Psalm 97 – der große Diktator

Da kommt er nun also, der König.

Wir würden wohl eher sagen: der große Diktator.

Sicher, gewisse Menschen jubeln in diesem Psalm. Aber als Hitler oder Stalin auf der Bildfläche erschienen sind, gab es auch solche Jubler.

Was hier im Psalm beschrieben wird, ist der Anbruch einer Diktatur. Und die Jubler bejubeln hier einzig das Diktatorische.

Wenn der König kommt oder neu inthronisiert ist, gibt es ja verschiedenes, über das man sich positiv äußern kann:

·         Die goldene Kutsche, mit der er fährt

·         Das Volksfest, dass begleitend zu seiner Ankunft veranstaltet wird

·         Die schönen Girlanden, die festlich geschmückten Straßen.

·         Das neue Rathaus, das er der Stadt als Geschenk mitgebracht hat

·         Die schönen Uniformen der königlichen Garde

·         Die wunderbare Rede, die er gehalten hat, oder die Musik, die begleitend zu seiner Ankunft spielte

Statt dessen beklatscht dieser Psalm nur das Diktatorische, nur das Ende der Freiheit.

Einseitig Macht

Scheinbar geht es, wenn der neue König kommt, nur um Macht.

Es geht nicht um Schönheit, um Kunst oder Musik.

Es geht nicht darum, dass man mal in Ruhe in der Sonne sitzen kann oder am Meer.

Es geht nicht um Genuss, um Spaß oder Vergnügen – und das sind ja durchaus Dinge, die die Qualität des Lebens mitbestimmen. Die Freude darüber, dass man mal stundenlang sinnlos am Computer spielen kann oder ein Buch lesen oder lang und ausgiebig Netflix schauen kann, spielt keine Rolle.

Der König kommt, und wir haben nicht etwa Ferien oder Kaiserwetter oder Steuererleichterungen, sondern wir haben ausschließlich die Durchsetzung einer diktatorischen Macht.

Die Opfer

Es gibt in diesem Psalm auch diejenigen, die nicht klatschen.

Die auf der Strecke bleiben:

·         Gottes Feinde werden vom Feuer verzehrt (V.3)

·         Die Berge zerschmelzen wie Wachs (V.5)

·         Verehrer von Götzenbildern müssen sich schämen (V.7)

·         Die Götter, die bisher angebetet wurden, müssen nun selber anbeten (V.7)

·         Die Gottlosen kriegen keinen Fuß mehr auf die Erde, haben keine Chance mehr (V.10)

Die angebliche Gerechtigkeit

Oh, selbstverständlich kommt in unserem Psalm auch „Gerechtigkeit“ vor. Wenn der König kommt, dann gibt es tonnenweise Gerechtigkeit (Vers 2 + Vers 6), und es gibt dann auch diejenigen, welche dieser Gerechtigkeit entsprechen (Vers 11+12).

Aber dieses Gerechtigkeit ist relativ und subjektiv. So wie unter Hitler diejenigen, die in der NSDAP waren und der Ideologie treu ergeben waren, in diesem Sinne freigesprochen, also gerecht waren. Aber wehe den anderen, die nicht unter dem Schutz dieser „Gerechtigkeit“ standen!

So ist die Gerechtigkeit in diesem Psalm nur diejenige, die Gott für richtig und gerecht hält. Was irgendwer anders für gerecht hält, interessiert nicht und findet keinerlei Berücksichtigung. Die Gerechtigkeit dieses Psalms ist sehr einseitig.

Das Weltverständnis

Dieser Psalm versteht die Welt einzig als einen Kampfplatz zwischen Gott und dem Rest. Alle anderen Aspekte, unter denen man die Welt ja auch noch beschreiben können, fallen als zweitrangig unter den Tisch.

Mit etwas mehr Neuem Testament könnten wir sagen: Der Psalm versteht die Welt als Kampfplatz zwischen Licht und Finsternis.

Zwischen Gott und dem Teufel.

Zwischen gut und böse.

Die neue Sicht

Die revolutionäre Sicht dieses Psalms ist, dass er Gott als absolut gut darstellt. Wie Johannes später sagen wird: Gott ist Licht, und es ist gar keine Finsternis in ihm (1.Jh 1,5).

