Tisch, Leberwurstbrote oder, wenn man Pech hat, Brokkoli oder Rosenkohl.

Und das Essen kommt nicht immer sofort, sondern nur dreimal täglich. Und es hat auch nicht gleich schon Körpertemperatur, sondern ist zu kalt oder zu heiß.

Aber die Mutter ist noch da, und sie wird dafür sorgen, dass was zu Beißen auf den Tisch kommt. Früher oder später, aber mit Sicherheit.

Aussage

Wenn man Karriere gemacht hat in Gottes Reich und theologische Bildung hat und eine Bibelkenntnis wie kein zweiter, dann kommt man schnell in die Versuchung, dass man jetzt eigentlich nicht mehr Gottes Kind sein muss, sondern eher Gottes Mitarbeiter.

Die anderen in der Gemeinde behandeln einen ja auch so. Sie erwarten Antworten auf alle möglichen Fragen, und zwar am besten gestern.

Und dann stimmt es vielleicht ja auch, wie es bei David gestimmt hat: Du bist derjenige in der Gemeinde, der am meisten von Gott gesehen hat, der die größten Offenbarungen hatte, der Gott von allen am nächsten gekommen ist.

Und je mehr man von Gottes Geheimnissen gesehen hat, umso interessanter sind die Zusammenhänge, und um so mehr will man sich mit diesen Geheimnissen beschäftigen.

Und gerade unter solchen Umständen ist es dann das Wagnis des Glaubens, Gottes Kind zu sein und sonst gar nichts.

Und gelegentlich ist gegenüber Gott Anbetung besser als Analyse.