Und Gott ist nicht nur für und in Israel gut, sondern weltweit. Er ist für alle Völker einschließlich der Eskimos das Beste, was diesen Menschen passieren kann.

Diese Sicht ist in einer Zeit, wo Götter normalerweise regional angebunden waren, ihrer Zeit weit voraus. Es gab zwar auch Texte, die besagten, dass sich die Babylonier oder die Ägypter eines Tages unter Gottes Herrschaft beugen müssen, aber das sollte nur deshalb geschehen, weil Gott der Stärkere ist und die Babylonier sich mit dem Falschen angelegt hatten, als sie Israel angriffen.

Im Psalm 97 ist Gott auch der Stärkere, aber das ist deshalb begrüßenswert, weil er durch und durch gut ist. Die gesamte Erde freut sich nicht etwa, weil sie einer bestimmten Ideologie anhängt, welche jetzt gesiegt hat, sondern weil jetzt für die ganze Erde das Beste, das Licht, die Herrlichkeit Gottes zur Verfügung steht.

Gott kommt auch in diesem Psalm zum Gericht, aber er kommt nicht zum Gericht über bestimmte Völker im Gegensatz zu Israel. Sondern Gottes Gerechtigkeit – und wir wissen mittlerweile, dass Gottes Gerechtigkeit vor allem aus Gnade besteht – Gottes Gerechtigkeit steht jetzt der ganzen Welt zur Verfügung. Jeder Mensch hat nun die Chance, unter das Urteil von Gottes Gerechtigkeit zu fallen und damit von dem Licht zu profitieren.

Ebenso ist neuerdings jeder Böse weltweit in Gefahr. Hatte das Gesetz des Mose noch das Böse allein Israel verboten, sich aber zu dem Bösen in China oder Peru nicht geäußert, so ist es in dem Moment, wo Gott tatsächlich die Herrschaft angetreten hat, völlig egal, wo eine Person sich aufhält.

Die Diktatur

Und ja: Es ist eine Diktatur.

Allerdings kann man sich das Gejammer über die verlorene Freiheit sparen.

Denn solange das Böse nennenswerte Macht hat, gibt es erst recht keine Freiheit.

Es muss nämlich bedacht werden, dass Hass, Neid, Ängste oder Sorgen dermaßen gefangen machen, dass die Forderungen nach freiem Sex oder nach dem Recht des Stärkeren oder der Durchsetzung des eigenen Willens im Vergleich dazu albern sind.

Somit ist die Freiheit, die Gott bringt, keine absolute Freiheit. Es ist sicher eine Diktatur, aber das Verbot des Bösen ist ein weitaus geringeres Übel als das Nichtbekämpfen von Ängsten, Sorgen, Machtgier und Betrug.

Alternativlos

Natürlich könnte Gott auch einfach gar nicht kommen.

Aber das hieße, dass alles so weitergeht wie bisher. Oder noch schlimmer wird. Denn dass es durch den Fortschritt der vernunftbegabten Menschen nicht besser wird, das durften wir mittlerweile erkennen.

Darum muss Gott, wenn er kommt, auch zum Gericht kommen. Wenn Gott einfach nur käme, um hübsch auszusehen, mag das ganz nett sein, aber am Ende hilft es uns nicht weiter. Wer Gott liebhat, kann sich dann freuen, dass er da ist.

Und darum läuft es am Ende auf eine Diktatur hinaus. Wenn man eine demokratische Abstimmung machen wollte, ob die Weltbevölkerung denn wohl vom Bösen oder vom Guten regiert werden will – nun, die Abstimmung gibt es längst. Sie findet heute jeden Tag in jedem Teil der Welt statt. Und das Ergebnis ist so, dass wir mit Gottes Diktatur vermutlich besser dran sein werden.

Darum: feiern Sie mit den Darstellern von Psalm 97 die neue Diktatur. Genießen Sie das Licht, das auf ihren Weg gesät ist und freuen Sie sich an der neuen Sicherheit.

Und über das Ende der Diktatur des Bösen.